Newsletter Mai 2008 Nr. 22

INHALT

2. Vollversammlung

Am 8. Mai fand die 2. Mitgliedervollversammlung von SHAN statt. Wichtigstes Thema war die Wahl des neuen Vorstands. Zur Vorsitzenden wurde Josie-Marie Perkuhn gewählt, die damit Mareike Ohlberg ablöst. Eine ganze Reihe neuer Gesichter wird für frischen Wind im Vorstand sorgen. Neben der Vorsitzenden neu dabei sind die erste Stellvertreterin Hanni Truong, die Schriftführerin Simone Müller und der Beisitzer Thomas Kampen. Die Kontinuität wird gewahrt durch den zweiten Stellvertreter Johannes Lejeune, Kassenwart Eva Krumbiegel und Beisitzerin Cora Jungbluth, die alle bereits im scheidenden Vorstand saßen.

Weitere Themen der Versammlung waren die Entlastung des alten Vorstands und die Vorstellung der im letzten Jahr verwirklichten Projekte. Der Mitgliedsbeitrag wurde erneut auf mindestens 15 Euro jährlich festgelegt.


Neues vom Exzellenzcluster

Im Oktober letzten Jahres wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative das Cluster "Asia and Europe in a Global Context: Shifting Asymmetries in Cultural Flows" bewilligt, an dem das Zentrum für Ostasienwissenschaften beteiligt ist. Das macht sich auch am Institut für Sinologie bemerkbar. SHAN möchte Sie an dieser Stelle über die aktuellen Ereignisse im Cluster informieren.

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Egon Erwin Kisch und sein Buch China geheim im Jahre 1933

Zu den im Mai 1933 in Deutschland verbrannten Büchern gehörte auch das erst im Januar des gleichen Jahre erschienene Werk China geheim von Egon Erwin Kisch, sowie andere Werke dieses Autors. Kisch hatte im Frühjahr 1932 China besucht, war im Herbst über Moskau nach Deutschland zurückgekehrt und hatte im Dezember das Manuskript fertig gestellt.

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Victor und Leontine Goldschmidt und die Ursprünge der Heidelberger Sinologie

Vor 75 Jahren starb - am 8. Mai 1933 - der achtzigjährige Naturwissenschaftler Victor M. Goldschmidt in Salzburg. Der am 10. Februar 1853 in Mainz geborene Goldschmidt hatte 1888 die aus Prag stammende Leontine Edle von Portheim (1863-1942) geheiratet und mit ihr in Heidelberg die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst gegründet. So hatte er wesentlichen Anteil am Aufbau der Heidelberger Sinologie.

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Veranstaltungskalender

Kino: 10 Fragen an den Dalai Lama

23. - 31.05.08, Karlstorkino, Heidelberg: Dem amerikanischen Filmemacher Rick Ray wurde eine 45-minütige Audienz beim 14. Dalai Lama gewährt, in der er zehn Fragen stellen durfte. Die Anfangszeiten der Vorstellungen finden Sie hier

Kino: KeKeXiLi - Mountain Patrol

23.05.08, 19 Uhr, 24., 25. und 28.05.08, 21.15 Uhr, Kinemathek - Das Kino, Karlsruhe: Chinesischer Actionfilm von Lu Chuan mit Duo Bujie, Zhang Lee und Qi Liang.

Diavortrag: China - Der Westen und Tibet

23.05.08, Akademie der Älteren, Heidelberg, 15 Uhr.

Vortrag: Ethnicity, Inc.

10.06.2008, 19 Uhr, DAI, Heidelberg: Vortrag im Rahmen der Exzellenzinitiative: "Transculturality - Theories and Explorations" von Prof. Jean Comaroff (Chicago)


Neues vom Exzellenzcluster

Im Oktober letzten Jahres wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative das Cluster "Asia and Europe in a Global Context: Shifting Asymmetries in Cultural Flows" bewilligt, an dem das Zentrum für Ostasienwissenschaften beteiligt ist (SHAN berichtete NL 07-11). Das macht sich auch am Institut für Sinologie bemerkbar. SHAN möchte Sie an dieser Stelle über die aktuellen Ereignisse im Cluster informieren.

Zunächst noch einmal das Cluster in Kürze: Für einen Zeitraum von insgesamt fünf Jahren steht eine Summe von knapp 40 Millionen Euro zur Verfügung. Grundidee des Clusters ist, dass Globalisierung und der damit einhergehende Austausch von Gedanken und Kulturgut schon seit Jahrhunderten stattfindet. Ziel des Clusters ist es, diese transkulturellen "Flows" zwischen und innerhalb von Europa und Asien zu erforschen. Vor allem soll dabei die künstliche Einteilung in nationale und thematisch getrennte Einzelwissenschaften aufgehoben werden. Beteiligt sind neben dem Zentrum für Ostasienwissenschaften das ZEGK, das ZAW, das SAI, der Sonderforschungsbereich 619 sowie diverse andere Institute.

Derzeit steckt das Cluster in der etwas hektischen Phase der Bewerbungs- und Auswahlrunden.

Die ersten Forschungsprojekte wurden bereits Ende 2007 eingereicht und die bewilligten Projekte können inzwischen auf der Webseite des Clusters eingesehen werden. Die Frist für die zweite Runde an Projektanträgen ist vor wenigen Tagen verstrichen, die nächste soll am 15. November folgen.

Bis zum 1. Mai bewarben sich Graduierte auf die Doktorandenstipendien, die im Rahmen des Clusters vergeben werden sollen. Für 2008 stehen 16 Stipendienplätze zur Verfügung; davon sind 8 Plätze für Doktoranden aus Asien vorgesehen. Im nächsten Jahr wird es dann eine weitere Bewerbungsrunde geben.

Im April und Mai fanden im Senatssaal der Universität marathonartige Vorlesungsketten für die Auswahl der neuen Professuren statt. Insgesamt werden durch das Cluster fünf Professuren geschaffen: in Intellectual History, Visual and Media Anthropology, Art History, Buddhist Studies und Cultural Economic History. Interessant für die Studierenden ist, dass die neuen Professoren auch eine Lehrverpflichtung haben werden, so dass sich in den nächsten Jahren das Lehrangebot verbreitern wird.

Neben den Professuren findet zur Zeit auch die Auswahl der Leiter für die Junior Research Groups statt, die in den vier Bereichen des Clusters - Regierungskunst und Verwaltung, Öffentlichkeit und Medien, Gesundheit und Umwelt sowie Geschichte und Kulturerbe – und außerdem im Bereich Translingual Concepts oder Transcultural Images forschen werden. Jede dieser Gruppen soll aus einem Postdoktoranden als Leiter sowie zwei bis drei Doktoranden bestehen.

Bereits im Kursangebot für das Sommersemester 2008 machen sich erste Veränderungen bemerkbar. Es gibt mehrere Seminare mit Bezug zum Cluster, so zum Beispiel das Hauptseminar "Alternative im Westen, Abschaffung im Osten: Gegenläufige Debatten zur Rolle der chinesischen Medizin in Asien und Europa 1900 – heute", sowie eine vierzehntägig stattfindende Ringvorlesung.

Die Studenten sollen aber nicht nur passiv am Cluster teilhaben, sondern sich auch aktiv einbringen. So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, anstatt des Pflichtpraktikums im Bachelor-Studiengang im Rahmen des Clusters bei der Organisation einer Konferenz, bei einem Antrag oder bei einem Forschungsprojekt mitzuwirken. Ebenfalls ermöglicht werden soll, anstatt eines Hauptseminars eine von einem Cluster-Mitglied betreute Hausarbeit zu einem Thema eigener Wahl zu schreiben.

In die nächste Phase tritt das Cluster im kommenden Wintersemester: Im Oktober beginnen die Junior Research Groups mit ihrer Forschung, die ersten der neuen Professuren sollen bis dahin besetzt sein, in der Graduiertenschule werden die ersten Kurse stattfinden. Außerdem wird das Cluster dann nicht länger ohne festen Raum sein, denn das Karl-Jaspers-Center in der Voßstraße 2, das als Hauptsitz des Clusters dienen wird, soll Anfang Oktober eingeweiht werden.


Mareike Ohlberg

 

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Egon Erwin Kisch und sein Buch China geheim im Jahre 1933

Zu den im Mai 1933 in Deutschland verbrannten Büchern gehörte auch das erst im Januar des gleichen Jahre erschienene Werk China geheim von Egon Erwin Kisch, sowie andere Werke dieses Autors. Kisch hatte im Frühjahr 1932 China besucht, war im Herbst über Moskau nach Deutschland zurückgekehrt und hatte im Dezember das Manuskript fertig gestellt.

Der am 29. April 1885 in Prag geborene Journalist gehörte zwischen den beiden Weltkriegen zu den bekanntesten deutschsprachigen Autoren. In den zwanziger Jahren lebte er in Berlin und unternahm Reisen in viele Länder, darunter die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion. Zu den bekanntesten seiner Bücher gehörten Der rasende Reporter (1924), Paradies Amerika (1930), Asien gründlich verändert (1932) und Abenteuer in fünf Kontinenten (1936). Kisch war erst der KPÖ, dann der KPD beigetreten, schrieb zahlreiche Artikel für linke Zeitungen und kannte viele linke Journalisten, Künstler, Schriftsteller und Wissenschaftler, darunter auch Otto Heller, Willi Münzenberg (http://sun.sino.uni-heidelberg.de/alumni/newsletter/april07/kongress.htm) und Anna Seghers (http://sun.sino.uni-heidelberg.de/alumni/newsletter/07-09/seghers.html). In Berlin lernte er auch den chinesischen Kommunisten Xie Weijin kennen, der dort für die Komintern arbeitete. Xie war an der Vorbereitung von Kischs Chinareise und Otto Hellers Sibirienreise beteiligt.

Anfang 1932 verliess Kisch Deutschland und fuhr mit der Transsibirischen Eisenbahn in die Mandschurei und dann weiter nach Shanghai. Dort traf er unter anderem die amerikanische Journalistin Agnes Smedley, die deutsche Agentin Ruth Werner und den Spion Richard Sorge. (http://sun.sino.uni-heidelberg.de/alumni/studierende/rezensionen/werner-sonjas_rapport.html) Er besuchte außerdem Beijing und Nanjing (die damalige Hauptstadt der Republik China). Im Spätsommer 1932 kehrte er nach Moskau zurück und fuhr von dort nach Berlin.

Kisch hat das Buch China geheim in großer Eile geschrieben und dann sofort drucken lassen. Man sieht der Originalausgabe die Hektik an: sie wirkt sehr spartanisch, hat weder Vor- noch Nachwort, keine Illustrationen und keine Verlagswerbung. (Die weit verbreiteten DDR-Ausgaben des Buches hatten wenig Ähnlichkeit mit dem Original.) Wäre der Band nicht Ende 1932 fertig geworden, dann wäre er wohl in Deutschland gar nicht mehr erschienen. Die deutsche Ausgabe von China geheim wurde zwar Opfer der Bücherverbrennung, aber in Moskau nachgedruckt; schon 1935 erschienen englische und französische Übersetzungen und 1938 die chinesische Ausgabe Mimi de Zhongguo. Die chinesische Ausgabe hatte großen Einfluß, da sie chinesischen Journalisten und Schriftstellern einen Reportagestil präsentierte, der dort vollkommen neu war. (Der Übersetzer Zhou Libo wurde in der Volksrepublik China selbst ein bekannter Schriftsteller.)

Egon Erwin Kisch wurde –nach dem Reichstagsbrand – im Februar 1933 in Berlin verhaftet und in die Festung Spandau gebracht. Nach internationalen Protesten wurde er nach einigen Wochen freigelassen und ausgewiesen. Die folgenden zwölf Jahre verbrachte er im Exil, vor allem in Frankreich, Spanien und in Mexiko. Kisch nahm mit seinem Bruder – dem Arzt Friedrich (Bedrich) Kisch – am Spanischen Bürgerkieg teil. Nach der Niederlage ging der Journalist nach Amerika, der Arzt jedoch – mit einigen anderen linken Ärzten – nach China.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Egon Erwin Kisch in seine Heimatstadt Prag zurück, starb dort jedoch schon am 31. März 1948. Kischs Bücher gehörten in der DDR und der Tschechoslowakei jahrzehntelang zu den Bestsellern, sind allerdings in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten. Zu Kischs sechzigstem Todestag fand im April in Prag ein Symposium statt.


Literatur:

Egon Erwin Kisch: China geheim, Berlin, 1932.
Ruth Werner: Sonjas Rapport, Berlin, 1977.
Arno Lustiger: Schalom Libertad – Juden im spanischen Bürgerkrieg, Frankfurt, 1989.
Thomas Kampen: Deutsche und österreichische Kommunisten im revolutionären China, Jahrbuch für historische Kommunismusforschung, 1997, 88-104.
Thomas Kampen: Xie Weijin und die Gebrüder Kisch, Das neue China, Juni 2001, 27-28.

Dr. Thomas Kampen

 

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Victor und Leontine Goldschmidt und die Ursprünge der Heidelberger Sinologie

Vor 75 Jahren starb – am 8. Mai 1933 – der achtzigjährige Naturwissenschaftler Victor M. Goldschmidt in Salzburg. Der am 10. Februar 1853 in Mainz geborene Goldschmidt, hatte 1888 die aus Prag stammende Leontine Edle von Portheim (1863-1942) geheiratet und mit ihr in Heidelberg die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst gegründet. Die Stiftung wurde nach Goldschmidt Mutter Josefine und Leontine von Portheims Vater Eduard benannt.

Victor Goldschmidt hatte an der Bergakademie Freiberg in Sachsen studiert, 1880 in Heidelberg promoviert und sich 1888 in Heidelberg habilitiert. Seine Forschungsschwerpunkte lagen im Bereich der Mineralogie und Kristallographie; die Goldschmidts interessierten sich jedoch für sehr viele Bereiche der Wissenschaft und Kunst.

Die Asienreise

1894 reisten die Goldschmidts um die Welt und besuchten dabei – nach Nordamerika – auch Japan und China. Hier erwarben sie viele Stücke für ihre ethnographische Sammlung. Seit dieser Zeit hatte das Ehepaar wohl eine besonderes Interesse an Ostasien. Sie besuchten außerdem Ceylon und Indien.

Das Sinologische Institut

Nach der Gründung der von Portheim-Stiftung 1919 wurde ein kleines Sinologisches Institut aufgebaut. Zum Leiter wurde Dr. Friedrich Ernst August Krause berufen, der in Berlin studiert und im Juli 1919 in Heidelberg seine Antrittsvorlesung gehalten hatte. (NL 07-07) Das Stadtbuch der Stadt Heidelberg von 1920 enthält für die Akademiestraße 1 folgende Einträge: Goldschmidt Viktor Dr., Geh. Hofrat, Prof. (Laboratorium). Sinolog. Institut (Dr. Friedr. E. A. Krause). Kurz darauf erwarb Goldschmidt auch das Nachbarhaus (Hauptstraße 48).

Die – später – berühmteste Studentin Krauses Anna Seghers (urspr.: Netty Reiling) stammte wie Victor Goldschmidt aus Mainz. (NL 07-09) Ihre Mutter hatte Vorfahren aus der Familie Goldschmidt, es ist allerdings aus den vorliegenden Quellen nicht ersichtlich, ob es eine direkte Verwandschaft gab. Es ist jedoch davon auszugehen, daß Seghers einige Mainzer Goldschmidts kannte. Aus den bisher veröffentlichten Biographien ist erkennbar, daß Victor Goldschmidt und Anna Seghers zur gleichen Zeit in dem Haus Akademiestr. 1 tätig waren, es gibt aber keine Hinweise auf direkte Kontakte. Da Seghers in Kunstgeschichte promovierte, hatte sie sicher großes Interesse an Goldschmidts Kunstsammlungen, vermutlich interessierte sie sich weniger für seine mineralogischen Studien.

Aus dem kürzlich veröffentlichten Buch von Frank Engehausen geht hervor, daß schon frühzeitig an eine Erweiterung des Instituts gedacht wurde; so habe der Plan bestanden, das Sinologische Institut „in ein Ostasiatisches zu erweitern. Jedoch mußte dieser Plan mit Rücksicht auf die zur Verfügung stehenden Mittel und beim Fehlen einer zur Leitung geeigneten Persönlichkeit zunächst fallen gelassen werden.“ (S. 47) 1923 hatte das Kultusministerium eine Verlängerung von Krauses Privatdozentenstipendium abgelehnt und mitgeteilt, daß es unmöglich sei „das Lehrgebiet der Sinologie an der Universität Heidelberg dauernd durch erhebliche Aufwendungen zu fördern“ (S. 31).

Das Ende

Friedrich Krause verließ 1926 Heidelberg und ging nach Göttingen; es wurde kein Nachfolger berufen und der Chinesischunterricht eingestellt. Victor Goldschmidt starb 1933 in Österreich, seine Witwe Leontine beging 1942 Selbstmord, Krause starb im gleichen Jahr. Alle drei hatten offenbar keine Kinder und gerieten bald in Vergessenheit. Erst in den sechziger Jahren wurde die Heidelberger Sinologie wiederbelebt. (NL 07-12)


Literatur:

Clara Schlichtenberger: Die Ordnung der Welt, Frankfurt, 1998.

Renate Marzolff: Leontine und Victor Goldschmidt, Heidelberg, 2007.

Frank Engehausen: Die Josefine und Eduard von Portheim-Stiftung für Wissenschaft und Kunst, Heidelberg, 2008.


Dr. Thomas Kampen

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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