Liu Suola in China – Liu Sola im Westen: Ein begabtes Mitglied einer umstrittenen Familie mit berühmten Freunden

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Frau Liu 刘索拉 wurde vor 65 Jahren in der Volksrepublik China geboren. Zur gleichen Zeit beschäftigte sich ihre Mutter Li Jiantong 李建彤 (1919-2005) mit Leben und Tod des Kommunisten Liu Zhidan 刘志丹 (1903-1936) in der Republik China. (Frau Li war mit Liu Jingfan, dem jüngeren Bruder von Liu Zhidan verheiratet.)


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Autorin und Komponistin

Vor 35 Jahren erschien Lius Werk  Ni bie wu xuanze - 2019 auf Deutsch veröffentlicht. Schon 1986 wurde es in dem chinesischen Buch Tansuo xiaoshuoji (mit anderen kontroversen Texten) in Shanghai (nach)gedruckt, das ich damals kaufen konnte.

Vor knapp zehn Jahren ist das Buch Zeitgenössische Künstler aus China erschienen; hierin befinden sich zwei aufschlussreiche Interviews an denen Liu beteiligt war:  zunächst sprach sie mit Guo Wenjing 郭文景 mit dem sie schon lange befreundet war. Dann folgt ein Gespräch das Herausgeber Johannes Odenthal mit ihr führte. (Ein weiteres Gespräch an dem sie mit anderen beteiligt war, bringt nichts interessantes neues über sie.)

Über ihre Jugend teilte sie Odenthal mit: „Bevor wir ins Konservatorium gingen, hatten wir alle sehr viel Lebenserfahrung gesammelt. Wir haben mit Arbeitern in Fabriken und auf dem Land geschuftet. Alle unsere Familien sind auseinandergerissen oder zerbrochen. Wir waren alle verhältnismäßig reife Persönlichkeiten, als wir anfingen zu studieren.“ (S.128)

Im „Nachwort zur deutschen Ausgabe“ heißt es:  „Man kann sagen, dass diese Klasse seit der Gründung des Zentralen Musikkonservatoriums der freidenkerischste Jahrgang war. “ (S. 129.)

Bemerkenswert war auch: „Für mich als Musikerin begann die Geschichte sehr ungewöhnlich, weil ich nämlich bekannt wurde als Schriftstellerin. Ich veröffentlichte 1985, kurz nach Beendigung meines Studiums, die Novelle You have no Choice. Diese Novelle erzählt von meinen Kommilitonen, jungen Komponisten.“ (S.126)

Über Guo Wenjings Werk Chuanjiang xushu (Von Flüssen und Strömen) sagte sie: „Ich habe das Werk doch sogar in meiner Novelle You have no choice erwähnt. Ein besonders schönes Stück! Die Kommilitonen in unserer Klasse waren damals völlig aufgewühlt.“ ( S.114)  

Dieses Werk von Frau Liu ist aus heutiger und ausländischer Sicht etwas problematisch. In den achtziger Jahren avantgardistisch und rebellisch, für heutige Leser aber nicht so spannend. Außerdem spiegelte es zwar für die junge, relativ gebildete Generation der damaligen Zeit gut den Zeitgeist wider, für das heutige Publikum ist das jedoch weniger mitreißend.

 

Eine Generation

Allerdings kann man den Text auch als eine Zeitreise in die Jahre vor 1989 betrachten, China hat nie wieder diese Aufbruchsstimmung erlebt. Außerdem wird eine Generation gezeigt aus der viele spätere Prominente hervorgingen. Kurz vor Frau Liu wurden Qu Xiaosong, Shu Ting und Xi Jinping geboren.  Etwa gleichaltrig war Yang Lian. Kurz darauf folgten Guo Wenjing, Ai Weiwei und Li Shuang. 

So ist der Text vielleicht für Literaturwissenschaftler, Soziologen und Kulturhistoriker doch aufschlussreich.

 

Geschichtsschreibung

Liu Zhidan ist heute immer noch wichtig für die kommunistische Geschichtsschreibung, weil zu seinen Mitstreitern Xi Zhongxun (der Vater von Xi Jinping) gehörte. Die Kontroverse um das Buch über Liu Zhidan hat Xi Zhongxun damals sehr geschadet und seinen weiteren Aufstieg deutlich verzögert. Xi Zhongxun und Liu Jingfan kannten auch den bekannten Politiker Gao Gang, der in den fünfziger Jahren gestürzt wurde und dann Selbstmord begangen haben soll. Die Familien Gao, Liu und Xi kamen alle aus der Nordwestprovinz Shaanxi.

 

Literatur:

Li Jiantong: Liu Zhidan, Beijing, 1984f.

Liu Sola: Du hast keine andere Wahl, München, 2019.

J. Odenthal: Zeitgenössische Künstler aus China, Göttingen, 2011.

Tan suo xiao shuo ji, Shanghai, 1986.

 

 

 

Dr. Thomas Kampen  

 

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Die Eltern.

 

Zuletzt bearbeitet von:
Letzte Änderung: 24.05.2021
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