Newsletter September 2013 Nr. 72

INHALT

Sinologie in den Beruf

Marina Rudyak, welche die Vortragsreihe „Sinologie in den Beruf“ mitbegründet hat, war am 26. Juni im Sinologischen Institut zu Gast und hat einen sehr spannenden Einblick in ihre Arbeit bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) gegeben. Sie ist selbst über ein Praktikum zu ihrer jetzigen Stelle gekommen, bei dem sie ein Projekt der GIZ in Kirgistan betreut hat. Bei ihrer jetzigen Arbeit stehen vor allem die Bereitschaft, sich in neue Themengebiete einzuarbeiten, sowie eine hohe Flexibilität im Vordergrund.

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Sprachkolumne: Von Pferden und Tigern

Idiome können Anlass zu verzweifeltem Nachschlagen, Verwirrungen und Verirrungen sein. Sie können aber ebenso wilde Bilder entstehen lassen oder aus falschen Bildern entstanden sein. In dieser Sprachkolumne werden wir Zeuge einer phantastischen Suche nach Pferden und Tigern.

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Als Sinologe in die Stiftungsarbeit

SHAN-Gründungsmitglied Oliver Radtke berichtete im Rahmen der Vortragsreihe „Berufsperspektive Quereinstieg“ des Career Service der Universität Heidelberg von seinem Werdegang und seiner aktuellen Tätigkeit in der Robert Bosch Stiftung. Dabei gab er hilfreiche Tipps zur Karriereplanung und Bewerbungsabläufen, die nicht nur für Sinologen interessant sein können.

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Von Mannheim nach Shanghai: Wilhelm Mann (1916-2012)

In den Wirrungen des zweiten Weltkrieges gelangt ein Arzt nach China. Dort wird er Teil einer illustren Gesellschaft all derer, die sein Schicksal teilen. Ebenso interessant ist aber die Rückkehr dieses Mannes, dessen Heimat nie ganz dort, nie ganz hier war.

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Rezension: Shanghai fern von wo

Der Roman „Shanghai fern von wo“ von Ursula Krechel gewährt einen Einblick in das Leben jüdischer Flüchtlinge in Shanghai zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Janina Heker erzählt von ihren Eindrücken der Lektüre.

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Restaurantkritik: Asia - Sichuan am Neckar

Das Restaurant „Asia“ mit Blick auf die Alte Brücke wird häufig von chinesischen Reisegruppen angesteuert, auch das SHAN-PR-Team zieht es von Zeit zu Zeit dorthin.

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Sinologie in den Beruf: Marina Rudyak über ihre Arbeit bei der GIZ China

Im Juni 2013 freute sich SHAN ganz besonders Marina Rudyak, Mitbegründerin der Reihe „Sinologie in den Beruf“ für einen Vortrag über ihre Arbeit bei der GIZ China gewinnen zu können. Rudyak studierte Moderne Sinologie, Klassische Sinologie und Öffentliches Recht in Heidelberg und arbeitet seit ihrem Magister-Abschluss 2009 für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Peking.

GIZ, früher: Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, was ist das überhaupt? Die GIZ ist ein Bundesunternehmen, das heißt, ein Dienstleister, mit dessen Hilfe die Bundesregierung in über 130 Staaten nachhaltige Entwicklung fördert. Hauptauftraggeber ist somit das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Konkret bedeutet dies, dass Mitarbeiter der GIZ entwicklungspolitische Projekte im Auftrag der Bundesregierung umsetzen. Dies können beispielsweise Verwaltungsreformen und das Vorantreiben des Schutzes von Frauen vor Gewalt in Pakistan sein. Oder aber die Etablierung umweltfreundlicher Energien in Brasilien, eine Reform des Ausbildungssystems von Jugendlichen in Ägypten, Finanzierungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen in Indien und und und.

Als Sinologen interessiert uns natürlich besonders die Arbeit der GIZ in China, deren Programm sich hier in den letzten 25 Jahren immer wieder stark gewandelt hat. So konzentrierte sich die GIZ in den 1980er Jahren zunächst auf die Entwicklung des ländlichen Raums und die Bekämpfung der Armut, während in den 1990ern eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, die Förderung des privaten Sektors und Projekte im Bereich der beruflichen Weiterbildung im Vordergrund standen. Seit den 2000ern umfasst die Arbeit der GIZ zudem Umwelt- und Klimaschutz, Energieeffizienz sowie sozialpolitische Themen. Da China sich schon länger nicht mehr als Entwicklungsland sieht, findet die Zusammenarbeit mit der GIZ seit 2010 offiziell im Rahmen der Deutsch-Chinesischen Strategischen Partnerschaft statt. Hierzu gehört zum Beispiel der Rechtsstaatdialog. Ein Großteil der Mitarbeiter kommt aus China; Hauptaufgabe der deutschen GIZler ist neben der Beratung zunehmend das Networking, das heißt das Zusammenbringen der richtigen Leute mit dem gewünschten Knowhow.

Wie nun kommt man zur GIZ? Zunächst einmal sollte man, so Rudyak, ein mehrmonatiges Praktikum absolviert haben. Die GIZ schreibt regelmäßig – vergütete – Praktikantenstellen auf ihrer Homepage aus. Oder aber man bewirbt sich initiativ, wie dies Rudyak während ihres Studiums für ein Projekt in Kirgistan gemacht hat. Wer bei der GIZ nach dem Studium angestellt wird – Geisteswissenschaftler werden übrigens zunehmend gesucht – arbeitet zunächst über einen Zeitraum von fünf Jahren in mehreren Projekten gleichzeitig. Danach wird circa ein Drittel der Mitarbeiter fest übernommen. Aber aufgepasst: Die Arbeit bei der GIZ ist nicht für jeden geeignet. Parallel an mehreren Projekten arbeiten, verlangt ein hohes Maß an Flexibilität. Im Gegensatz zur Uni wird man hier zum Generalisten statt Spezialisten und jettet alle paar Wochen quer durch die Welt; Privatleben ist nur eingeschränkt möglich. Auch ist man nicht dauerhaft in einem Staat, sondern rotiert – ähnlich wie beim Auswärtigen Amt – im Schnitt alle vier Jahre und wechselt das Land. Wer sich dessen allerdings bewusst ist und bereit ist diesbezügliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen, den erwarten hoch spannende Projekte! Also, liebe Sinologen, überlegt es euch und bewerbt euch!

 

Andrea Warlies

 

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Sprachkolumne: Von Pferden und Tigern

Über das Idiom 马马虎虎 stolpern die meisten Lernenden bereits am Anfang ihres langen Pfades zur Meisterung der chinesischen Sprache. Die wörtliche Übersetzung, wie so viel im manchmal doch sehr verwirrenden Mandarin, ergibt recht wenig Sinn. 马马虎虎 (mamahuhu) bedeutet etwa „solala“, „nichts Besonderes“ oder „mittelmäßig“. Wird das Idiom aber Zeichen für Zeichen übersetzt, steht man mit einem wenig aussagekräftigen „Pferd Pferd Tiger Tiger“ da.

Als Sinologin, deren Karriere noch in den Kinderschuhen steckt, möchte ich natürlich mein Bestes geben dieser Kuriosität auf den Grund zu gehen und zerbreche mir schon seit Stunden den Kopf darüber, was Pferde wohl mit Tigern zu tun haben könnten. Aber vor allem: Wieso sind beide zusammen nur „solala“? Ich persönlich halte sowohl Tiger als auch Pferde für recht eindrucksvolle Tiere, und gleich zwei von jeder Sorte sind in meinen Augen weit mehr als nur „solala“. Außerdem ist mir der Zusammenhang zwischen Tigern und Pferden unklar. Zwar sind beide Säugetiere und in der Reihe der chinesischen Tierkreiszeichen wiederzufinden, aber ich sehe nicht, wie mir diese Informationen hier weiterhelfen können. Je weiter ich darüber nachgrüble, desto abstruser und grotesker werden die Ideen und Überlegungen, die ich mir zusammenspinne: Wenn man eine Herde Pferde mit einem Rudel Tiger zusammenlässt, zerfleischen die Tiger vermutlich die Pferde und man hätte nur noch die Tiger. Das wäre wahrscheinlich ein ungewünschtes Resultat, und daher nur mittelmäßig, nur 马马虎虎, überlege ich – schätze diese Idee wenig später aber als unrealistisch ein, als mir einfällt, dass Tiger sind Einzelgänger und niemals im Rudel jagen würden.

Nachdem mein Kopf schon vom Wiehern und Brüllen imaginärer Pferde und Tiger schmerzt und meine Überlegungen mich noch nicht weitergeführt haben, als dass die Chinesen vielleicht einfach nur ein lustig klingendes Wort benutzen wollten. Das deutsche „solala“ klingt in meinen Ohren auch eher nach willkürlich zusammengeworfenen Silben als nach dem ernsthaften Versuch ein Wort bilden zu wollen. Schließlich ringe ich mich dazu durch ein Wörterbuch zu Rate zu ziehen. Ein Fehler. Zwar bestätigt mich mein sonst hilfreicher Begleiter in Buchform in der Bedeutung des Idioms, allerdings lässt er mich auch wissen, dass sich die Bedeutung verändert, wenn ein Pferd und ein Tiger herausgestrichen werden. Da steht: “马虎 (mahu) nachlässig, unachtsam, fahrlässig.“ Zwei Tiger und zwei Pferde sind nur mittelmäßig, aber trotzdem bin ich – wenn ich jeweils einen von beiden vergesse – nachlässig und unachtsam? Verwirrter und verzweifelter als zuvor führe ich meine Suche nach Pferden und Tigern im Dschungel der chinesischen Schriftzeichen und Idiome fort und stoße schließlich auf einige Geschichten, die versuchen das Idiom 马马虎虎zu erklären; die am weitesten verbreitete stammt aus der Song-Dynastie:

 Ein Maler hatte gerade begonnen ein Bild eines Tigers zu malen, tatsächlich hatte er bereits den Kopf fertig gemalt, als ein Kunde ein Gemälde eines Pferdes in Auftrag gab. Der faule Maler überlegte nicht lange und beendete sein Gemälde schnell, indem er an den Kopf des Tigers einen Pferdekörper malte. Verständlicherweise befand der Kunde das Gemälde als nicht zufriedenstellend, als solala, mittelmäßig, als 马马虎虎 und kaufte es nicht.

So kam es, dass jenes Gemälde im Atelier des Malers blieb. Als eines Tages der erste Sohn des Malers fragte, um was für ein Tier es sich handle, antwortete der Vater: „Ein Tiger.“ Ein anderes Mal fragte der zweite Sohn seinen Vater dasselbe und erhielt die Antwort: „Ein Pferd.“ Als Jahre später der ältere Sohn zum ersten Mal ein Pferd erblickte, hielt er es für einen Tiger und tötete es. Der Vater musste für den Schaden, den sein Sohn verursacht hatte, aufkommen und war finanziell ruiniert. Der zweite Sohn aber traf im Wald auf einen Tiger, hielt ihn für ein Pferd und versuchte aufzusteigen. Der Tiger tötete ihn. Nun hatte der Maler einen Sohn verloren und war in den Ruin getrieben worden – nur weil er nachlässig, fahrlässig, 马虎 gehandelt hatte.

Übrigens: 马马虎虎 kann ab und zu auch, genau wie 马虎, „nachlässig“ bzw. „fahrlässig“ bedeuten.

 

Julia Junger

 

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Als Sinologe in die Stiftungsarbeit

In der Vortragsreihe "Berufsperspektive Quereinstieg" des Career Service der Universität Heidelberg berichtete SHAN-Gründungsmitglied Oliver Radtke über Wege in die Stiftungsarbeit.

Oliver Radtke studierte Moderne Sinologie, Geschichte und Philosophie in Heidelberg und Shanghai. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst als Fernsehreporter in Singapur, anschließend war leitender Redakteur bei dem Projekt "Deutschland und China - gemeinsam in Bewegung".  Er schrieb mehrere Bücher, war als freier Journalist tätig und begann 2010 eine Promotion in Heidelberg. Ein Jahr später erhielt er das Angebot der Robert Bosch Stiftung und ist seither Leiter des China-Programms.

Die Robert Bosch Stiftung gehört zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Sie fördert Projekte der Bereiche Wissenschaft, Gesundheit, Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur. In Bezug auf China werden eine Reihe unterschiedlicher Projekte der Bereiche Good Governance, Medien, Bildung und Kultur unterstützt.  So wird zum Beispiel der praxisorientierte Austausch von Richtern organisiert oder der Dialog zwischen deutschen und chinesischen Journalisten gefördert. Mit dem Programm „Medienbotschafter China – Deutschland“  werden junge Journalisten mittels dreimonatiger Stipendien zum Austausch nach China bzw. nach Deutschland geschickt. Ein ähnliches Projekt wurde mit dem „Medienforum“ auf der Ebene der Chefredakteure dieses Jahr bereits zum vierten Mal durchgeführt. Für Sinologen ist z. B. das Lektorenprogramm in Osteuropa und China interessant, welches Hochschulabsolventen die Möglichkeit gibt Erfahrungen bei Projektarbeit und Deutschunterricht in China zu sammeln.

Zwar sind Jobs in Stiftungen rar, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Als Einstieg bieten sich vergütete Praktika, die Anstellung als Werkstudent oder halbjährige Hospitanzen direkt nach dem Studienabschluss an. Generell rät Radtke, keine Scheu zu haben sich direkt zu bewerben. Für Berufseinsteiger eignen sich beispielsweise Stellen als Projektassistenz.  Eine wichtige Eigenschaft sollte man mitbringen: Begeisterungsfähigkeit. Ob im Bewerbungsgespräch oder im Job, es ist immer wieder von Nöten andere davon zu überzeugen, das eigene Vorhaben zu unterstützen. Inhalte und deren Relevanz an Außenstehende vermitteln zu können, ist gerade für Sinologen wichtig. Ehrenamtliches Engagement wird von Studenten bei Bewerbungen oft unterschätzt: Oftmals heben gerade diese Erfahrungen die eigene Bewerbung von denen anderer ab und können darüber hinaus im Beruf dienlich sein.

Radtke verkörpert zwar weniger deutlich den Quereinsteiger als andere Vortragende der Reihe, die sich beispielsweise "von der Chemikerin zum Coach" oder "Vom Lehrer zum IT-Berater" entwickelten. Als gemeinsames Fazit der Vortragsreihe gilt jedoch: Nicht nur eine geradlinig durchgeplante Karriere führt zu Erfolg und Glück. Oft kommt es nun einmal anders als geplant. Wichtig ist es Erfahrungen zu sammeln und einen Beruf zu finden, den man mit Leidenschaft ausführen kann.



Janina Heker

 

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Von Mannheim nach Shanghai: Wilhelm Mann (1916-2012)

Im letzten Herbst starb der wenig bekannte Arzt Wilhelm Mann in Berlin. Vermutlich hatte er in China mehr Freunde (und Patienten) als in seinem Heimatland.  Ende der dreißiger Jahre floh der 1916 in Mannheim geborene, nach dem Abitur in Heidelberg studierende junge Mann nach Ostasien; den übrigen Familienmitgliedern gelang die Flucht in andere Länder.

Er traf offenbar 1939 in Shanghai ein und benutzte den chinesischen Namen Meng Weilian 孟威廉. Er verbrachte die ersten Kriegsjahre vor allem in der südwestchinesischen Provinz Guizhou, wo er einige andere europäische Ärzte traf, die teilweise vorher am Spanischen Bürgerkrieg teilgenommen hatten. (Vgl. SHAN-Newsletter Nr. 44 Juni 2010) Dort hielt sich auch vorübergehend die amerikanische Journalistin Agnes Smedley auf, die in den zwanziger Jahren in Deutschland gelebt hatte. (Vgl. SHAN-Newsletter Nr. 42 März 2010) Dieses Gebiet wurde von der Nationalen Volkspartei (KMT) kontrolliert, die eine Flucht der ausländischen Ärzte in den kommunistischen Norden verhindern wollte.

1946 ließ sich Mann in Shanghai nieder, wo er sein Studium an der St John’s University abschließen und gleichzeitig biochemische Forschung betreiben konnte. Hier traf er viele mitteleuropäische Flüchtlinge, die die Kriegsjahre in Shanghai verbracht hatten und größtenteils 1947 abreisten. Nach der Gründung der Volksrepublik China wechselte er zur Akademie der Wissenschaften in Beijing. In den fünfziger Jahren beantragte er von dort aus einen Pass der DDR. Mitte der sechziger Jahre verließ er die Volksrepublik und zog nach Ostberlin. (Er hatte in China geheiratet, seine Frau durfte ihn jedoch nicht begleiten.)

Bis zu seiner Pensionierung arbeitete er an der Berliner Charité und blieb auch nachher in der Stadt. Er heiratete noch einmal und konnte mit seiner neuen Frau in den neunziger Jahren China besuchen. Zu dieser Zeit wurde er auch von mehreren Journalisten und Wissenschaftlern interviewt. Seine wissenschaftlichen Aufsätze erschienen in Chinese Journal of Physiology, Kexue tongbao, Zhongguo shenglixue zazhi, etc .


Literatur:

Meng Weilian: Wo suo renshi de Wang Debao xiansheng, Shengming de huaxue, 2003/2.

Guoji yuan Hua yiliaodui zai Guiyang, Guiyang, 2005.

T. Kampen: Chinesen in Europa - Europäer in China, Gossenberg, 2010.


Dr. Thomas Kampen

 

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Rezension: Shanghai fern von wo

Seit Ursula Krechel 2012 den Deutschen Buchpreis für ihren Roman „Landgericht" erhielt, findet man auch erstmals den 2008 erschienenen Roman „Shanghai fern von wo" stapelweise in den Buchhandlungen. „Shanghai fern von wo“ ist zwar als Roman angelegt, beruht jedoch auf umfangreicher Recherchearbeit der Autorin. Krechel stützt sich auf Lebensberichte von Shanghai-Juden, deren Briefwechsel, mündliche Erzählungen und Archivmaterial. Beim Lesen verschwimmen manchmal die Grenzen zwischen Romangeschehen und Krechels Schlussfolgerungen aus der Quellenlage. Sie weist immer wieder auf Leerstellen hin, lässt Unklarheiten offen und stellt Fragen.

Der Roman erzählt die Geschichten verschiedener Flüchtlinge, die als Einzelne oder als Familie kamen, deren Leben miteinander verwoben sind. Teils durchlaufen sie nur dieselben Stationen, teils verbinden sie enge Freundschaften. Die Zeitspanne umfasst die Flucht aus Deutschland oder Österreich, die Zeit des Sich-Durchschlagens in Shanghai bis zu den Versuchen Einzelner nach dem Krieg wieder in einer neuen oder alten Heimat Fuß zu fassen.

Für die Flüchtlinge war Shanghai keineswegs eine Wunschstation, sie litten stark unter der Hitze und den hygienischen Zuständen in Shanghai. Dort angekommen, wurden sie in überfüllten Wohnheimen untergebracht. Den Überlebenskampf, geprägt von Krankheit und Unterernährung, Heimatlosigkeit und der Frage, ob man Shanghai noch lebend verlassen wird, sollte manch einer nicht überleben. Ehemals gut situierte Flüchtlinge mussten feststellen, dass ihre Qualifikationen in Shanghai nicht gefragt waren. Was nützte beispielsweise ein österreichischer Anwalt, der das chinesische Recht nicht kannte und ohnehin kein Wort Chinesisch verstand? Praktisches Geschick dagegen war gefragt, ob als Bäckerin, Buchhändler oder Uhrmacher. Es entwickelte sich eine eigene kleine Welt mit Geschäften und Cafés, was romantisiert "Klein Wien" genannt wird. Allerdings verschlechterte sich die Situation der Flüchtlinge deutlich, als 1943 alle Juden gezwungen wurden in das neu eingegrenzte Gebiet des Ghettos von Hongkou überzusiedeln und selbiges nur noch mit Passierschein verlassen durften.

Wenn Krechel die unerträglichen Zustände in Shanghai beschreibt, wo Tote auf den Straßen kein seltener Anblick waren, so tut sie dies ohne etwas zu verschleiern, aber dennoch respektvoll. Sie zeichnet Lebenswege auf und geht dabei auf Dinge ein, an die man in der Regel erst einmal nicht denkt. Daran, dass das Leben mit Geburt und Tod weiter geht, oder was aus Flüchtlingen nach ihrer Flucht wird. So erfährt man von scheinbar absurdem Festhalten an der Ordnung, als z.B. Max Rosenbaum seinen neugeborenen Sohn registrieren lassen möchte - und sich ausgerechnet an das Nazi-Konsulat in Shanghai wendet. Auch nach Kriegsende gehen die Schwierigkeiten für die Flüchtlinge weiter, wie man beispielsweise anhand des ehemaligen Buchhändlers Ludwig Lazarus erfährt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kämpft er jahrelang um Anerkennung und Entschädigung für die Ghettoisierung in Shanghai.

Zwar wäre der Roman wohl auch mit ein paar weniger Handlungssträngen ausgekommen und dann überschaubarer für den Leser gewesen. Jedoch vermittelt gerade diese Überfrachtung nicht nur ein umfangreiches Bild verschiedener Lebensläufe, sondern auch das Chaos und die unmögliche Situation, in der sich die Flüchtlinge befanden. Der Einzelne ging leicht unter in der Masse der Flüchtlinge, mitten in einer ohnehin von armen Menschen überfluteten Stadt.

Fazit: Lesenswert!

 

Janina Heker

 

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Restaurantkritik: Asia - Sichuan am Neckar

In unmittelbarer Nähe zur Alten Brücke, in der Haspelgasse 2 gelegen, ist das Asia ein fester Bestandteil in den Heidelberg-Touren chinesischer Reisegruppen. Grund genug, einmal zu überprüfen, ob das Asia mehr ist, als eine bloße „Touristenfalle“.

Die Lage des Asia überzeugt sofort.  Da man bei gutem Wetter draußen, gegenüber der Alten Brücke sitzen kann, konnte das PR-Team seine chinesischen Lieblingsgerichte mit Neckarblick genießen. Für Ruhe Suchende ist dieser Platz nur bedingt zu empfehlen, da hier aufgrund der Touristenströme stets etwas Trubel herrscht, der erst gegen Abend abebbt.

Auf der Karte des Asia stehen Speisen aus Sichuan, zubereitet vom „Meisterkoch aus Chengdu“, wie das Restaurant auf seiner Internetseite berichtet. Das vielfältige Angebot reicht von Fisch und Meeresfrüchten über verschiedene Fleischgerichte bis zu vegetarischen Speisen.  Das PR-Team entschied sich für 鱼香牛肉丝, 宫保豆腐, 罗汉菜, 麻婆豆腐und 水煮鱼片. Auffallend positiv war die schnelle Zubereitungszeit. Die Gerichte schmeckten ausgezeichnet und waren frisch zubereitet, von eintönigen Fertiggerichten, wie man sie in einer Touristenhochburg erwarten würde, keine Spur.  Einziges Manko: Die erhoffte Sichuan-Schärfe wurde an den europäischen Gaumen angepasst.

Preislich liegt das Asia, vermutlich lagebedingt, etwas über den anderen chinesischen Restaurants Heidelbergs. Die Hauptgerichte kosten zwischen 9,50€ für 罗汉菜 und 19€ für 四川干焼大虾. Inklusive der Getränke – von der Weinschorle sei hier abzuraten – bezahlte das PR-Team für sechs Personen 73, 90€.

Angesichts der Preise dürfte das Asia für die meisten Studenten eher etwas für besondere Anlässe oder den Monatsanfang sein. Aufgrund seiner Lage eignet sich das Restaurant aber wunderbar um Besuch auszuführen und das Flair der Heidelberger Altstadt zu genießen. Dabei entschädigt der Ausblick auf die Alte Brücke und der exzellente Geschmack der Gerichte für den einen oder anderen Euro mehr.

 

Anna Schiller

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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