Dichterin in Czernowitz – Sprachlehrerin im chinesischen Kanton

Die in China als Sprachlehrerin Zhu Bailan 朱白兰 bekannte Poetin aus Czernowitz (1904) starb vor mehr als einem halben Jahrhundert in Guangzhou (1971). Das Geburtsjahr war das gleiche wie bei den Chinesen Ba Jin 巴金 und Deng Xiaoping 邓小平 – alle drei lebten zwischen den Weltkriegen vorübergehend in Frankreich.

Die junge Frau Blum war zunächst eine arme Dichterin in Wien:

„Nach der Scheidung der Eltern flüchteten Mutter und Tochter 1913 nach Wien. Sie wechselten häufig ihren Wohnsitz, um vom Vater, dem das Sorgerecht für die Tochter zugesprochen worden war, nicht gefunden zu werden. In Wien studierte Blum Psychologie und Literatur. Anfang der 1920er-Jahre begann sie als Journalistin zu arbeiten.“

https://individualpsychology.wordpress.com/klara-blum/

Sie interessierte sich vorübergehend für Palästina, wo sie auch hinreiste (1929). Bald kehrte sie enttäuscht nach Europa zurück, bekam Kontakt mit linken Schriftstellern und war vorübergehend in einer sozialdemokratischen Partei. Sie besuchte später auch Budapest, Bukarest, Paris, Prag und andere Städte und publizierte in Czernowitz, Kiew, Berlin und Wien.

1934 bekam sie einen Preis der "Internationalen Vereinigung revolutionärer Schriftsteller" und eine Einladung für einen mehrmonatigen Aufenthalt in Moskau, wo sie auch Gedichte veröffentlichen konnte:

„Mit ihrem Antikriegs-Gedicht Ballade vom Gehorsam errang Blum 1934 im Rahmen des Literaturpreises der Internationalen Vereinigung Revolutionärer Schriftsteller den zweiten Platz“

https://litkult1920er.aau.at/litkult-lexikon/blum-klara/

Dort lernte sie neben vielen europäischen Intellektuellen auch den Chinesen Zhu Xiangcheng kennen in den sie sich verliebte. Obwohl sie nicht verheiratet waren benutzte sie später in China den Familiennamen Zhu. Allerdings brach der Kontakt ab, als er in der Zeit der politischen Säuberungen verhaftet wurde, was sie aber nicht wusste.

In der Annahme, dass Herr Zhu nach China zurückgekehrt wäre, beschloss sie, auch dorthin zu reisen. Dies war allerdings erst nach Kriegsende möglich: sie verließ 1947 Frankreich Richtung Fernost.

In China hielt sie sich anfangs in Shanghai und Nanjing auf und landete später in Guangzhou. In dieser Zeit wurde sie Deutschlehrerin, schrieb Gedichte und später Bücher und versuchte außerdem, die Familie Zhu aufzuspüren. Dies gelang ihr auch, sie traf jedoch nur Zhus chinesische Ehefrau, die auch nicht wusste, was aus dem Gatten geworden war. Später stellte sich heraus, dass er schon wenige Jahre nach seiner Verhaftung gestorben war und daher nicht in seine Heimat zurückkehren konnte.

Frau Blum/Zhu wollte allerdings nicht mehr nach Europa zurückkehren und blieb in China.

Nach Gründung der Volksrepublik China und der Deutschen Demokratischen Republik und der Etablierung diplomatischer Beziehungen konnte sie verschiedene Texte dort veröffentlichen. Dazu gehörten in den fünfziger Jahren die Bücher Der Hirte und die Weberin und Das Lied von Hongkong.

Als ihre europäischen Ausweise abgelaufen waren, wurde sie chinesische Staatsbürgerin und Mitglied des Schriftstellerverbands.

Da sie schon lange den Dichter Emi Siao (Xiao San) kannte, begegnete sie auch der Photographin Eva Siao, die aus Breslau stammte.

Als sie ungefähr das Rentenalter erreichte, brach die Kulturrevolution aus und es gab keine Nachfrage nach Deutschunterricht mehr.

 

Dr. Thomas Kampen

 

中国籍犹太裔女诗人朱白兰(Klara Blum)生平与作品选

林笳 / 中山大学出版社 / 2016

 

朱白兰在中山大学 : 纪念朱白兰先生逝世五十周年

林笳 / 彭念慈 / 中山大学出版社 / 2021

 

Blum, Klara

Liebesgedichte

Einführung von Zhidong Yang

(Bukowiner Literaturlandschaft Bd. 69)

(Lyrik-Taschenbuch Nr. 76)

66 S., brosch., 2012

ISBN 978-3-89086-479-2

https://www.rimbaud.de/authors/blum-klara/

 

 

PS

 

Blum Klara, Chaje, Ps. Zhu Bailan, Dshu Bai-Lan (chin. Name); Germanistin, Schriftstellerin und Übersetzerin Geb. Czernowitz, Bukowina (Tscherniwzi, Ukraine), 27.11.1904 Gest. Guangzhou, China, 4.5.1971

Herkunft, Verwandtschaften: Stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie; Vater: Josef Blum (1850-1934), Großgrundbesitzer und langjähriger Landtagsabgeordneter in der Bukowina, nach 1918 Mitglied des jüdischen Nationalrates und Aktivist in der zionistischen Bewegung; Mutter: Cipre, geb. Kaner (1876-1937), in erster Ehe verh. Maschler, stammte aus Stanislau (Ostgalizien), nach dem Tod ihres ersten Mannes Heirat mit dem 26 Jahre älteren Josef Blum, aktiv in der zionistischen Frauenbewegung.

http://biografia.sabiado.at/blum-klara/

 

Zuletzt bearbeitet von: Stanley Setiawan
Letzte Änderung: 28.05.2022
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