Han Suyin und der große Traum von der „Eisernen Straße“

Han Suyin Buch: Der Grosse Traum
Han Suyin: Der große Traum

Vor 110 Jahren begannen die Unruhen, die zum Sturz der Qing-Dynastie und zum Ende des Kaiserreichs führten.

Vor etwa 55 Jahren erschienen unter den Namen „Der große Traum“ und „Die eiserne Straße“ Übersetzungen eines Buches von Han Suyin, das im Original „The Crippled Tree“ hiess.

Die Titel waren alle unverständlich aber wenigstens die Sinolog(inn)en wissen, dass die eiserne Straße tielu 鐵路 ist. Auch der Name Han Suyin war erfunden, angeblich hieß die englischreibende Halbchinesin Zhou, wie Zhou Enlai, den sie später kennenlernte. Es gibt auch Zweifel an der Theorie der „Halbchinesin“, allerdings ist wohl unbestritten, dass ihre Mutter Belgierin war und ihr Vater sie beim Studium in ihrem Heimatland kennenlernte. 

(Interessant ist noch, dass der Vater befreundet war mit einem chinesischen Studenten in Paris, der eine polnische Frau heiratete. Beide Herren wurden Ingenieure und beide Familien unterhielten jahrzehntelang Kontakt miteinander. Der Belgierin war allerdings die Polin zu intellektuell: sie schrieb Bücher.)

Das mehrbändige Werk von Han ist eine Art autobiographischer Roman in mehreren Bänden in dem die Zeit von etwa 1910 bis 1960 als Familiengeschichte dargestellt wird.

Bemerkenswert an der Revolution von 1911 (Xinhai geming 辛亥革命) war, dass sie in der Geschichtsschreibung der KMT und KP ziemlich ähnlich dargestellt wurde, was bei anderen Themen kaum vorkam. Vor allem Sun Yatsen wird immer gelobt, obwohl er gar keine wichtige Rolle spielte. Vereinfacht ausgedrückt: die Kommunisten loben Sun, weil er mehr als zehn Jahre später die Zusammenarbeit von KMT und KP unterstützte während dessen Nachfolger Chiang Kaishek die Kommunisten bekämpfte.

Tatsächlich begannen die Unruhen in Sichuan im Frühjahr 1911 weil die Qing Regierung im Norden eine zuvor gegründete private Eisenbahngesellschaft verstaatlichen und die Eigentümer enteignen wollte. Die Gesellschaft war von Aktionären gegründet worden, die nicht akzeptieren wollten, dass Ausländer (Briten und Franzosen) in Südwestchina Eisenbahnen bauten. Da die Briten schon in Indien und die Franzosen in Vietnam Eisenbahnen bauten, wollten die Sichuaner lieber selbst das lukrative Geschäft übernehmen. Das bedeutet: die Sichuaner bekämpften die Qing Regierung, weil diese den Ausländern das Recht gab in China Eisenbahnen zu bauen. Es ging also den Protestierenden um wirtschaftliche Interessen und nicht so sehr um Revolution. Die Unruhen führten dann aber zur Ermordung von Politikern der Provinz. Da die Qing in Sichuan nicht ausreichend Truppen stationiert hatten, befahlen sie den Truppen in der Nachbarprovinz Hubei, nach Sichuan zu marschieren. (Sun Yatsen war zu der Zeit im Ausland.)

Da nun die dortige Provinzhauptstadt Wuchang (Wuhan) nicht ausreichend geschützt war, kam es auch dort zu einem Aufstand - am 10.10. (der bis heute Nationalfeiertag der Republik China ist).       

Da es die Eisenbahnpläne gab (aber keine Ingenieure zum Eisenbahnbau) wurden Studenten von Sichuan ins Ausland geschickt, um die Technik zu lernen; ähnlich machten es auch andere Provinzen.

Später arbeiteten dann die Rückkehrer bei verschiedenen chinesischen Eisenbahngesellschaften, allerdings nicht in Sichuan – die Strecke wurde in der Republikzeit gar nicht gebaut.

Die beiden Herren arbeiteten vor allem in Nordchina (Beijing, Tianjin) und waren auch vorübergehend als Lehrkräfte für Ingenieurswesen tätig.

In diesen Büchern wird auch das kulturelle Umfeld und das Privatleben beschrieben. Die Studenten gehen ins Ausland, lernen Fremdsprachen, treffen Europäerinnen, heiraten, interessieren sich für Politik (damals vor allem Anarchismus) und entwickeln im Zusammenhang damit Interesse an der Weltsprache Esperanto. Darauf folgt die Rückkehr nach China (mit den Frauen), Berufstätigkeit in der chaotischen Republikzeit und das Aufziehen der Kinder. Die Tochter von Zhou wird Ärztin, der Sohn seines Freundes Architekt. Diese Generation (und deren Kinder) erleben dann die frühen Jahre der Volksrepublik.

Die Ärztin Han wurde dann aber als Autorin berühmt, traf Mao Zedong und Zhou Enlai und schrieb Bücher über sie: The Morning deluge und Eldest son. Sie kannte auch Nehru und versuchte – vergeblich – während des chinesisch-indischen Konflikts zu vermitteln.

Han Suyin veröffentlichte ein Dutzend Bücher, wurde über neunzig Jahre alt und starb 2012.

Han Suyin
Han Suyin

Han Suyin: The Crippled Tree, London, 1965. (Es gibt mehrere chinesische Versionen, z.B.: 《伤残的树》)

Thomas Kampen: Revolutionäre Eisenbahnplanungen: die Aufstände in der Provinz Sichuan und das Ende des chinesischen Kaiserreiches (1911), Berlin: Verlag Wissenschaft und Technik, 2002.

PS

Auch die Sichuaner Schriftsteller Guo Moruo und Li Jieren schrieben über 1911.

Dr. Thomas Kampen   

Han Suyin Buch: The Crippled Tree
Han Suyin: The Crippled Tree.

Auszug der Namenseinträge in der Deutschen Nationalbibliothek:

  • Han Su-yin
  • Chau, Rossalie (Früherer Name) (nach LCAuth)
  • Chou, Elizabeth (Früherer Name) (nach LCAuth)
  • Comber, Elizabeth (Wirklicher Name)
  • Comber, Elizabeth Tang
  • Kuanghu, Chou Elizabeth
  • Zhou, Guanghu (Früherer Name) (nach LCAuth)
  • Zhou, Yuebin (Früherer Name) (nach LCAuth)
  • Chou, Elizabeth Kuanghu (Wirklicher Name)
  • 韩, 素音

 

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Letzte Änderung: 13.12.2021
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