Newsletter Januar 2015 Nr. 80
INHALT
Ein Rheinländer in Ostasien: Hans Müller 汉斯 米勒 (1915-1994)
Die Geschichte eines Düsseldorfer Arztes, der mehr als fünfzig Jahre in China tätig war und schließlich sogar die chinesische Staatsbürgerschaft annahm.
Sprachlose Sprachkolumne
Unsere aktuelle Sprachkolumne greift unsere Sprachlosigkeit ob der chinesischen Internetzensur auf und kommt (fast) ohne Sprache aus. Dafür gibt es ein Bilderrätsel.
Wissenschaftsmanagement – ein Berufsfeld für Sinologen?
Im Rahmen unserer Vortragsreihe "Sinologie in den Beruf" sollen in diesem Jahr universitätsnahe Berufe vorgestellt werden. Dr. Martin Gieselmann, Geschäftsführer des SAI, gewährte einen Einblick in das Arbeitsfeld des Wissenschaftsmanagements.
Wasser – das Gold des 21. Jahrhunderts
Vortrag von Prof. Dr. em. Malte Faber: "China aus der Sicht eines ökologisch-ökonomischen Beobachters"
Ein Rheinländer in Ostasien: Hans Müller 汉斯 米勒 (1915-1994)
Vor hundert Jahren – am 13. Januar 1915 – wurde Hans Müller in Düsseldorf geboren. Vor achtzig Jahren studierte er in Basel, vor vierzig Jahren arbeitete er in Beijing, vor zwanzig Jahren – am 4. Dezember 1994 – starb er dort. Insgesamt lebte er über fünfzig Jahre in China, weniger als zwei Jahrzehnte in Deutschland. Uwe Kräuter lernte ihn in den siebziger Jahren kennen und sagte in einem Interview: „Es gab die drei unzertrennlichen Freunde: den Deutschen jüdischer Herkunft, Hans Kurt Müller, Vizedirektor der Pekinger Medizinischen Hochschule, den amerikanischen Arzt libanesischer Herkunft, George Hatem (Ma Haide), und den alten neuseeländischen Schriftsteller Rewi Alley.“ In einem Buch von Rewi Alley ist ein Bild der drei zu sehen. Der Journalist Johnny Erling interviewte Müller 1980 und druckte dazu ein Foto von ihm (mit Gattin und ihren beiden Kindern) ab. Müller selbst hatte kein Interesse daran, autobiographische Bücher oder Reiseberichte zu veröffentlichen.
Studium
Hans Müller, der aus einer Kaufmannsfamilie stammte, konnte in Deutschland nicht Medizin studieren und ging daher an die Universität Basel. Als er promovierte, gab es im deutschsprachigen Raum keine Aussicht auf einen geeigneten Arbeitsplatz und die Einreise in englischsprachige Länder war schwierig. So verließ Müller im April 1939 die Schweiz und reiste über Marseille nach Hongkong und dann im Juni über Nanning, Guiyang, Chongqing, Chengdu, Baoji und Xi‘an nach Yan’an, wo er im Juli eintraf. Da zu dieser Zeit in Spanien der Bürgerkrieg schon zu Ende ging, konnte Müller nicht mehr daran teilnehmen; da die Ärzte, die von Spanien nach Ostasien fuhren, aber meist erst im Sommer 1939 Europa verließen, war Müller vor ihnen in China. Da Hans Müller zügig in den Nordwesten reiste, lernte er die Ärzte, die nur im Süden arbeiteten, während des Krieges gar nicht kennen. Ein Foto, das am 21. Dezember 1939 in Nordchina gemacht worden sein soll, zeigt Müller zusammen mit General Zhu De, dem Gründer der Roten Armee, und einigen indischen Ärzten. Auf dem Foto tragen alle chinesische Uniformen.
Der Zweite Weltkrieg
Der fünf Jahre ältere amerikanische Arzt George Hatem, der ebenfalls in der Schweiz studiert hatte, war schon vor ihnen dort eingetroffen. 1940 kam die Breslauerin Eva Sandberg (Eva Siao) nach Yan’an. In dieser Zeit traf auch der in Berlin geborene Han Sen, der in der Schweiz zur Schule gegangen war, in Yan’an ein. Als der Berliner Journalist Gunther Stein Anfang der vierziger Jahre Yan’an besuchte, sprach er auch mit „Dr. Hans C. Mueller“; Teile des Gesprächs sind in dem Buch The Challenge of Red China abgedruckt. Müller selbst schrieb im September 1943: „Von 1939 bis 1943 arbeitete ich mit dem internationalen Friedenshospital und dem Medizinischen Dienst der 18. Armeegruppe im Provinzgebiet Südostshansi. Während meines Frontaufenthaltes war ich sowohl im Hospital als auch mit den medizinisch-chirurgischen Einheiten an den vordersten Linien tätig. Zurzeit befinde ich mich in Yanan und bereite Vorräte und Ausrüstungen vor, die ich bei nächster Gelegenheit zum Hospital zurücktransportieren werde.“ Die Tätigkeit der Ärzte war sehr gefährlich. Der kanadische Arzt Dr. Bethune starb schon 1939, der indische Dr. Kotnis 1942. Auch Dr. Müller erkrankte 1940 und berichtete darüber Uli Franz: „Ich lag […] im Lazarett […] als unerwartet Politkommissar Deng Xiaoping an mein Bett trat und mir eine ganze Stange Zigaretten der Edelmarke ‚Shanghai‘ überreichte.“
In der Volksrepublik China
Nach der Gründung der Volksrepublik und der Annahme der chinesischen Staatsbürgerschaft stieg der Arzt zum Krankenhausdirektor und Professor auf. In den achtziger Jahren wurde Hans Müller – mit George Hatem und Eva Siao – in die politische Konsultativkonferenz gewählt. Ungewöhnlich war auch Müllers 1949 geschlossene Ehe mit der japanischen Krankenschwester Nakamura Kyoko 中村京子. Sie lebten in den fünfziger Jahren im Nordosten Chinas, hatten einen Sohn, der US-Bürger wurde, und eine Tochter, die Mimi Müller genannt wurde und später in die Schweiz zog. Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen konnte Hans Müller Anfang der siebziger Jahre zunächst nach Japan, etwas später auch nach Europa reisen. Seine Eltern waren allerdings schon zwei Jahrzehnte zuvor verstorben, Geschwister hatte er keine.
Literatur:
Hans Kurt Müller: Plötzlicher Herztod als Spätfolge nach elektrischem Unfall, Basel, Med. Diss., 1939.
Gunther Stein: The Challenge of Red China, New York, 1945.
Johnny Erling: Montag, Dienstag. Müllertag …, das neue China, Nr.3, 1980, S. 23-25.
Rewi Alley: At 90, Beijing, 1986.
Uli Franz: Deng Xiaoping, Hamburg, 1989.
Trauer um Prof. Hans Müller, Beijing Rundschau 51/1994, S. 7.
Han Sen: Ein Chinese mit dem Kontrabass, München, 2001.
Müllers Bericht von 1943 ist in dem Buch Im Geist Yanans von Magdalena Robitscher-Hahn (1980) abgedruckt.
Dr. Thomas Kampen
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Sprachlose Sprachkolumne
Im letzten Newsletter haben wir vom Verbot der nicht-standardisierten Verwendung von chinesischen Zeichen und Sprichwörtern berichtet. Da sich diese Kolumne aus allen nicht-standardisierten sprachlichen Kuriositäten des chinesischen Internets speist, bedroht ein solches Verbot – bei getreuer Umsetzung – diese Kolumne existentiell. Worüber sollte man noch schreiben, wenn Netizens, Journale und Fernsehen keinen Stoff für weitere “Sprachkolumnen” böten?
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Man könnte nun rebellieren und weiter, umso selbstbewusster, von allerlei sprachlichen Subversitäten berichten. Ich möchte mir jedoch die Freiheit nehmen, die angeordnete Sprachlosigkeit etwas zu zelebrieren, und mich anderen Themen widmen. Um aber gleichzeitig unser monatliches Bedürfnis an Internetstoff zu befriedigen, in einer Form, die weitestgehend ohne Sprache auszukommt, habe ich ein kleines Bilderrätsel erstellt. Es dürfte an vergangene Artikel erinnern. Die Lösung findet ihr am Ende des Artikels.
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Die Bilder sind der momentan für alle ZOler zum Ausprobieren freigeschalteten Datenbank “China Picture Storybook Database” entnommen. Durchstöbert man die Datenbank, erhält man einen kleinen Einblick in die Welt chinesischer “Bildergeschichten”: Viele revolutionäre Geschichten, einige dienen mehr oder minder subtil der linientreuen Erziehung in Reform-und Öffnungszeiten, andere bieten weniger ideologisch verzeichnete Einblicke in chinesisches Leben. So sind die beiden künstlerisch durchaus ansprechenden Rätsel-Bilder einer Variante der Novelle “Das Leben” von Lu Yao entnommen. Stilistisch sind die “Bilderbücher” sehr unterschiedlich: Man findet sehr feine Zeichnungen und Drucke, wie man sie aus frühen chinesischen Zeitungs-Illustrationen kennt. Auch andere, immer noch mit feinen Strichen auskommende, jedoch weniger detailreiche “rote” Zeichnungen sind dabei. Genauso Comic- und Manga-Ähnliches, bis hin zu fast wie Ölmalerei wirkenden Kurzgeschichten. Die Datenbank enthält sowohl Einzelwerke, wie auch ganze Comic-Zeitschriften, jeweils aus Volksrepublik-Zeiten. Das Ganze scheint sich noch im Aufbau zu befinden, nicht jede Kategorie ist überhaupt, geschweige denn voll bestückt. Doch auch das gewährt Einblicke: In einer Kategorie, die gezeichnete Varianten von “Klassikern” verspricht, finden sich genau drei Werke: Die Reise in den Westen, Robinson Crusoe und der Glöckner von Notre-Dame. Jedoch auch unter den zweifelhaft-roten Comics finden sich Perlen der Zeichenkunst: Stilistisch wohl am auffälligsten und durchaus lesenswert ist die Biographie der als Feministin bekannten Qiu Jin秋瑾 (s.o.).
Lösung: 人生就像茶几 (上面摆满了杯具和洗具)
Odila Schröder
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Wissenschaftsmanagement – ein Berufsfeld für Sinologen?
Schon seit Langem richtet SHAN die Vortragsreihe „Sinologie in den Beruf“ aus, um Studierende über ihre beruflichen Perspektiven zu informieren. In diesem Jahr sollen universitätsnahe Berufe beleuchtet werden. Dr. Martin Gieselmann, Geschäftsführer des Südasien-Instituts der Universität Heidelberg, machte am 15. Januar den Anfang mit dem Thema „Wissenschaftsmanagement – ein Berufsfeld für Sinologen?“.
Gieselmann ist nicht nur Sinologe, er ist auch ein Alumnus unseres Sinologischen Instituts hier in Heidelberg und Gründungsmitglied von SHAN. Seinen Vortrag begann er mit einem Überblick über das Feld des Wissenschaftsmanagements in Deutschland. Das Arbeitsfeld kann sich nämlich in verschiedenen Ländern stark unterscheiden. In Deutschland handelt es sich um ein noch junges Gebiet, das kontrovers diskutiert wird.
Was ist Wissenschaftsmanagement? Ist es einfach ein moderner klingendes Wort für „Verwaltung“? Nein, es handelt sich sogar um das genaue Gegenteil. Der Wissenschaftsmanager arbeitet nicht nur vielseitiger, er gestaltet und entwickelt Strategien. Wie man sich das vorzustellen hat, zeigen Artikel der ZEIT und des SPIEGEL. Besonders im Zuge der Bologna-Reform, der Umstrukturierung vieler Universitäten und Studiengänge und der großen Zahl an Exzellenzinitiativen wird es immer wichtiger, dass jemand eben diese Vorgänge koordiniert – und zwar hauptberuflich. Gleichzeitig gibt es aber auch die Kritik, dass es in vielen Universitäten mehr Personen in der Verwaltung als in der Wissenschaft gibt. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von Dr. Uwe Thomas bezeichnet Wissenschaftsmanagement jedoch als „Stiefkind“ und gibt eine lange Liste von Empfehlungen, wie die deutsche Hochschullandschaft mithilfe des Wissenschaftsmanagements noch erfolgreicher werden kann.
Welche Qualifikationen braucht man als WissenschaftsmanagerIn? Anhand seines eigenen Werdegangs erläutert Gieselmann, dass eine Promotion (in seinem Fall im Fach Sinologie an der Universität Wien) zwar nicht unbedingt notwendig, aber extrem förderlich ist. Mindestens einen Master- oder Magister-Abschluss sollte man in jedem Fall vorweisen können. WissenschaftsmanagerInnen müssen sich in der Forschung und Lehre auskennen, um ihre Aufgaben der Koordination wahrnehmen zu können. Dazu gehören vor allem:
- Steuerung (Hochschul-und Forschungspolitik)
- Qualitätssicherung (Evaluation, Akkreditierung, Rankings)
- Strategie (Internationalisierung, Profilbildung im Wettbewerb)
- Personal und Organisation (Personal-u. Prozessmanagement)
- Finanzen (Controlling, Berichtswesen)
- Wissenschaftsmarketing
- Wissenschaftskommunikation (Öffentlichkeitsarbeit)
- Koordination von Bildungsnetzwerken
- Bildungsmanagement (Konzepte für Aus-und Weiterbildung)
- Nachwuchsförderung (Promotionskolleg)
Gieselmann kann folgende Trends beobachten: Die Verwaltungs-Jobs an den Hochschulen sind einer immer stärkeren Akademisierung unterworfen. Daher tun sich hier viele Perspektiven für diejenigen Akademiker auf, die nicht unbedingt selbst forschen wollen, sondern lieber die Forschung und Lehre anderer koordinieren. In Deutschland sind schon mehrere Sinologen in diesem Bereich tätig. Und obwohl es inzwischen an vielen Hochschulen den Studiengang Wissenschaftsmanagement gibt (Speyer, Ulm...), sind im Moment über 70% der Wissenschaftsmanager Quereinsteiger und bringen reichhaltige Erfahrung aus Wissenschaftsbetrieben oder Stiftungen mit.
Den nächsten Vortrag der Reihe „Sinologie in den Beruf“ findet am Mittwoch, den 22. April 2015, um 18:00 Uhr im Konfuziusinstitut, Speyerer Str. 6 statt. Petra Thiel, Leiterin des Konfuzius-Instituts Heidelberg, referiert zum Thema “Kultur- und Bildungsarbeit zwischen China und Deutschland am Beispiel des Konfuzius-Instituts”.
Mariana Münning
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Wasser – das Gold des 21. Jahrhunderts
"Wasser verspricht im 21. Jahrhundert das zu werden, was Öl im 20. Jahrhundert war: ein wertvolles Gut, das den Wohlstand der Nationen bestimmen wird."
China und das „blaue Gold“ war Hauptgegenstand eines Vortrags von Prof. Dr. em. Malte Faber am 21.01.2015 im Hörsaal des Alfred-Weber-Instituts in Bergheim. Die im Jahr 2008 in den USA gegründete internationale Studierendenorganisation Global China Connection (GCC), die sich für den kulturellen Austausch zwischen China und der Welt einsetzt, hatte den Vortrag organisiert, zu dem sich chinesische und deutsche Studierende, sowie Dozenten und Interessierte verschiedenster Fachrichtungen eingefunden haben.
Prof. Dr. Malte Faber ist emeritierter Professor des Alfred-Weber-Instituts der Universität Heidelberg und übt weiterhin verschiedene Beratungstätigkeiten aus. Er hat von 1959 bis 1964 Volkswirtschaftslehre, Statistik und Mathematik an der Freien Universität Berlin, sowie an der University of Minnesota studiert und 1973 am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre habilitiert. Im gleichen Jahr erhielt er einen Ruf an den Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie an der Universität Heidelberg. Zu seinen Interessengebieten zählt außer Mathematik, Physik und Volkswirtschafts-lehre insbesondere die Umweltökonomik. Seit 2007 ist er daher im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in der Volksrepublik China Umweltberater bei der Zentralregierung in Peking, sowie bei verschiedenen Provinzregierungen und lokalen Behörden.
Gleich zu Beginn wies Prof. Dr. Faber darauf hin, dass sein Vortrag vielmehr eine Schilderung von Eindrücken werden sollte, als eine rein-wissenschaftliche Präsentation, da er sich selbst nicht als China-Experte betrachte. Dafür gelang es ihm mehr als nur den ein oder anderen durch seine zum Teil sehr persönlichen Schilderungen zum Nachdenken anzuregen. Anlässlich des Themas „China aus der Sicht eines ökologisch-ökonomischen Beobachters“ begann er damit zu berichten, wie er dazu kam, sich näher mit dem chinesischen Kulturkreis zu beschäftigen. Dies geschah nicht, wie man zunächst vielleicht erwartet hätte, durch seine Tätigkeit als Ökonom, sondern über die Zen-Meditation. Während er zunächst bei Pater Willigis Jäger OSB die Meditation erlernte und so auch zum Christentum kam, ist er seit 1993 selbst Zen-Lehrer. Alles was er heute tut, ist laut eigener Angabe von der Meditation getragen.
Zum Thema Wasser kam er über eine Studie eines Studenten, der bei ihm promovierte. Für ihn ist Wasser ein wichtigerer Produktionsfaktor als Energie, da es schwerer zu handhaben ist und nahezu unmöglich über weite Strecken zu transportieren. Gleichzeitig ist Wasser für uns heute noch fast umsonst. Dies wird sich wie oben prognostiziert in naher Zukunft ändern. China ist für ihn ein Land mit einer sehr reichen Kultur, ein Land in dem man spürt, wie das Leben auf den Straßen vibriert, aber auch ein Land mit sehr viel Gewalt. Durch seine China-Reisen habe er erkannt, wie wichtig politische Stabilität ist, auch als Voraussetzung für eine intakte Umwelt. Das Potential der Chinesen sieht er in ihrer Kreativität, ihrer Ausdauer und ihrem Erfindungsreichtum. Diesen begründete er mit der Erfindung der ersten Druckerpresse, des Porzellans, des Schießpulvers und anderen Beispielen, die Sinologie-Studierenden nicht unbekannt sind. Besonders beeindruckt zeigte er sich von der chinesischen religiösen und philosophischen Tradition. Am Beispiel des am Berg hängenden Hengshan-Tempels und seiner „Halle der drei Religionen“ in der Provinz Shanxi verdeutlichte er diese, seiner Meinung nach enorme religiöse Toleranz. Er betrachtet diese Potenziale nicht nur als wertvoll für China selbst, sondern die Welt als Ganzes. So hat China beispielsweise auf die Welt bezogen mehr zur Armutsbekämpfung beigetragen als jedes andere Land.
Aber was hat dies nun mit Wasser und Umwelt zu tun?
Pro-Kopf betrachtet ist China im Ländervergleich immer noch ein armes Land und nach Ansicht des Redners liegt seine größte Schwäche in der Geringschätzung des Produktionsfaktors Wasser. Schon jetzt herrscht im Norden ein akuter Wassermangel und im Süden gibt es einen Überhang an dem „blauen Gold“. Oft kann das Wasser aus den Flüssen aufgrund von Verunreinigungen nicht verwendet werden und nur in 2/3 der Städte existieren Wasseraufbereitungsanlagen. In einer Studie hat er zusammen mit Kollegen errechnet, dass um Chinas Wasserprobleme zu lösen, ein Kanal so breit wie der Rhein und 5000 Km lang notwendig wäre, der zusätzlich über Gebirgsterrain verläuft.
Eine Lösung des Wasser- und Umweltproblems kann seiner Meinung nach nur in einer Kombination aus Top-down und Bottom-up Maßnahmen bestehen. Außerdem sieht er einen Zusammenhang zwischen dem Einkommensniveau und dem Umweltbewusstsein, welches sich erst ab einem bestimmten Einkommensniveau einstellt. Gewässerschutz hängt außerdem mit einer Zeitverschiebung zusammen, die auftritt bis ergriffene Maßnahmen eine Wirkung zeigen. Dies muss bei einer langfristigen und nachhaltigen Planung mit einbezogen werden. Weitere Probleme sieht er in der Korruption und der teilweise willkürlichen Anwendung des Rechtssystems.
Insgesamt betrachtet war der Vortrag sehr lohnenswert und von einem eher selten gesehenen Blickwinkel ausgehend. Oder um ihn mit den Worten eines Mit-Sinologie-Studierenden zu bewerten:
„Manchmal interessant, oft erschreckend und nie langweilig.“
Fabienne Wallenwein