Interview mit Dr. Wilfried Spaar - Teil 3

MM: Wollen Sie auch einmal etwas anderes machen?

WS: Als Sinologie? Also Sinologie ist bis heute nicht langweilig geworden.

MM: Sie haben gesagt sie haben einen Sohn…?

WS: Zwei, inzwischen.

MM: Stimmt, einen hab ich hier einmal erlebt.

WS: Ja das ist der Jüngere! Der ältere heißt Shanye, der jüngere heißt Leye, also sehr konfuzianisch. Und beide sind Sinologen geworden. Der Ältere ist momentan in Peking, er hat viele Jahre in Peking und Taipei verbracht und dort auch studiert, und er ist inzwischen ein Assistent für klassisches Chinesisch in Würzburg. Und der Jüngere, der kann also auch Chinesisch aus dem FF. Er hat auch Sinologie gemacht, aber hauptsächlich eher Mathematik und Sprachwissenschaft und hat sein Examen in einem Thema der Computerlinguistik gemacht. Er ist sogar hier in Heidelberg, allerdings nicht an der Uni sondern an einer Firma die mit dem Max- Planck Institut für medizinische Forschung zusammenhängt und programmiert da irgendwie und verdient dabei mehr Geld als sein Vater.

MM: Ja super! Das heißt die beiden haben Chinesisch dann auch muttersprachlich mitbekommen?

WS: Ja genau.

MM: Und sie würden sich jetzt mehr als Sinologe als als Linguistik sehen?

WS: Eher als klassischer Sinologe. Die Linguistik war für mich eher eine Art Hilfswissenschaft um grammatische Zusammenhänge zu erklären. Ich hab in der Linguistik recht viel gemacht, ich war ein Schüler von Gabriel Altmann, das ist der mit dem Menzerath-Altmann-Gesetz. Er kam aus der Slowakei, hat aber dann an deutschen Universitäten sozusagen Karriere gemacht. In Bochum war er zuständig für mathematische Linguistik. Und er hat mich dann gewissermaßen aufgenommen als Schüler und die erste Frage bei der Aufnahmeprüfung war dann „Sagen sie mal, können sie eigentlich Integrieren? Wenn nicht macht nichts, das machen wir dann nächste Woche.“ Also der hat dann mathematische Ausbildung für seine Leute nochmal von Anfang an gemacht, sehr konzentriert, und das war auch mal was anderes. Ich hab mich dem auch unterzogen und bin dann so ein bisschen in der strukturalistischen Linguistik geblieben und bin sehr interessiert an formellen Zusammenhängen. Und damals war das die sogenannte mathematische Grammatik, das hat sich als Irrweg erwiesen, davon redet heute kein Mensch mehr.

MM: Spannend. Sie hatten ja angedeutet, dass sie keine Präferenzen zwischen traditionellen und verkürzten Schriftzeichen haben?

WS: Also mir ist es tatsächlich egal, ich behandle beide gleich. Ob jetzt also ein Text in normalen Zeichen besetzt ist oder in verkürzten Zeichen, ist mir egal. Man kann auch die verkürzten Zeichen sehr, sehr schön schreiben. Es gibt da so kalligraphische Lehrbücher, wo man sehen kann, dass egal ob Bleistift oder Kulli, man wirklich sehr schön schreiben kann. Oder eben auch ob das súzì 俗字 , also inoffizielle Schriftzeichen sind, das hat mich auch sehr interessiert.

Aber ja, das ist mir egal ich hab da keine Präferenzen und ich finde, einer der schlimmsten Sätze die man als Sinologe sagen kann ist „Ja, ich bin Sinologe und China- Spezialist, aber dieser Text, das sind ja Langzeichen, die kann ich nicht lesen.“ Oder umgekehrt.

 

Interview: Mariana Münning

Redaktion: Lydia Rachel

 

Die weiteren Teile des Interviews finden Sie hier: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4.

 

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Letzte Änderung: 08.12.2020
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