Newsletter-Archiv: Januar 2017

Nach der rekordbrechenden Rechnung für das chinesische Kino im Jahre 2015 bleibt das Kinojahr 2016 noch im Rahmen. Die Ticketverkäufe stiegen um 2.2% im Vergleich zu 2015 (ca. 6.48 Mrd. USD). Ein paar große Zahlen schreibt es trotzdem: China überholt die USA mit den meisten Kinoleinwänden mit dem rasanten Bau von über 40.000 Kinos in kleineren Städten.
Der US-animierte Film Zootopia wurde in China zum beliebtesten, Warcraftzum zweitbeliebtesten Film Hollywoods im letzten Jahr mit einem Gewinn von 236 und 221 Mio. USD. Letzterer war sogar eine Produktion von Legendary Entertainment, das fast genau vor einem Jahr von Dalian Wanda aufgekauft wurde. Das Interesse an „familienfreundlichen“ Filmen zeigt, wie Animationen in China mehr Anklang beim Publikum finden und nur wenig auf politische Hürden treffen – Disney-Filme brachten letztes Jahr fast eine Mrd. USD in China ein, mehr als alle Filme jedes anderen großen Hollywood-Studios.
Der leichte Rückgang nach dem Boomjahr 2015 wird von Experten unter anderem der Verfolgung von Ticketbetrugs und der Verlagerung von internationalem zu nationalem Kino zugeschrieben, die Schlager wie The Mermaid hervorbrachte.

Wenn man von einer 2016-Bilanz redet, wird man früher der später auch aufs Thema Trump kommen. Mit dem Amtsantritt am 20. Januar bleibt darauf zu warten, wie sich der neue Präsident dem chinesisch-amerikanischen (Kino-)Handel gegenüber verhält – gerade da gigantische Pionierprojekte wie The Great Wall nun den ersten Schritt hin zur vollendeten Filmkooperation gewagt haben, nicht zuletzt um einen größeren Anteil an Einnahmen zu kassieren.

Obwohl Dokumentarfilme in China bisher hinter den großen Kassenschlagern zurückblieben, schien 2016 ein kleiner Lichtblick für das (in China verkannte) Genre zu sein, wie der China Film Insider berichtete. Auf dem Internationalen Documentary Film Festival Amsterdam (IDFA) im November gewannen zwei chinesische Dokus große Preise der Jury: Regisseur Fan Jians 范儉 Still Tomorrow (2016) über die behinderte Yu Xiuhua 余秀华, die durch im Internet veröffentlichte Gedichte Berühmtheit und Unabhängigkeit erfuhr, und Künstler Wang Jiuliangs 王久良 Plastic China (2016), das einer Familie und deren Arbeit als Plastikmüll-Recycler folgt.
Während viele Filmemacher bereits an der instabilen, dürren Investorenwelt scheitern, schaffen es andere Werke, wie der Film Hooligan Sparrow (2016) über die Aktivistin Ye Haiyan 叶海燕, nicht durch das sensible Zensurinstrument. Das wird im kommenden März durch das neue Filmgesetz mit mehr lokalen Zensoren noch feiner gestimmt, was auch zu größerer Kontrolle von im Ausland gezeigten Dokumentarfilmen, vor allem bei Festivals, führen kann und den 2016 erzeugten Silberstreifen wieder am Horizont verschwinden lässt.

“There are so many crappy films in theaters these days. I would rather use that money to eat hot pot with friends.”
(Zitat aus dem obigen Wallstreet-Artikel)

Noch ein allerallerletztes Mal: Nun läuft der gruselige Great Wall Trailer auch bei uns in den Kinos. In China lief der Film bereits Mitte Dezember an und erntete in China trotz erwarteten Einnahmen (66 Mio. USD am ersten Wochenende) verheerende Kritik. Als kalkuliertes kommerzielles war der Film die erste „ehrliche“ Koproduktion, die den amerikanischen Studios 43% der Ticketeinnahmen versprach. Wie ich vielleicht schon einmal erklärte, hat dies folgende Haken: Einen lokalen Partner (China Film Group and Le Vision Pictures), chinesische Schauspieler (Andy Lau 刘德华, Eddie Peng 彭于晏, Tian Jing 景甜...) und „kulturelle Elemente“ in der Filmhandlung.

“The Chinese element has basically been reduced to sky lanterns, Chinese military armor, the Great Wall, and other symbols of Eastern culture. It doesn’t use the story to promote traditional Eastern values, it’s all tokens.”
(Treffendes) Kommentar eines chinesischen Zuschauers aus dem Artikel

Neben der unbekannten (da vorwiegend chinesischen) Besetzung macht man sich auch Sorgen um die kulturelle Botschaft des Films bei einem internationalen Publikum. Laute Explosionen, chinesische Armeen in glänzender Rüstung, Drachenmonster und die animierte Großen Mauer – Gibt es ein größeres, hohles Kinospektakel?
Vergessen wir doch einfach, dass dies der Auftakt zum Kino 2017 war...