Meine Erinnerungen an Herrn Dr. Wilfried Spaar

Ich habe insgesamt zwei Kurse bei Herrn Dr. Spaar besucht. In seinem Hauptseminar „Zen-Gedichte“ im Sommersemester 2008 lernte ich ihn als sachkundigen und ausgesprochen gutmütigen Gelehrten kennen. Er hörte die Meinungen zur Übersetzung der poetischen Begriffe von den KursbesucherInnen immer ganz genau an, bevor er, sehr häufig, eine noch zutreffendere Übersetzung vorschlug und seine Wahl begründete. Öfters saß ich bezaubert da und verfolgte den Prozess, wie ein Zen-Gedicht in der deutschen Sprache wiedergeboren wurde.

Im Sommersemester 2009 besuchte ich seinen Kurs „Übersetzungstraining (für chinesische Muttersprachler)“. Im Kurs wies er auf etliche typische Übersetzungsprobleme bei chinesischen MuttersprachlerInnen hin. Ich konnte damals als chinesische Muttersprachlerin und ehemalige Germanistikstudentin nicht all die von ihm genannten Probleme nachvollziehen. Aber drei Jahre später, als ich wegen meiner eigenen Lehrpflicht etliche Übersetzungen von meinen chinesischen Studierenden korrigierte, erkannte ich plötzlich die Notwendigkeit des Übersetzungstrainings von Herrn Dr. Spaar. Offenbar nahm er viel Rücksicht auf die Bedürfnisse der chinesischen MuttersprachlerInnen, die in Heidelberg Sinologie studierten. Ich bin sehr dankbar, dass ich dann in meinem Kurs auf meine Erfahrung in seinem Kurs zurückgreifen und seine Hinweise weitergeben konnte.

Meine einzige private Konversation mit ihm fand in einer Straßenbahn statt, wo wir uns zufällig sahen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie er mit Stolz erzählte, dass er eine Familie der Sinologen habe – seine beiden Söhne studieren u.a. Sinologie und einer davon studiere noch in Taiwan.

Neben dem sinologischen Nachwuchs aus seiner Familie leistete Herr Dr. Spaar substanzielle Beiträge zu der sinologischen Forschung (vor allem der Tang-zeitlichen Poesie) und der sinologischen Grundlagenbildung. Mit den folgenden Versen von Liu Zongyuan, einem von ihm geschätzten Tang-Dichter, sende ich einen Abschiedsgruß an ihn:

Clear the land, thatch the rush for roof,

All around cherish the empty, the pure.

Mountain blossoms fall by a secluded door,

Within, one who has forgotten the world’s schemings.[1]

 

[1] Wu-chi Liu und Irving Yucheng Lo (Hrsg.), Sunflower Splendor. Three Thousand Years of Chinese Poetry (Bloomington/Indianapolis: Indiana University Press, 1990): S. 213.

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Letzte Änderung: 24.02.2021
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