Sinologie in den Beruf mit Dr. Christine Althauser „Diplomatie ist kein Small Talk - aber er gehört dazu“

Am 3. November ist Frau Dr. Christine Althauser der Einladung von SHAN e.V. gefolgt und hat im Rahmen der Reihe Sinologie im Beruf nicht nur von ihrer langjährigen Erfahrung im Auswertigen Amt erzählt, sondern auch von ihrer Studienerfahrung und ihren Einschätzungen der außenpolitischen Lage.

Als Frau Althauser in Freiburg in den 70igern anfing war die Sinologie noch viel mehr Klassiker-verhaftet, vielleicht noch mehr als heute; interessanterweise genauso wie in ihrem anderen Fach, der Slavistik. Erste Erfahrungen mit dem modernen China hat sie dank eines DAAD-Stipendiums 1981/82 auf Taiwan machen können, welchem sie einen Aufenthalt in Moskau anschloss. Darin zeigt sich schon ein Drang mit dem Studiumobjekt näher in Kontakt zu kommen. Dies is etwas, was sie den Studierenden trotz der immer noch unklaren Situation mit Nachdruck anrät ihr nachzufolgen.

Nach ihrer Hochschulausbildung hatte Frau Althauser zunächst der Wissenschaft den Rücken zu gekehrt und den Weg in den Auswärtigen Dienst eingeschlagen. Dieser Weg steht wie zu ihrer Zeit auch noch allen mit einem Masterabschluss (damals Magister) offen, auch denen aus solchen Elfenbeinturm-Fächern wie Sinologie und Slawistik - und das nicht nur um die zwei verlangten Fremdsprachen abzudecken. Obwohl man am Ende geschätzt 1/3 JuristInnen als KollegInnen hat. Dabei ist es nun auch leichter, im Bewerbungsverfahren erfolgreich zu sein, weil eine zu ihrer Zeit noch vorhanden Altersgrenze von 32 Jahren und eine psychologische Überprüfung inzwischen weggefallen ist. Neben den formalen Voraussetzungen muss man ein mehrschrittiges Bewerbungsverfahren durchlaufen, welches jährlich durchgeführt wird. Die Anzahl an Plätzen hängt dabei immer vom Bundeshaushalt und den Personalstand ab; dabei ist auch die Anzahl an Bewerber von der Konjunktur abhängig berichtete Frau Althauser, und zwar in dem Sinne, dass es bei guter Konjunktur eher weniger Bewerber und bei schlechter mehr gibt. Worin aber genau die Bewertungskriterien liegen, das konnte sich nicht sagen, weil das Verfahren mit seinem Interview ein eher subjektives ist. Dass es dabei auf solche Qualitäten wie Flexibilität und soziale Kompetenz ankommt, sollte man einplanen. Falls man angenommen wird, folgt darauf eine 1-jährige Attaché-Ausbildung, wobei auch eventuell nicht vorhabende Französischkenntnisse nachgeholt werden.

Frau Althauser selbst hatte nach ihrer Ausbildung, welche sie als komplex, schulhaft aber auch faszinierend beschreibt, die erster Stelle 1987-90 an der Deutschen Botschaft in Peking. Über diese Zeit berichtet sie mit einiger Begeisterung, dass es noch durch einen offenen Diskurs auch mit vielen Kulturschaffenden geprägt war, offener als Shanghai 2017-21; zumal es noch keine digitale Überwachung gab. Doch diese Zeit währte nicht lange und nach 1989 war diese Stimmung wie im „Eisschrank“.

Ihr zweiten beruflicher Aufenthalt in in China sollte in Shanghai von 2017-21 als Generalkonsulin sein. In der Zwischenzeit hatte Frau Althauser mehre Stationen in Moskau, Brüssel, Bonn und Den Haag inne. Außerdem hatte sie in 1996/97 im Rahme eines Sabbaticals in Heidelberg mit einer Arbeit zum Thema „Russlands Weg in den Europarat“ promoviert und somit zumindest ein Bein wieder zurück in die Wissenschaft gesetzt. Für Sie ist ihrer Erfahrung mit Shanghai von viel äußerer Schein und weniger Tiefengesprächen geprägt, was vielleicht auch durch den Rahmen von zeitlich begrenzten Gesprächen mit großen Münnergruppen (oft über 80 Verteter - und es sind meist Männer) im Raum geprägt. Doch erlöst diese schwierigen Bedingungen nicht von der Notwendigkeit das Gespräch zu suchen, was Frau Althauser außerhalb ihrer Funktion auch immer wieder gelungen ist. Doch diese Zeiträume waren vor 2020 gering, denn neben der Betreuung und Organisation von Delegationen und dem Voranbringen von Kooperationen in Hochschulen und Industrie war sie, vor allem auch kurzfristig, immer äußerst beschäftigt. So sehr, dass Sie, nach ihrer eigenen Auskunft nach nicht die Zeit für andere Orte in China fand. Darüber hat Shanghai auch viele historisch wichtige Städten.Besonders betonte Frau Althauser dabei das ehemalige Shanghaier Ghetto, welches sie immer wieder auf die Besuchsprogramme von Delegationen aus Deutschland setzte.

Kritisch äußerte sich Frau Althauser hinsichtlich der momentanen Regierungen - sowohl der deutschen wie auch der chinesischen. In Deutschland sieht sie zwar ein Abweichen von einer Naivität die sich mit dem berühmten Ausspruch „It’s the economy, stupid!“ zusammenfassen ließ und im Zuge dieser die wirtschaftliche Verflechtung überbewertet wurde. Auf der anderen Seite scheint es ihr fraglich, ob es wirklich zu einer kohärenten China-Strategie kommt und diese auch so umgesetzt wird, gerade mit Bezug auf den Einkauf COSCOs in den Hamburger Hafen. Gerade hier ist es vielleicht besonders bedauernswert, dass nach Frau Althausers Aussage das Auswärtige Amt im Kontrast zu China viel Kompetenz und Wissen von Ehemaligen nicht stärker einfließen lässt. Aber auch auf der Ebene wirtschaftlicher Zusammenarbeit sieht sie noch viel von der Naivität, welche es eigentlich nicht mehr geben dürfte.

Des Weiteren ist zu sehen ob diese Bemühungen gar langfristig und koordiniert mit EU-Partnern sind, was sie gerade gegenüber China nach Frau Althausers Meinung sein sollten. Aber genau ist ihr in China eine „autoritäre Verhärtung“ im Zusammenhang mit der durch Digitalisierung stärker gewordenen Kontrolle und auch in Bezug auf Xinjiang. Auch äußert sich diese in einen Versuch der Re-Ideologisierung der Gesellschaft. Ein alarmierendes Indiz für die so gestörten Beziehungen zeigen sich nach ihr in den sinkenden Studierendenzahlen von Deutschen in China (auch im Gegensatz zur Zahl von chinesischen Studierenden in Deutschland). Doch auch in dieser kritischen Zeit gilt für sie immer noch man solle „nicht übereinander reden, sondern miteinander“ und diese vor allem auch in Form des ‚People-to-People‘ Dialogs. Den „Diplomatie ist kein Small Talk - aber er gehört dazu.“

In diesem Sinne ging Frau Althauser nach ihrem längeren und freien Vortag zum Abschluss noch auf die Fragen zum Berufsbild der Diplomatin, zur Situation in China und zu den Diplomatischen Beziehung ein. Dabei ging es unteranderem darum, dass der Beruf durch die andauernden Wechsel schon ein grundständiges Interesse verlangt, immer wieder von Neuem anzufangen. Zwar hat man heute mehr Freiheit, selbst zu entscheiden, ob man eine Stellung annimmt, doch hat dies immer noch Grenzen. Frau Althauser selbst hate eine frühere Möglichkeit wieder nach China zurückzukommen abgelehnt, weil ihre Tochter nicht mitkommen wollte. In der Länge Vorbereitungszeit auf einen neuen Posten (und somit auch die sprachliche Vorbereitung) gäbe es noch Verbesserungspotential. Das ginge ihrer Meinung nach bei den anderen Ministerien besser.

Somit zeigt sich das Berufsbild der Diplomatin als ein vielleicht nicht perfektes, aber doch spannendes und vor im positiven Sinne immer wieder herausforderndes.

Zuletzt bearbeite von:: Joost Brokke
Letzte Änderung: 23.12.2022
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