Rezension Proletarian China: A century of Chinese Labour

Gerade wenn man die Geschichte der kommunistischen Partei Chinas (KPCh) ins Auge fasst stellt sich nicht nur die Frage nach der Biografie der Führungspersonen oder deren Institutionen, sondern auch und eigentlich – denn kommunistischer Staat gilt langläufig als einer der Arbeiter, Bauern und Soldaten – die der Arbeiter und des Proletariats allgemein. Das 100-jährige Jubiläum der Gründung der KPCh im Jahre 2021 haben die Herausgeber Ivan Franceschini und Christian Sorace sowie deren an die 80 Autoren für die Veröffentlichung des Sammelbandes Proletarian China: A century of Chinese Labour genutzt, um diejenigen in den Blick zunehmen, welche eindeutig und im wahrsten Sinne des Wortes China aufgebaut haben.

 

Dazu schlägt der Band einen weiten Bogen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die nahe Zukunft. Dieser wird nach Jahreszahlen chronologisch organisiert. Auf dem Weg begegnen einem die chinesischen Arbeiter und Arbeiterinnen als singende Treidler in Corey Byrnes Artikel, welche sich ihres Loses als „a cheaper machine for work“ – entgegen der Kolonialen Zuschreibung als tierhaft und gleichzeitig übermenschlich – doch sehr bewusst sind. In einem Bericht eines 4. Mai Intellektuellen, der von Zhou Ruixue übersetzt wurde. Daneben gibt es noch weiter chinesische Stimmen, die in Übersetzung, zu Wort kommen. Elizabeth J. Perrys Kapitel beschäftigt sich dagegen mit dem Kohlenminenstreik in Anyuan von 1922 wo unteranderem durch Li Lisan – neben Mao Zedong – vertreten die KPCh erstmal aktive auftritt, dies führt zu einer Beziehung zwischen der Partei und der Arbeiterschaft, welche in ihren auf und ab für die Arbeiterbewegung konstitutive bleibt.

 

Zu hören bekommt man die Beschwerden der Arbeitenden auch, wie in dem Text von Joshua H. Howard, welcher die Leserbriefe der New China Daily währende Chongqing Periode. Diese sprechen vor allem auch das undankbare Schicksal der Frauen, welche halfen die Produktion aufrechtzuhalten. Von deren Aktivismus berichtet auch davor schon Dong Yiges Kapitel. Das der weibliche Arbeiter auch später noch ein Problem ist, zeigt sich bei Emily Honig und ihren Beitrag über deren Beteiligung beim Streik der Baumwollspinnereien in Shanghai 1948 und auch in Robert Clivers Diskussion von deren Geschicke in den Anfangszeiten der Volksrepublik. Doch wie Aminda Smith und Fabio Lanza zeigen bleibt selbst der Körper der weiblichen Arbeiterinnen noch ein Fremdkörper für die Partei. Ebenfalls ein Fremdkörper bleibt auch die Sexarbeit, welche zwar eigentlich für das wohl der Frauen bekämpft wird, aber uneigentlich in Schikanen für die Frauen endet, was wiederum zu Aktivismus führt von dem Tiantian Zheng berichtet. Dagegen sind die Dagongmei zunächst eine Erfolgsgeschichte, vor allem in Bezug auf die Arbeiterin der ersten Generation, denn am Ende kann ihre harte Arbeit nicht einen Platz in Shenzhen sicheren, wie Mary Ann O’Donnell – mit Bezug auf Pun Ngai Forschung – klarstellt.

 

Über die Grenzen der heutigen Volksrepublik hinaus schaut etwa schon die Beiträge von Xu Guoqi über Chinese Labour Corps im ersten Weltkrieg. Ebenfalls kommt die sinophone Welt vor, unteranderem von Apo Leong, der die Arbeiterproteste in der Mitte der 20iger Jahre in Hong Kong bespricht und am anderen Ende von Ming-sho Ho, welcher den kurzen Hohepunkt der taiwanesischen unabhängigen Arbeiterbewegung hervorhebt. Dabei findet man chinesische Arbeiter nicht nur dort wo chinesische Sprache und Kultur prägend ist, sondern wie das erste Beispiel zeigte auch darüber hinaus, wie in Tansania in den 1970igern beim Bau der Tan-Zam bei Matthew Galway oder in der Mongolei in der 1950iger beim Aufbau einer nicht problemlosen und nicht ewigen Freundschaft bei Christian Sorace und Ruiyi Zhu. Doch es bleibt im Zug der Globalisierung nicht bei diesen Einzelbeispielen wie Aaron Halegua in Bezug auf die Veränderung, welche die Neuen Seidenstraßen und Belt and Road Initiative für die Lebensrealität der weit verbreiteten chinesischen Arbeiterschaft bringen.

 

Neben den Ursprüngen der Arbeiterbewegung, dem Problem der weiblichen Arbeit und der chinesischen Arbeiter außerhalb Chinas, widmen sich mehre Essays der Entwicklung des Arbeitsrechts (Sarah Biddulph und Mary E. Gallagher) genauso wie der wechselhaften Geschichte der NGO, welche versuchen die Arbeiter eine Repräsentation zu verschaffen – meist mit Hong Konger Beteiligung – (Jude Howell, Kevin Lin sowie Chloé Froissart und Ivan Franceschini). Doch auch die vielen bedeutenden Streiks von Mao in Anyuan bis zu den Marxisten bei Jasic (Elizabeth J. Perry, Apo Leong, Chen Feng, S.A. Smith, Seung-Joon Lee, Emily Honig, Ray Yep, Yuerang Zhang Ching Kwan Lee, Chris King-Chi Chan und Elaine Sio-leng Hui, Marc Blecher sowie Manfred Elfstrom) sind Thema.

 

Diese Zusammenfassung kann aber nur nur einen ersten Eindruck vom reichen Inhalt des Bandes verschaffen. Qualitative gibt es Unterschiede zwischen den Beiträgen, etwa Lin Chuns Text über die Gründung der Partei verweist darauf, dass die Vertreter der Comintern Grigori Voitinsky und Maring nichts ohne die solide lokale Agitation erreichen konnten. Dagegen kamen nach Yoshihiro Ishikawa die desperaten Initiativen, welche es zweifellos gab, erst mit dem (finanziellen) Mitteln der Comintern zu einer umfassenden Bewegung zusammen. Auf der anderen Seite steht unteranderem Jeanne L. Wilsons Essay über den Effekt den Solidarność auf die Arbeiterbewegung in China und vor allem welche Lehren die Regierung aus den Ereignissen in Polen zog. Dabei können die Unterscheide in der Qualität der Arbeiten auch durch deren Ursprung erklärt werden. Manche Artikel beruhen auf neuer Forschung wie etwa der von Joshua Howard oder Zusammenfassungen von Dissertationen wie im Falle von Jack Werner. Andere Artikel haben eher einen allgemeinen Charakter bzw. richten sich aufgrund ihrer Anlehnung – etwa an Rosa Luxemburg – an (westlich) politisch linke Leser gerichtet. Dem entsprechend wurde versucht das Werk einem möglichst großen Publikum zur Verfügung zu stellen, indem der Band gleichzeitig im Verso Verlag veröffentlicht als auch frei zum Herunterladen auf der Seite von Made in China Journal.

 

Trotz der schwankenden Qualität und vielleicht gerade wegen ihr gelingt es dem Band dennoch gerade durch die vielen verschiedenen Stimmen ein umgreifendes Bild des Proletariats zu entwerfen, denn durch die diversen Ansätze und die Beleuchtung der vielen Facetten gelingt es dem Phänomen der chinesischen Arbeiter gerecht zu werden. Weshalb man den Band nicht nur als eine Überschau empfehlen kann, auch der Endnoten führen zu weiteren Forschungen und Quellen, um so ein sinologisches Publikum zufrieden zu stellen. Doch gerade für solche Lese ist es schade, dass von den meisten chinesischen Aktoren keine Schriftzeichen im Fließtext mitgegeben sind. Dies macht es gerade bei weniger bekannten Person schwer bis unmöglich mehr über sie herauszufinden. Wenn es nun dennoch gepackt hat und noch mehr erfahren will kann findet den Band sowie die einzeln Aufsätze unter https://madeinchinajournal.com/2021/12/01/proletarian-china/. Als besonderes Extra kann man auf der Seite auch eine Übersetzung ins Chinesische finden.

Quelle

Ishikawa, Yoshihiro. 2013. The Formation of the Chinese Communist Party. Übersetzt von Joshua A. Fogel. New York, NY: Columbia Univ. Press.

Zuletzt bearbeite von:: Joost Brokke
Letzte Änderung: 27.02.2024
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