Newsletter Mai 2011 Nr. 52

INHALT

Besuch bei der Heidelberger Druckmaschinen AG 

Am 13. Mai 2011 hatte SHAN die Möglichkeit, einigen Studenten der Heidelberger Sinologie die Teilnahme an einer Werksführung bei Heidelberger Druckmaschinen zu bieten. Dabei erhielten sie interessante Einblicke in das China-Projekt des Unternehmens.

>> Zum Artikel


Chinese Bridge in Heidelberg

Der deutschlandweite Vorentscheid des Wettbewerbs für Chinesische Sprache „Chinese Bridge“ 汉语桥 für Studierende fand dieses Jahr in Heidelberg statt. 16 Teilnehmer waren angetreten um ihre Sprachkenntnisse unter Beweis zu stellen – und die Jury hatte die Qual der Wahl. Wer gewonnen hat? Lesen Sie im Artikel!  

>> Zum Artikel


Besuch in der chinesischen Buchhandlung Xing

Mitte Februar hat in der Heidelberger Hauptstraße eine chinesische Buchhandlung eröffnet. SHAN war bei Herrn Xing in seinem schmucken, liebevoll dekorierten Laden und hat sich über seine Projekte informiert.

>> Zum Artikel


Lu Xun, Xu Fancheng und Heidelberg

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Deutschland groß in Mode in China. Das Interesse von Schriftstellern wie Lu Xun und Guo Moruo gründete sich auf die Literatur, die sie während ihrer Studien in Japan kennengelernt hatten. Doch wer von beiden wurde „Chinas Gorki“ genannt und was hat das mit Heidelberg zu tun?

>> Zum Artikel


Das ist die Schatzinsel

Der Abschied soll sehnsuchtsvoll sein: kurz vor ihrer Abreise ruft sich Viktoria Dümer ins Gedächtnis, was sie in Europa wohl am meisten vermissen wird.  歡迎光臨 im stressfreien Kending!

>> Zum Artikel


Sprachkolumne: 打酱油 -  Sojasoße kaufen

Seit 2008 taucht im Internet und Alltagsleben der jungen Leute ganz häufig der Ausdruck auf„我是来打酱油的。“ Ein Ausdruck, der scheinbar nichts mit dem Kontext zu tun hat. Was bedeutet eigentlich „打酱油”? Was ist seine Entstehungsgeschichte und wie benutzt man diesen Ausdruck?

>> Zum Artikel


Rezension: Hellmut Stern - Saitensprünge. Erinnerungen eines leidenschaftlichen Kosmopoliten 

Nachdem das DAI (Deutsch-Amerikanische Institut e.V.) am 03.05.2011 eine Lesung zur Autobiographie “Saitensprünge” veranstaltet hat, bespricht SHAN in dieser Ausgabe das Buch des Musikers und „leidenschaftlichen Kosmopoliten“ Hellmut Stern.

>> Zum Artikel


SHAN Mitglieder nehmen an Werksführung bei Heidelberger Druckmaschinen AG teil

Am 13. Mai 2011, einen Tag vor der dritten Ehemaligenfeier des Vereins, hatte SHAN die Möglichkeit, einigen Studenten der Heidelberger Sinologie die Teilnahme an einer Werksführung bei Heidelberger Druckmaschinen zu bieten. Eine Gruppe von ca. 15 Teilnehmern fand sich Freitagnachmittag zusammen und machte sich auf den Weg in das Heidelberger Druckmaschinen Werk in Walldorf. Am Werkseingang wurde die Gruppe freundlich von Rose empfangen, einer chinesischen Mitarbeiterin, tätig im Personalbereich und im China-Projekt des Unternehmens, und sämtliche Studenten wurden mit Besucherausweisen ausgestattet.

Der erste Teil der Führung bot der Gruppe eine detaillierte Einführung in die Marktposition des weltweit größten Herstellers von Bogenoffset-Druckmaschinen, sowie die Ziele des Unternehmens. Insbesondere wurde der Aufbau des ersten Heidelberger Druckmaschinen Werks in China beleuchtet, der im Jahre 2005 stattfand. Das Werk befindet sich in Qingpu, zwischen Shanghai und Suzhou, und wurde mit dem Ziel errichtet, in China Druckmaschinen zu fertigen um in der Zukunft von dort den weltweiten Markt zu bedienen. Der bisherige Erfolg dieses Ziel zu erreichen, zeichnet sich in der mehrfachen Erweiterung des Geländes sowie der Produktionsfläche des Werkes in Qingpu und in dem stetigen Wachstum der Belegschaft auf derzeit 350 Mitarbeiter.

Ein wesentlicher Bestandteil des erfolgreichen Schrittes nach China sieht die Heidelberger Druckmaschinen AG in der Implementierung des sogenannten China-Projekts. Dieses sieht vor, ausgewählte Arbeiter aus der Fertigung des Werks in Qingpu für sechs Monate nach Walldorf zu bringen, wo sie von einem deutschen Arbeiter weiter- bzw. ausgebildet werden. Nach Ablauf der sechs Monate kehrt der chinesische Arbeiter zusammen mit seinem deutschen Pendant nach China zurück. Der deutsche Arbeiter bleibt weitere sechs Monate in China, um das Gelernte zu festigen und um die Ausbildung weiterer chinesischer Fertigungsmitarbeiter durch den in Walldorf ausgebildeten Arbeiter zu betreuen. Weiterhin beschäftigt die Heidelberger Druckmaschinen AG in Walldorf und Heidelberg mehrere chinesische Mitarbeiter/innen in Abteilungen wie Einkauf und Personalwesen, die sowohl Chinesisch als auch Deutsch und Englisch beherrschen, um somit die Kommunikation zwischen den Konzernteilen in China und Deutschland zu gewährleisten.

Im zweiten Teil der Führung hatten die Studenten die Möglichkeit mehrere Montage- und Fertigungshallen zu besichtigen und einige Schritte im Produktionsablauf direkt an den Montagebändern- und stellen zu erleben. Die Fertigung von Zahnrädern in verschiedenen Größen wurde betrachtet bis hin zur finalen Montage und Überprüfung einer kompletten Druckmaschine. Nach den Fertigungshallen wurden die Studenten in die sogenannte Print Academy des Werks in Walldorf, in der die verschiedenen Druckmaschinen fertig aufgebaut sind. Die Print Academy wird für Schulungen sowie Vorführungen der Produkte für potentielle Kunden genutzt und bietet einen guten und vor allem fassbaren Einblick ins Endprodukt des Unternehmens.  Fassbar auch in Form von fertigen Offsetdruck-Produkten wie die Parfümflaschenschachtel, zu sehen im Foto oben.

Am Ende der Führung, während der insgesamt etwa 5 Kilometer zurückgelegt wurden, hatten die Heidelberger Studenten noch einmal die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit den chinesischen Mitarbeiterinnen des China-Projekts sowie mit dessen Leiter Achim Mergenthaler. Einige restliche Fragen wurden beantwortet und gegen 18 Uhr, nach einem sehr interessanten Freitagnachmittag, machte sich die Gruppe wieder gen Heidelberg auf.

SHAN möchte sich hier noch einmal herzlich Bedanken bei Herrn Mergenthaler und Rose für die freundliche Betreuung und die Möglichkeit für SHAN, einen Einblick in die Heidelberger Druckmaschinen AG und das China-Projekt zu gewinnen.  Vielen Dank!!

 

Johann Platt

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Chinese Bridge in Heidelberg

Der deutschlandweite Vorentscheid des Wettbewerbs für Chinesische Sprache „Chinese Bridge“ 汉语桥 für Studierende fand dieses Jahr in Heidelberg statt.

Zum Wettbewerb rief das Office of the Chinese Language Council International (Hanban) schon zum 10. Mal auf, der deutschlandweite Vorentscheid wurde in diesem Jahr vom Konfuzius-Institut Heidelberg ausgetragen. Teilnehmen durften Studierende unter 30 Jahren, dabei waren sowohl Sinologen, als auch Studierende anderer Fachrichtungen mit Chinesisch-Kenntnissen aus ganz Deutschland.

Jeder der 16 Teilnehmer hielt zunächst ein kurzes Referat, in dem viele Teilnehmer von ihren ersten Erfahrungen in China erzählten. Darauf folgten sechs Fragen zu Sprache, Kultur und Landeskunde Chinas. Im dritten Teil präsentierte jeder Teilnehmer zusätzlich eine kulturelle Darbietung. Es wurden Volkstänze aufgeführt,  Liebeslieder geschmettert, Wushu  oder Taiji vorgeführt und vieles mehr. Allen Teilnehmern gemeinsam war die offensichtliche Freude und Begeisterung für die chinesische Sprache und Kultur, so dass die gute Stimmung auch auf die Zuschauer über ging. Die unterschiedlichen kulturellen Darbietungen sorgten für Spannung und Abwechslung, Verwunderung und lauten Beifall. Moderiert wurde die Veranstaltung von Sylvia Schneider vom Konfuzius-Institut Heidelberg.

Die schwere Entscheidung die Gewinner festzulegen oblag der Jury, bestehend aus Herrn Xiu Chunmin von der Chinesischen Botschaft in Berlin, Herrn Geng Baocheng (chinesischer Direktor des KI Hamburg), Frau Liying Scheinhardt-Zhu (Leiterin des Sprachprogramms des KI Heidelberg) und Herrn Oliver Radtke (Sinologe, Journalist, Projektleiter China der Robert-Bosch-Stiftung, SHAN-Gründungsmitglied).

Die beiden Gewinner Phuong  Ngoc Nguyen Le von der Universität Hamburg und Arkadi Schelling, Universität Freiburg, werden im Sommer an der Finalrunde des internationalen Wettbewerbs in Changsha teilnehmen und dort um die begehrten Sprachstipendien kämpfen. Die beiden Zweitplatzierten dürfen sie dabei als Zuschauer begleiten. Als dritten Preis wurden Konfuzius-Stipendien vergeben, alle anderen Teilnehmer erhielten Buchgeschenke. Doch für die meisten Teilnehmer standen nicht der Sieg  oder die Preise im Vordergrund, sondern der Spaß mitzumachen, interessante Leute kennenzulernen und neue Freundschaften zu knüpfen. 

Nach der Preisverleihung wurde ausgelassen im China-Restaurant „Mr. Wu“  (Bahnhofstr. 4 in Heidelberg) gefeiert. Sowohl Teilnehmer als auch Organisatoren waren sehr zufrieden mit dem Ablauf des Wettbewerbs. Einige Teilnehmer überlegen bereits im nächsten Jahr wieder mitzumachen!

Bis dahin, viel Glück für Phuong und Arkadi in Changsha!

 

Janina Heker

 

Weitere Artikel zum Wettbewerb:

http://german.cri.cn/1565/2011/05/08/1s156443.htm

http://www.china-botschaft.de/det/sbwl/t821425.htm

http://www.hanban.org/article/2011-05/12/content_259783.htm

http://www.hanban.org/article/2011-05/12/content_259789.htm

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Besuch der chinesischen Buchhandlung Xing

Seit Mitte Februar gibt es in der Hauptstraße 211 am Karlsplatz eine chinesische Buchhandlung. SHAN war da und hat sie sich angeschaut.

Die Buchhandlung Xing, benannt nach ihrem Besitzer, ist ein kleiner, liebevoll dekorierter Laden. An den hohen Wänden gibt es eine eigens angefertigte Tapete, nach der Vorlage einer Schriftrolle, die dieÜberlieferung des Chan-Buddhismus darstellt. Man findet hier Bücher über China aller Art, insbesondere kunstvolle Ausgaben zur chinesischen Philosophie.

 Unter Herrn Xings kundiger Anleitung ist es wunderbar einen Blick in die wertvollen, handgemachten Bücher zu werfen.  Zu den Klassikern aus den Bereichen Kunst und Literatur zählen zahlreiche Bücher eines Lieberhaberverlags, http://www.das-klassische-china.de/. Der Verlag beschäft sich bisher hautsächlich mit verschiedenen Dao De Jing- Ausgaben. Vier der zahlreichen Ausgaben des Daodejings sind im Laden erhältlich. Dabei gibt es schon ein neues Projekt: eine unveröffentliche Daodejing -Übersetzung auf Büttenpapier aus China.
 

Auf den ersten Blick werden einige Besucher von den Postkarten vor dem Schaufenster angelockt. Doch neben den ewig gleichen Touristenansichten von Heidelberg werden hier auch chinesische shanshui Malereien und handgeschöpftes Papier verkauft. Außerdem gibt es Geschirr für chinesische Teezeremonie – passend dazu arbeitet Herr Xing mit Zheng Qian zusammen, die in seinem Laden Teezeremonien veranstaltet. Auch Kalligraphie-Utensilien findet man hier.

Herr Xing, der aus Heilongjiang stammt, kam im Jahr 2000 zum Studium nach Heidelberg. Hier studierte er Klassische Sinologie und Religionswissenschaften. Im Gespräch mit ihm merkt man, dass er voller Ideen steckt und am liebsten mehrere Projekte zugleich verfolgt. So hat er z. B.  einen eigenen Verlag gegründet (http://xingverlag.de.tl/Home.htm).

Die Buchhandlung hat er eröffnet, weil er sich direkten Kundenkontakt wünscht. Es ist ihm ein Anliegen mit Vorurteilen zur chinesischen Kultur aufzuräumen, so u.a. dass nicht alles aus China von schlechter Qualität sein muss und Vieles was Deutsche nur aus Japan kennen, in China seinen Ursprung hat und dort auch weiterentwickelt wurde. Qualität ist im wichtig, vom Papier bei Büchern bis hin zum Porzellan des Teegeschirrs.

Bislang ist das Angebot noch im Aufbau, doch wir hoffen, dass noch viele Buchliebhaber zu Herrn Xings Buchladen finden werden.

 

Janina Heker, Helen Hübner

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Lu Xun, Xu Fancheng und Heidelberg

Der Schriftsteller Lu (der eigentlich Zhou Shuren hieß) hat niemals Deutschland oder Europa besucht. Ebenso wie Guo Moruo (1892-1978) besaß Lu Xun (1881-1936) jedoch großes Interesse an Deutschland und an deutscher Literatur und bei beiden waren ihre langjährigen Japanaufenthalte entscheidend für ihre Deutschlandstudien. Dies zeigt, dass Auslandsaufenthalte sehr lehrreich sein können – auch wenn gar nicht die Länder besucht werden für die sich die Studenten am meisten interessieren.

[Ba Jin (1904-2005), der in den zwanziger Jahren in Frankreich lebte, beschäftigte sich besonders mit Rußland und mit den USA ( http://www.sino.uni-heidelberg.de/staff/kampen/bajin100.html); Ji Xianlin (1911-2009) studierte in den dreißiger Jahren in Deutschland Indologie.]

Lu Xun informierte sich auf vielfältige Art über deutsche Kultur und Literatur. Er las nicht nur in chinesischen und japanischen Büchern und Zeitschriften, sondern erwarb auch deutsche Publikationen, die in Shanghai u.a. im Zeitgeist-Buchladen verkauft wurden (Vgl. SHAN-NL Nr. 46, September 2010); er kannte auch viele Deutsche in China wie z.B. Anna Wang (Zwei Deutsche in Xi’an: Anna Wang und Herbert Wunsch im Dezember 1936) und Ruth Werner  (http://147.142.222.80:8081/Plone/SHAN/students/reviews/09-ruth-werner-sonjas-rapport/), sowie die Amerikanerin Agnes Smedley, die vor ihrem Chinaaufenthalt knapp zehn Jahre in Berlin gelebt hatte (Ausländerinnen in China: Die amerikanische Journalistin Agnes Smedley und ihre chinesischen Freundinnen).

Aus und über Heidelberg hörte Lu Xun vor allem durch chinesische Studenten und Reisende. Lu hatte in den zwanziger Jahren in Beijing Feng Zhi (1905-1993) und in Shanghai Xu Fancheng (1909-2000) kennen gelernt; Xu ging 1929, Feng 1930 nach Heidelberg, sie schickten ihm Briefe, Bücher und Zeitschriften. Feng Zhi schrieb in seinen „Erinnerungen an Heidelberg“ über Xu: „Xu hatte verschiedene Pseudonyme, zum Beispiel Fengyao, Jihai, Shiquan, usw. Lu Xun nannte ihn Shiquan. Wenn man heute Lu Xuns Tagebücher liest, wird Shiquan innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren und zehn Tagen, also des Zeitraums seines Aufenthalts in Deutschland, 154 Male erwähnt, vom 20. August 1929 mit der Eintragung ‚Shiquan verabschiedet sich vor seiner Reise nach Deutschland‘ bis zum 30. August 1932 ‚Shiquan kommt von Berlin zurück‘. Alle diese Eintragungen beziehen sich auf ihren Kontakt und berichten über ihren Briefwechsel. In Deutschland sammelte Xu Bücher, Bildbände, Zeitungen und Zeitschriften für Lu Xun, und Lu Xun schickte ihm auch Publikationen aus China.“ (S.15) Lu soll Xu mehr als fünfzig Briefe geschickt haben. Xu besuchte den Schriftsteller auch nach seiner Rückkehr in Shanghai (1932). Feng, Lu und Xu interessierten sich alle für Nietzsche, Lu ermunterte Xu Nietzsche ins Chinesische zu übersetzen. Xu Fanchengs Zarathustra-Übersetzung erschien 1935. [Ein weiterer Nietzsche-Übersetzer und Dichter, der zur gleichen Zeit wie Feng in Heidelberg und mit diesem befreundet war, hiess Liang Zongdai (1903-1983).]

Lu und Xu besaßen auch ein gemeinsames Interesse an Holzschnitten. Feng Zhi hatte in dem obenstehenden Text in Bezug auf Heidelberg bemerkt: „Mit Semesterbeginn besuchte ich hauptsächlich Vorlesungen […] während Xu seine Zeit mit dem Studium der Kunstgeschichte verbrachte und daneben den Holzschnitt erlernte. In seinem Zimmer hing ein großer Holzschnitt mit einem Porträt von Gorki, sein eigenes Werk.“ Auch Lu Xun interessierte sich für Gorki und wurde selbst gelegentlich ‚Chinas Gorki‘ genannt, u.a. von Ruth Werner: „Merkwürdigerweise sah er auch Gorki ähnlich. […] Lu wollte einen Band mit Bildern von Käthe Kollwitz herausgeben, ich half ihm, die Bilder zu beschaffen,“ (S.47) Raoul Findeisen ergänzte: „Seit seinem ab Ende der 20er Jahre verstärkten Interesse für sozial engagierte Kunst galt die Aufmerksamkeit von Lu Xun neben Kollwitz auch dem Werk von Grosz, zumal ihn ab 1930 sein Schützling Xu Fancheng direkt aus Berlin mit Material versorgen konnte.“  (S.343) Eine Ausstellung mit Bildern von Kollwitz und anderen fand im Frühjahr 1932 – wenige Monate vor Xu Fanchengs Rückkehr – im Zeitgeist-Buchladen statt, sie wird sowohl in Lu Xuns Tagebuch als auch in Ruth Werners Rapport erwähnt. In den folgenden drei Jahren trafen sich Xu und Lu häufig.

Nachdem Feng im Herbst 1935 mit seiner Frau Yao Kekun (1904-2003) nach China zurückgekehrt war besuchte er ebenfalls noch einmal Lu Xun, wie Lus Tagebucheintrag vom 6.9.1935 zeigt. Im folgenden Jahr starb Lu Xun.


Literatur:

Ruth Werner: Sonjas Rapport, Berlin, 1977.
Song Qingling, u.a.: Lu Xun Huiyilu, Beijing, 1978.
Meng Shuhong: Lu Xun nianpu gao, Guilin, 1988.
Li Yunjing: Zhongguo xiandai banhua shi, Taiyuan, 1996.
R.D. Findeisen: Lu Xun, Basel, 2001.
Feng Zhi: „Erinnerungen an Heidelberg“, in Li Xuetao: Dein Bild in meinem Auge, Beijing, 2009.

Dr. Thomas Kampen

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Das ist die Schatzinsel

Genug aufgeregt habe ich mich zuvor in dieser Serie, kurz vor meiner Abreise schreibe ich von den Dingen, die mir in Europa am meisten fehlen werden.

4. Seven/Eleven

Seven/Eleven ist eine Institution, „歡迎光臨“ sein Schlachtruf. Überall gibt es eine Filiale. Darin gibt es alles, was man zum Überleben braucht. Essen, Trinken, ATM, Regenschirme, Schokolade, Tee-Eier, Bier, Sonnencrème, Waschpulver, Kaffee, Kopierer, Konzertkarten…. Einfach alles. 24 Stunden lang. 關東煮 schwimmen in ihrer Brühe, ihr süßlicher Duft liegt in der Luft. Rötlich-braun bis pinkfarbene Würstchen bleiben auf einem silbernen Rost warm, weißliche Baozi liegen im gläsernen Dampf-Schränkchen daneben. Reis-Dreiecke mit diversen Füllungen stehen aufgereiht im Kühlregal. Das alles schmeckt nicht wirklich gut, ist nachts jedoch ein ganzes Königreich wert.

Allein auf dem Campus der National Chengchi University und in seiner Nähe gibt es sechs Läden (und einen High Life – aber wer, bitte, ginge schon dorthin?). Es muss eine ungeschriebene Regel der taiwanischen Stadtplanung sein: Alle hundert Meter ein Seven/Eleven, alle dreihundert Meter ein Starbucks, sonst ist eine Straße keine Straße und die Grundversorgung der Bevölkerung gefährdet. Böse Großkonzerne, könnten gute Menschen zischen. Eine Oase, würde ich an heißen Tagen antworten und glücklich meinen eiskalten Tee schlürfen.

Manche Sevens haben Kult-Status: Zu hunderten stehen die Leute vor den Filialen nachts in der Seitenstraße zum Club Luxy (Zhongxiao Fuxing) oder an der Kreuzung zum Twice/Roxy 99 (Guting). Seven/Eleven wird zum zentralen Treffpunkt, ist der Ort zum Vor- und Nachglühen. 

Toll ist auch, dass die Mitarbeiter bei Seven alle westliche Namen haben. „Armani“, „BMW“ und „Mercedes Benz“ zaubern einem ganz bestimmt ein Lächeln auf die Lippen. 

5. Kending

Wer von Taipeh genug hat, sollte nach Kending fahren. Die Stadt an Taiwans südlichstem Zipfel ist das perfekte Urlaubsparadies. Einheimische nennen es manchmal das Hawaii Taiwans – und so unrecht haben sie nicht. Lange Strände, hellblaues Wasser, schroffe Felsen, die mit sattem, grünem Gras bewachsen sind, bieten ein schönes Kontrastprogramm zu Taipeis Großstadthektik. Meist scheint die Sonne, wegen der hohen Wellen ist Surfen möglich. In den Restaurants gibt es köstliche Fisch- und Muschelgerichte. Einmal im Jahr im April platzt der Ort aus allen Nähten, wenn Studenten von der ganzen Insel zum Musik-Festival „Spring Scream“ anreisen. 

6. Nur keinen Stress

Großstadthektik. Wahrscheinlich ist dieses Wort im Zusammenhang mit Taipeh schon übertrieben, zumindest wenn man die Stadt mit Hong-Kong oder Shanghai vergleicht. Taiwan, so scheint es mir manchmal, ist das Land der Gelassenheit.  Trödelnde Menschen auf den Straßen, die gemütlich ihres Weges gehen, nach links, nach rechts, nach oben, nach unten und ganz gewiss nicht nach vorne schauen. So ist Kommunikation über die Augen zwecks Ausweich-Manöver meist schwierig und endet oft in (Beinah-) Zusammenstößen. Einerseits ist dies, ist man spät dran und hat es eilig, nervenzerreißend. Andererseits ist so viel Ruhe sympathisch und zwingt, selbst einen Gang herunterzuschalten und bloß nicht zu drängeln. Man möchte ja ungern auffallen und niemanden aufscheuchen.

Viktoria Dümer

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Sprachkolumne: “打酱油” — Sojasoße kaufen

 

Chinesische Sprachspiele im Internet

“打酱油” dǎ jiàng yóu ——  Sojasoße kaufen

Wie benutzt man “打酱油”?
 

 

Ein Beispiel:
In einem Internetforum gibt es eine heiße Diskussion über die Festnahme des Künstlers Ai Weiwei, viele haben ihre eigene Meinungen ausgedrückt. Aber die andere haben statt einer Zustimmung oder Ablehnung nur geschrieben,“我是来打酱油的。”

Ein anderes Beispiel im Alltag:
Heute Abend lief ein Fußballspiel von deinem Lieblingsverein. Aber der eigentlich beste Spieler hat nur für 30 Minuten und dann auch noch sehr schlecht gespielt. Dann kannst du dich beklagen:“他今天晚上是来打酱油的吗?”

Was bedeutet “打酱油”?
Diese Wendung ist wegen eines Sex Skandals Anfang 2008 im Internet entstanden. Der Skandal erregte im ganzen Land eine heftige Diskussion über die moralischen Standards der Unterhaltungsindustrie. Die darin verwickelten Schauspieler und Schauspielerinnen stehen heute noch unter den Einflüssen der Debatte. In einem Interview des Senders Guangzhou TV wurde ein Passant auf der Straße zu seiner Meinung über dem Skandal gefragt. Er antwortete einfach: „Das hat mit mir nichts zu tun, ich gehe Sojasoße kaufen."
Dieser Ausschnitt des Interviews wurde nach der Sendung im Internet weit verbreitet. „Sojasoße kaufen“, 打酱油, wurde so ein Ausdruck dafür, dass man sich für die gesellschaftlichen Ereignisse gar nicht interessiert und überhaupt keinen Kommentar geben will.
Aber die jungen Leute im Internet haben den Ausdruck später dafür verwendet, um einen ohnmächtig zusehenden, einen sich selbst schützenden Standpunkt bei bestimmten Themen darzustellen. Im ersten Beispiel wird diese Haltung deutlich.

Aber durch die weitere Verwendung dieses Ausdrucks bedeutet es nicht mehr nur eine Zurückhaltung bei der Meinungsäußerung. Sondern auch einen unvollständigen Einsatz, mangelnden Willen oder fehlende Motivation bei allen Dingen, woran man zunächst Interesse äußert und teilnimmt. Diese Verwendung wird im zweiten Beispiel dargestellt.

Eine weitere Wendung mit“打酱油”
"Wenn ..., könnte mein Kind schon Sojasoße kaufen!"
z.B. “等你从德国毕业回来,我的小孩儿都会打酱油了!”
"Wenn du von deinem Studium in Deutschland zurückkommen wirst, dann kann mein Kind schon Sojasoße kaufen!"
Diese Wendung kann man leicht verstehen. Damit möchte man einfach sagen, dass etwas so lange dauern wird, dass man eigentlich schon die Hoffnung aufgegeben hat es wirklich zu erreichen. 

He Xiangling

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


Rezension: Hellmut Stern: Saitensprünge. Erinnerungen eines leidenschaftlichen Kosmopoliten

 „Als ich im Sommer des Jahres 1938 erklärte, daß wir nach China fahren würden, lachten alle: Wir holten einen Atlas, um zu erkunden, wo China liegt, und ich erzählte meinen Mitschülern, was ich über die Mandschurei von meinen Eltern aufgeschnappt hatte. Ich war furchtbar stolz, daß wir weiter fuhren als alle anderen. Palästina war bekannt, Amerika, England oder Frankreich ebenso, aber China nicht, die Mandschurei schon gar nicht.“ (43)

Mit diesem Satz beginnt für den 10-jährigen Hellmut Stern eine abenteuerliche Emigration nach „China“; über Shanghai wird ihn sein Weg bis nach Harbin, zu dieser Zeit in Manchoukou, führen, wo er mit seiner Familie und etwa 100 weiteren Emigranten erst unter japanischer und dann unter sowjetischer Besatzung zu überleben versucht und nach Palästina – später in den 1947 gegründeten Saat Israel – oder in die USA auszureisen.

China bleibt für den Musiker und seine Familie dabei stets eine „Heimat auf Zeit“ (53), das Leben dort mehr ein „Überleben“, das die meiste Zeit geprägt ist von bitterster Armut und der Furcht vor dem jeweiligen Militär auf dem „Weg durch die Kaschemmen und Nachtlokale“ (91), der die Familie mehr schlecht als recht ernähren sollte, sowie „katastrophalen Ausflügen in die Welt der Geschäfte und in die Halbwelt der Scheingeschäfte“. (124)

Nach einem langjährigen Spießrutenlauf über bürokratische Hürden mehrerer Institutionen und Staaten gelingt der Familie Stern und  anderen jüdischen Emigranten 1949 die Ausreise nach Israel, wo Hellmut Stern seine musikalische Karriere fortführt, die ihn über Amerika im Jahre 1961 schließlich zurück nach Berlin und in das Berliner Philharmonische Orchester bringt.

Hellmut Stern (*1938, Berlin) hat mit diesem Buch eine lesenswerte Autobiographie verfasst, die vor allem im ersten Teil das Leben jüdischer Emigranten in Shanghai und in Harbin von 1939 bis 1949 aus einem ganz persönlichen Blickwinkel schildert, unterbrochen durch informative Einschübe über historische Entwicklungen der einzelnen Schauplätze und ihrer Bewohner. Im Zentrum steht aber das Schicksal eines Musikers zwischen „jede[r] Art von musikalische[m] Gelegenheitsjob“ (92) auf geliehenen Instrumenten und einer Anstellung als erste Geige im Berliner Philharmonischen Orchester unter Herbert v. Karajan.

Das zum ersten Mal im Jahr 2000 im Aufbau-Verlag erschienene Werk ist mittlerweile ins Japanische sowie ins Chinesische übersetzt und in Tokio, Beijing und auf Taiwan erschienen. Stern weist gegen Ende seines Werkes darauf hin, dass das Interesse an der Erforschung der Geschichte der jüdischen Gemeinden in China – von ihren Anfängen im 11. Jahrhundert bis hin zu den Emigranten im Zuge der russischen Revolution und des zweiten Weltkrieges – in den letzten Jahren enorm gewachsen sei. Nicht nur gäbe es mittlerweile Lehrstühle für Judaistik an einigen chinesischen Universitäten, sondern, so Stern: „Man entdeckt Gemeinsamkeiten zwischen beiden Völkern, etwa die ethischen Grundlagen des Konfuzianismus und der moralischen Plattform des Judaismus.“ (307)

Hellmut Stern: Saitensprünge.

Erinnerungen eines leidenschaftlichen Kosmopoliten.

Berlin: Aufbau Verlag, 20117.

ISBN: 978-3-7466-1684-1

 

<< Zurück zum Inhaltsverzeichnis


 

 
Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
zum Seitenanfang/up