Prof. Barbara Mittler in Gedenken an Günther Debon

Am 13.5.2021 wäre der ehemalige Heidelberger Sinologie-Professor Günther Debon (gestorben 2005) hundert Jahre alt geworden. Er gilt heute – neben dem Schriftsteller und Übersetzer Günther Eich – als der bedeutendste Übersetzer chinesischer Lyrik in die deutsche Sprache. Nach seiner Emeritierung hat er sich außerdem mit der Literatur- und Geistesgeschichte Deutschlands und vor allem auch Heidelbergs auseinandergesetzt.

 

Bei einer digitalen Geburtstagsfeier am CATS, dem Centrum für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien, wo die Heidelberger Sinologie—auf einem der ältesten Universitätscampi Deutschlands—inzwischen ihre Heimat gefunden hat, wurde der Anlass mit einem Festvortrag begangen. Es sprach Wolfgang Kubin (Universität Bonn) zum Thema Make it New? Günther Debon als Herausforderung für die Kunst der Übersetzung.

Debon Mittler

 

In seiner langjährigen Tätigkeit in Heidelberg, zwischen 1968 und 1986 hat er der Sinologie ein unverwechselbares Gepräge gegeben und, mit seinen Übersetzungen chinesischer Dichtung und seinen Arbeiten zu deutschen China-Bildern dem Fach weit über seinen engeren Wirkungskreis hinaus Anerkennung verschafft. Schon viele haben sich an Übersetzungen aus dem Chinesischen versucht und aufgegeben—nicht Günther Debon. Er hatte ein Herz für die deutsche Literatur, das Dichten, einen Sinn für schöne Sprache. Seine Übersetzungen sind bei den großen Verlagen Reclam, Piper, Hanser erschienen.

 

Auf ganz besondere und eindrückliche Weise hat Günther Debon es so verstanden, das ferne China den Menschen, die es nicht kannten, nahe zu bringen. Seine Lichtbildervorträge zur chinesischen Geschichte “Von ihren Anfängen bis in die Gegenwart” füllten auch nach seiner Emeritierung den größten und immer bis zum letzten Platz besetzten Hörsaal der Neuen Universität. Seine Übersetzungen chinesischer Dichtung und des daoistischen Klassikers Daodejing sind meisterhaft in ihrer sprachlich-poetischen Nachgestaltung—und philologischen Genauigkeit. Sie präsentierten einem Publikum, das weit über die Fachwelt hinausreichte, das ferne Land, China, auf ganz neue und vor allem, auf direkt verständliche Art und Weise.

 

Günther Debons zahlreichen Publikationen zu China bei Goethe, Schiller und Herder oder zum “Daoismus” in der deutschen Romantik, in denen er immer wieder den nur für ihn so selbstverständlichen Brückenschlag von der Sinologie zur Germanistik vollzog, waren wegweisend für die Arbeit, die in seiner Folge in der Sinologie weitergeführt wurde, zwischen Asien und Europa. Die Transkulturalität die heute am CATS gelehrt wird hatte Günther Debon bereits vorweggedacht und vorweggelebt.

 

Günther Debons Arbeitsethos war ein Phänomen, das man wohl am besten mit dem Gedanken, der als Kalligraphie über seinem Schreibtisch hing, umschreiben kann: er konnte mit viel Geduld ertragen 忍 REN. Er leitete sein Institut alleine mit einem Assistenten und einem Lektor. Nicht ein einziges Freisemester beanspruchte er in den fast 30 Jahren seiner Tätigkeit. Und dennoch publizierte er ein Buch, organisierte er ein Symposium nach dem anderen—ganz nach dem Motto, das er in einem seiner Limericks beschrieb:

 

KEINE HALBHEITEN!

Die stets auf zwei Hochzeiten tanzen,

Sind Könner der niedren Instanzen.

Wer Meister will sein,

Muß tanzen auf drein.

Denn merke: die Kunst liegt im Ganzen.

 

Und so begann, unter Günther Debon, bei stetig steigenden Studentenzahlen, der Ausbau der Sinologie. Seine immer gleichmütige, geduldige Haltung wurde schliesslich, zu seiner Emeritierung, mit einem 2. Lehrstuhl für moderne Sinologie belohnt. Er setzte so die ersten Mosaiksteine für das, was dann rasant wachsen sollte. Günther Debon begründete auch die heute noch bestehende fruchtbare Partnerschaft der Universität mit der Fremdsprachenhochschule in Shanghai, die es Studierenden ermöglicht, ihre Sprachausbildung an einer der besten Sprach-Universitäten Chinas zu komplementieren.

Günther Debon war ein Vorbild für jeden, der ihn traf, als Wissenschaftler ebenso wie als Mensch, als Dichter und als Übersetzer, des Tang-Dichters Li Bai etwa:

 

NÄCHTLICHES GEDENKEN AM OSTHAIN-KLOSTER DES LU-SCHAN

von Li Bai (701-762) in der Übersetzung von Günther Debon

 

Ich brach zum Kloster des Blaulotos auf

Verwaist der Weg, als ich vom Stadttor schied.

Im Reif klang rein vom Osthain her die Glocke.

Der Bach des Tigertals war monddurchglüht.

 

In leeren Räumen wob himmlischer Duft-

Und unaufhörlich brausten Himmelsklänge.

Versunken saß ich, leblos-unbewegt

Ein ging das All in eines Härchens Enge.

 

Zum Wahren hatte da mein Herz gefunden

Vom Sein, vom Untergang ewig entbunden.

 

Von Barbara Mittler

Zuletzt bearbeite von:: Joost Brokke
Letzte Änderung: 29.06.2022
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