Die Bahnreise eines chinesischen Intellektuellen von Wladiwostok nach Berlin und die Rückreise mit dem Schiff (1928-1931)

Cheng Fangwu 成仿吾 (1897-1984) war ein früher linker Dichter, Redakteur und Übersetzer, der später auch Hochschulrektor wurde. Er stammte – wie Mao Zedong, Liu Shaoqi und Hu Yaobang – aus der Provinz Hunan. Schon in den zwanziger Jahren schrieb er: Shiming 使命.

 

In jungen Jahren wurde er als Gegner Lu Xuns und als Übersetzer des Kommunistischen Manifests bekannt. 

Er benutzte viele Pseudonyme (u.a. Shi Hou, Shi Housheng) und gehörte zur Creation Society / Chuangzaoshe, die Chuangzao Jikan 创造季刊 veröffentlichte.

 

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Japan

Nach dem Scheitern der Ersten Einheitsfront (1927) floh er nach Japan, wo er bei dem ihm schon bekannten Guo Moruo (1892-1978) wohnte und besorgte sich – mit falschen Papieren – Visa für eine Europareise. (Cheng und Guo hatten – wie die Schriftsteller Mao Dun und Xia Yan – schon vorher länger in Japan gelebt.)

 

 

 

Osteuropa

Von Wladiwostok fuhr Cheng im Juli 1928 mit der Bahn nach Moskau, wo er einige chinesische Kommunisten traf, darunter: Zhang Wentian(1900-1976), der dort studierte.  

 

Nur wenige Monate vor ihm war Song Qingling auf dieser Strecke gefahren; später lebten sie gleichzeitig in Berlin.

 

 

Westeuropa

Von der Sowjetunion ging die Reise im August über Berlin weiter nach Frankreich; dort wurde er offiziell KP-Mitglied. 

Im folgenden Frühjahr zog er von Paris nach Berlin und blieb erstmal dort.

 

In Berlin traf er nicht nur die dort lebenden Chines(inn)en (wie Liao Chengzhi und Hu Lanqi, die beide mit Song Qingling befreundet waren), sondern auch die zwischen Moskau und Frankreich reisenden Kommunisten, zum Beispiel Zhou Enlai (1898-1976).

 

 

Rückkehr

Im Sommer 1931 reiste er nach Südfrankreich und nahm von dort ein Schiff nach Hongkong. Die kommenden Jahre verbrachte er in Shanghai und in mehreren Provinzen im Osten Chinas und ging dann nach Jiangxi. 

 

In den dreißiger Jahren war Cheng auch ein Teilnehmer des Langen Marsches (und veröffentlichte ein Buch darüber 长征回忆录). 

Danach leitete er in Nordwestchina und Nordchina mehrere Hochschulen.

 

 

In der neuen alten Hauptstadt

Dass Cheng Fangwu in der Volksrepublik zum Rektor der Volksuniversität (Renmin Daxue) in der Hauptstadt wurde, war vermutlich ein Versuch, ihn aus der aktiven Politik rauszuhalten. 

In China war er ein bekannter Bildungspolitiker und Übersetzer, im Ausland kannte man ihn kaum.

 

Der etwa ältere Guo Moruo wurde Präsident der Akademie der Wissenschaften.

 

 

 

PS

Vier Jahre nach seinem Tod konnte ich die in Beijing erschienene Biographie Cheng Fangwu zhuan von 1988 kaufen. Vielleicht hätte es ihn gefreut, dass das Buch im Verlag der Zentralen Parteihochschule erschien, wo ich gelegentlich vorbeiradelte. 

 

Mit dem Fahrrad fuhr ich auf dem Weg ins Stadtzentrum ungefähr einmal wöchentlich an seiner Universität (in der Nähe des Freundschaftshotels) vorbei. Später wurde (etwas weiter südlich) die neue Nationalbibliothek gebaut. 

 

Der Band enthält einige Photos, darunter eins aus Japan (mit Guo Moruo), eins aus Deutschland (1930) und eins aus Yan’an, die Photographin dort war (1937) Helen Foster Snow, die Gattin von Edgar Snow.

 

 

Schon 1985 war eine Sammlung seiner Werke erschienen: 

Cheng Fangwu wenji.

成仿吾:  成仿吾文集 / "成仿吾文集"编辑委员会编. - 第1版. - 
济南: 山东大学出版社, 1985.

 

Zuletzt bearbeite von:: Joost Brokke
Letzte Änderung: 14.04.2023
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