Ja, aber was soll es bedeuten?

Ich durfte Herrn Dr. Spaar während meiner Zeit am Institut für Sinologie von 2005 bis 2012 aus ganz verschiedenen Perspektiven kennenlernen: vom „Ersti“ im Grammatikkurs, „Studi“ in der Politiksprache und einem Hanshan-Lyrikseminar bis hin zum „Hiwi“, der seinen Rechner repariert und „EDVler“, der mit ihm über die Schnittstelle von Sprachdidaktik und Digitalisierung in der Sinologie fachsimpelt.

Ich denke zurück an Herrn Spaar und stelle mir die Frage „Was bleibt von ihm in meinem Leben?“ Darüber habe ich seit der Nachricht von seinem Tod im November 2020 wiederholt nachgedacht. Eine Antwort habe ich inzwischen gefunden. Es ist die Frage: „Ja, aber was soll es bedeuten?“ Diese Frage war oft die Antwort auf einen studentischen Übersetzungsversuch in seinen zahlreichen Lehrveranstaltungen. Ich habe den Tonfall und Klang, das anerkennende „Ja“ verbunden mit der tiefergehenden Frage „Aber was soll es bedeuten?“, immer noch genau im Ohr.

Ich sehe in Herrn Spaars Gegenfrage seinen Wissensdrang im grenzenlosen Meer der chinesischen Sprache, seinen Anspruch nicht Wort für Wort, sondern entlang der Bedeutung von der einen in die andere Sprache zu übersetzen und seine Forderung an die Studierenden, den Dingen auf den Grund zu gehen. Am Ende sollte immer eine kommunikative Brücke stehen, deren Enden zwar unterschiedlich aussehen können, für die Adressat*innen jedoch in ihrem Kontext die gleiche Bedeutung besitzen.

Ich konnte zu Studienzeiten noch nicht absehen, wie zentral Herr Spaars Gegenfrage in meiner späteren Arbeit sein würde. Seit 2019 arbeite ich in der zivilgesellschaftlichen Dialogarbeit mit China. Täglich setze ich mich damit auseinander was in China über die eigene Gesellschaft, über die Beziehungen zu Europa und über die Welt gesagt wird. Oft sitze ich über den Meldungen und frage mich nach meiner ersten Recherche: „Ja, aber was soll es bedeuten?“

Dr. Christian Straube

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Letzte Änderung: 24.02.2021
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