Verwirrende „Heidelbergerinnen“: Goldschmidt, Gräfenberg, Radvanyi, Reiling, Seghers und Ullstein

Vor hundert Jahren studierten Rosie Goldschmidt (1898-1982) und Netty Reiling (1900-1983) an der Heidelberger Universität.

 

Vor 120 Jahren wurde Netty Reiling in Mainz geboren, das damals zu Hessen gehörte. Rosa/Rosi(e)/Rosalie Goldschmidt kam aus Mannheim

Netty studierte Kunstgeschichte und Sinologie (in der Akademiestr. 1), R. Goldschmidt Soziologie. Reiling besuchte die Seminare des ersten Sinologiedozenten in Heidelberg F.E.A. Krause, Goldschmidt promovierte bei Alfred Weber (dem Bruder von Max Weber).

Wenige Jahre später waren beide Frauen promoviert und verheiratet und lebten mit ihren Männern in Berlin.

Netty heiratete Herrn Radvanyi und bekam zwei Kinder; gleichzeitig begann sie als ANNA SEGHERS Geschichten zu veröffentlichen.  

Die Soziologin, die vorübergehend Gräfenberg und dann Ullstein hieß, reiste nach der zweiten Scheidung nach China und arbeitete zeitweilig in Shanghai.

Beide Autorinnen lernten in Berlin den tschechischen Journalisten Egon Erwin Kisch (1885-1948) kennen, den die eine im Fernen Osten und die andere in Frankreich und Mexiko wiedersah.

 

 

Asien

 

Anna Seghers konnte erst später nach China reisen, lernte jedoch in Deutschland einige Chinesinnen und Chinesen kennen, darunter Cheng Qiying und Hu Lanqi.  

Inzwischen hatte die Akademikerin Goldschmidt die Starautorin Vicki (Hedwig) Baum (1888-1960) getroffen, die auch mal in Mannheim gelebt hatte und Heidelberg kannte. Diese reiste in den dreißiger Jahren ebenfalls nach China und veröffentlichte (offenbar mit Goldschmidts Unterstützung) Hotel Shanghai. Beide Frauen ließen sich in den USA nieder.  

 

 

Amerika

 

Baum war schon Anfang der dreißiger Jahre durch die Verfilmung von Menschen im Hotel / Grand Hotel (mit Greta Garbo) in Amerika berühmt geworden.

Das Siebte Kreuz / The Seventh Cross von Anna Seghers wurde ebenfalls in Hollywood (mit Spencer Tracy) verfilmt; der Regisseur Fred Zinnemann kam aus Österreich.

Kischs China geheim wurde als Secret China gedruckt, in China als Mimi de Zhongguo

rosinett

Goldschmidt veröffentlichte u.a. Athene Palace,  nannte sich allerdings nun meist Rosie G. Waldeck.

(Die „Linken“ Kisch und Seghers durften jedoch während des Krieges nicht in die USA einreisen.)

 

 

Europa

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen Kisch und Seghers nach Europa zurück; Kisch starb aber bald. Seghers lebte zunächst in Berlin (West) und wurde später Ostberlinerin und DDR-Bürgerin. Mit einer DDR-Delegation konnte Seghers dann zum ersten Mal nach China reisen.

 

 

Literatur:

 

V. Baum: Menschen im Hotel, Berlin, 1929.

E. E. Kisch: China geheim, Berlin, 1933.

V. Baum: Hotel Shanghai, Amsterdam, 1939.

V. Baum: Es war alles ganz anders, Frankfurt, 1962.

E. E. Kisch: Briefe an Jarmila, Berlin, 1998.

N. Nottelmann: Die Karrieren der Vicki Baum, Köln, 2007.

T. Kampen: Chinesen in Europa - Europäer in China, Gossenberg, 2010.

 

 

Dr. Thomas Kampen  

 

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Letzte Änderung: 01.12.2020
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