Ein vergessener Heidelberger Sinologiestudent

„Ich studierte zuerst Semitistik, Iranistik und Indologie und promovierte bei Bezold und Bartholomae in Heidelberg 1916 summa c.l. Auch in der juristischen Fakultät promovierte ich noch insigni c.l. Durch F.E.A. Krause, der damals in Heidelberg war, wurde ich in die Sinologie und durch Walleser in den chinesischen Buddhismus eingeführt. 1923 habilitierte ich mich in Darmstadt in der Allgemeinen Abteilung für Philosophie des Morgen- und Abendlandes. Ende 1923 nahm ich Urlaub nach Ostasien, wo ich bis voriges Jahr blieb. 1924 wurde ich Nachfolger Richard Wilhelms an der Reichsuniversität Peking als Lecturer für deutsche Philosophie. 1925 wurde ich zum ordentlichen Professor daselbst befördert. In der Zeit meines Aufenthaltes in China habe ich meine sinologischen Studien eifrig fortgesetzt, und zwar in Gemeinschaft mit chinesischen Gelehrten. Um die taoistische Tradition und Meditationstechnik von Grund auf kennen zu lernen, wurde ich Mitglied der Tao te hio she (cf. R. Wilhelm: Das Geheimnis der Goldenen Blüte). Ferner erlernte ich noch bei Baron Stael-Holstein Tibetisch und las bei ihm trilinguale Texte. 1929 kehrte ich zurück. 1930 wurde ich zum Direktor des China-Instituts an der Universität Frankfurt ernannt. Der Lehrstuhl an der hiesigen Universität war nun eine Stiftung zugunsten Richard Wilhems ad personam. Mit seinem Tod existiert der Lehrstuhl daher nicht mehr.“  (Aus einem Brief an Prof. Forke in Hamburg v. 16.12.1930)

Archivakten zeigen:

Rousselle, Erwin, geb 1890  in Hanau, Preußen (Hessen-Nassau)

Staatsang.: Preußen 

Religion: ev.

Er studierte an:

Grossherzoglich Badische Universität Heidelberg

(Die erste Anmeldung war v. WS 1910 als er zwanzig war.)

Zu seiner Studienzeit der Sinologie bei Dr. Krause waren hier auch Netty Reiling / Anna Seghers und Philipp Schaeffer aktiv. Da sich beide auch für Religion interessierten, ist von regelmäßigen Kontakten auszugehen. (Schaeffer promovierte über Buddhismus.)

Zur damaligen Zeit gab es nicht oft Seminare mit mehr als zehn Anwesenden. Das Institut war in der Akademiestr. 1.

Bis zu seinem Tod (1949) hielt sich E.R. hauptsächlich in Frankfurt auf, reiste allerdings auch nach China. Er gab vor allem die Zeitschrift SINICA heraus.  

In einer Werbung des Insel Verlags über sein „Lau-dse“-Buch heisst es:

„1931 war er Lehrbeauftragter für Sinologie und Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Frankfurt. 1938-40 folgte ein weiterer Aufenthalt in China. Nach seiner Rückkehr geriet Rousselle, wahrscheinlich wegen seiner religionswissenschaftlichen Arbeiten, ins Visier der Nazis.“

Auch nach dem Krieg konnte er nicht wieder unterrichten, es gab schon einen Nachfolger. Das Institut war bei einem Bombenangriff weitgehend zerstört worden.

Einige seiner Bücher wurden in der Bundesrepublik wiederholt nachgedruckt.

Erwin Rousselle Kleine Schriften
Erwin Rousselle: Kleine Schriften.

HEIDI enthält eine Dissertation und mehrere Bücher.

Dr. Thomas Kampen

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Letzte Änderung: 13.12.2021
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