Newsletter April 2008 Nr. 21

INHALT

Über die Tibetfrage

Die durch die Unruhen in Tibet ausgelöste Debatte der letzten Wochen dürfte wohl an keinem Sinologen vorüber gegangen sein. Auch am Institut sorgte das Thema für erhitzte Gemüter. Anlass genug für einen Kommentar zur deutsch-chinesischen Streitkultur.

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Das Schulteam präsentiert seine Datenbank auf der Tagung der Chinesischlehrer

Am 5. und 6. April fand die zweite bundesweite Tagung der Chinesischlehrer an deutschen Schulen an der Geschwister Scholl Gesamtschule in Dortmund statt. Auch das Schulteam von SHAN war dabei und stellte den Teilnehmern seine Datenbank vor.

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„Es gibt nichts, das ich lieber machen würde.“

Nicolae Statu ist kein neues Gesicht in der Heidelberger Sinologie. Der gebürtige Rumäne ist bereits seit 2002 als Magistrand und Doktorand am Institut. Einige Studierende kennen ihn auch schon als Dozenten - im vergangenen Wintersemester hat er die Veranstaltung "Klassische Grundlagentexte" gehalten. Seit März ist Nicolae Statu Assistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. Rudolf Wagner.

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Drei Monate am deutschen Generalkonsulat in Shanghai

Ein Praktikum beim Auswärtigen Amt ist nicht nur für zukünftige Diplomaten interessant. Man lernt insgesamt viel über die Arbeit im internationalen Bereich und in internationalen Organisationen. Die vier Vertretungen in China (Peking, Shanghai, Hongkong und Chengdu) nehmen fast ausschließlich Sinologiestudenten als Praktikanten an, und auch in anderen asiatischen Vertretungen werden China- und Ostasienwissenschaftler gern gesehen.

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Vor 60 Jahren - Die erste Konferenz der Junior Sinologues 1948

Im Sommer 1947 besuchten einige junge britische Sinologen - darunter Piet van der Loon aus Cambridge - das Sinologieinstitut in Leiden, um mehr über die Nachkriegsentwicklung der europäischen Sinologie zu erfahren. Zur Überwindung der Isolation der Sinologen in den einzelnen Ländern und zur Verbesserung des Informationsaustauschs wurde beschlossen, im folgenden Jahr eine gemeinsame Tagung zu veranstalten.

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"Zeichen und Wunder. Das Kino von Zhang Yimou und Wong Kar-Wai" von Josef Schnelle und Rüdiger Suchsland

Die beiden Filmjournalisten suchen nach Gemeinsamkeiten und Gegensätzen im Werk Zhang Yimous und Wong Kar-Wais. Diese Suche führt nur teilweise zum gewünschten Ergebnis. Dennoch animiert das Buch zum darin blättern und schmökern.

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"Der China Schock. Wie Peking sich die Welt gefügig macht" von Frank Sieren

Der Untertitel des Buches ist ironisch gemeint: Nach Meinung des in Peking lebenden Frank Sieren ist es vielmehr der Westen, der sich die Welt gefügig machen möchte. Der Autor stellt in "Der China Schock" wichtige weltpolitische Fragen, ohne jedoch neue Antworten zu bieten.

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Veranstaltungskalender

Führung durch die Ausstellung: Ursprünge der Seidenstraße

27.04.2008, 16.30 Uhr, Museum Weltkulturen D5, Mannheim: Viele dürften die Ausstellung bereits gesehen haben, aber noch einmal zur Erinnerung: Erstmalig außerhalb Chinas werden sensationelle archäologische Neufunde aus der chinesischen autonomen Region Xinjiang präsentiert.

Autorenlesung

24.04.08, 20 Uhr, DAI: Galsan Tschinag "Die neun Träume des Dschingis Khan". Lesung über die letzten Tage des Dschingis Khan.

Kino

26.04.08, 21.30 Uhr, Cinema Quadrat, Mannheim: "Bai ga jai - The Prodigal Son". Hongkong-Action von Sammo Hung mit Biao Yuen und Ching-Ying Lam.

26.04.08, 21.30 Uhr, Cinema Quadrat , Mannheim: "Hapkido". Hongkong-Eastern von Huang Feng mit Angela Mao, Carter Wong und Sammo Hung.

Seit 10.04.08, 19.30 Uhr, Gloria und Gloriette, Heidelberg: "Mr. Shi und der Gesang der Zikaden". Ein Film von Wayne Wang mit Henry O, Faye Yu und Vida Ghahremani.


Über die Tibetfrage

Als Sinologe hat man es wirklich nicht leicht. Scheinen doch viele Leute zu denken, dass wir das Fehlen eines klaren Berufsbilds durch eine "all around" China-Expertise kompensieren müssen.

So könnte man eine endlose Liste an Fragen zusammenstellen, mit denen interessierte Mitmenschen Sinologen von Zeit zu Zeit bombardieren. Besonders ufert dieses Phänomen dann aus, wenn es wie in den vergangenen Wochen um das Thema Menschenrechte in China geht. Bemüht um eine differenziertere Darstellung der Situation in Tibet als diejenige, welche oftmals in den deutschen Medien vorzufinden ist, wird man schnell als "Lakai der chinesischen Regierung" diffamiert. Erstaunlich viele Zeitgenossen mit erstaunlich wenig Hintergrundwissen ziehen sich bei den Stichwörtern China und Menschenrechte erstaunlich schnell auf Positionen zurück, die denen der chinesischen Regierung in ihrer Radikalität in nichts nachstehen. So findet man sich gerade als Sinologe, der die Geschehnisse in China mit einer gewissen Neutralität zu betrachten, das heißt nicht immer alles mit westlichen Maßstäben zu messen gelernt hat, oftmals zwischen allen Stühlen wieder.

Chinesische Propaganda gegen westliche Medien und deren einseitige Darstellung der Menschenrechtssituation in China trägt nicht gerade zum gegenseitigen Verständnis bei. Viele Leser werden vielleicht an das Video auf YouTube denken, das vor kurzem eine so heftige Diskussion auf der Chinanews-Liste ausgelöst hat. Das Video zeigt genau jenes Wahrnehmungsproblem auf, das auf beiden Seiten existiert. Für den Westen ist die Sache klar: China prügelt mal wieder seine Aufständischen, kennt man ja. Woher jetzt die zugehörigen Fotos stammen ist letztlich egal. Für China ist die Sache genauso klar: Der Westen hat nur darauf gewartet, in seiner Arroganz die Regelung interner chinesischer Angelegenheiten mit Menschenrechtsverletzungen gleichzusetzen. Kennt man ebenso.

Aber wie kommt man in dieser verfahrenen Situation auf einen gemeinsamen Nenner? Sicher nicht durch das aktuelle Krisenmanagement der chinesischen Regierung. Was Menschenrechtsverletzungen angeht, so wird China gerade im Jahr der Olympiade vom Westen misstrauisch beäugt. Und der Rauswurf ausländischer Journalisten schreit geradezu nach Menschenrechtsverletzungen in Tibet. Mangelnde Informationen werden zumindest in den weniger gut recherchierten Medien eben durch Gerüchte oder Stereotypen ersetzt. Damit wären wir wieder bei den falsch titulierten Bildern aus oben erwähntem Video. Ein Teufelskreis also.

Geradezu lächerlich mutete daher der Versuch der Schadensbegrenzung von Seiten der chinesischen Regierung an: Eine streng bewachte Gruppe von ausländischen Journalisten sollte unter der Obhut chinesischer Begleiter endlich "die Wahrheit über Tibet" herausfinden, damit der Westen lernt, wie es in China wirklich aussieht. Leider kann man ausländische Reporter damit kaum abspeisen. So fragt man sich nach den Beweggründen? Gilt der Westen tatsächlich als so naiv? Will man dem eigenen Volk oder gar der Welt einfach den guten Willen kundtun? Oder schert man sich in Peking sowieso nicht ernsthaft um die westlichen Barbaren?

Fest steht, dass die harte Position der chinesischen Regierung bei vielen Chinesen nicht schlecht ankommt. Leserkommentare auf der Internetseite einer Hongkonger Zeitung bestätigen dies: "Alle politische Macht rührt von einem Gewehrlauf. Das ist die Wahrheit!" oder "Wer die Stabilität und Einheit des Mutterlandes beschädigt, nach Abspaltung und Unabhängigkeit schreit, dem bleibt nur der Tod." Sehr hart fällt auch das Urteil über die westlichen Medien aus: "Zum Teufel mit ihnen" schreibt ein Diskutant. Leser eines bekannten deutschen Boulevardblatts halten mit ihren Urteilen über China jedoch auch nicht hinter dem Berg: "Dieses Land ist nicht mehr würdig. Die Olympiade soll annulliert werden." Oder: "Ich hoffe die Bevölkerung Chinas steht irgendwann auf und beendet diesen Kommunismus." Ein Leser ruft sogar zum Totalboykott auf: "Boykottiert alles, was aus China kommt und steht auf für die Tibeter und ihr Land!"

Wieder radikale Positionen auf beiden Seiten. Zwar neigt die chinesische Seite zu einer viel stärker ausgeprägten Radikalität als man dies hierzulande gewohnt ist – nicht nur verbal. Doch vielen Westlern dürfte es kaum geläufig sein, wie empörend allein der Gedanke an eine mögliche Reichsspaltung für das nationale Selbstverständnis der Chinesen ist. In der chinesischen Geschichte hat es immer wieder Phasen der Reichszersplitterung gegeben, in denen die Wiedervereinigung stets der leitende Gedanke der einzelnen Regionalherrscher war, und nicht wie in Europa das Streben nach selbständigen Nationalstaaten. Chinesen wachsen ganz selbstverständlich mit dem Gedanken auf, dass Tibet, Xinjiang, die innere Mongolei und sogar Taiwan Teile des chinesischen Hoheitsgebiets sind.

Ob nun diese Einstellung durch die gelungene Arbeit der Propagandaabteilung entstanden oder Ergebnis eines langwierigen historischen Prozesses ist, man sollte sie bei der Beurteilung chinesischer Reaktionen auf die Geschehnisse in Tibet auf jeden Fall im Hinterkopf behalten. Denn will man wirklich dafür sorgen, dass sich die Menschenrechtssituation in China verbessert, so sollte man dies im Dialog mit China angehen und dabei lernen, die andere Mentalität zu verstehen. Dieses Verständnis aufzubringen, ohne dadurch gleich zum Lakaien der chinesischen Regierung zu mutieren, könnte sich so manch ein Westler oder gar seine Regierung doch eigentlich bei uns Sinologen abschauen – schließlich kennen wir uns ja mit China aus.

 

Cora Jungbluth

 

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Schulteam präsentiert Datenbank auf Tagung der Chinesischlehrer

Am 5. und 6. April fand die zweite bundesweite Tagung der Chinesischlehrer an deutschen Schulen an der Geschwister Scholl Gesamtschule in Dortmund statt. Sie wurde vom Fachverband Chinesisch e. V. ausgerichtet und von Christina Neder von der Geschwister Scholl Gesamtschule organisiert. Über 40 Chinesischlehrer aus Schulen, Universitäten und Volkshochschulen nahmen an der Tagung teil. Vertreter der chinesischen Botschaft und des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen hielten bei der Begrüßungszeremonie Ansprachen. Auch das Schulteam von SHAN war dabei.

Im Plenum und in kleinen Gruppen wurden die Themen Unterrichtsplanung und -gestaltung, Lehrpläne und Lehrmaterialien diskutiert und die wiki-basierte Datenbank des Schulteams den Teilnehmern vorgestellt. Die Datenbank bietet eine Plattform, auf der bundesweit Unterrichtsmaterialien für den China-Unterricht zur Verfügung gestellt und ausgestauscht werden können.

Neben Material für den chinesischen Sprachunterricht (Spiele, Übungsmaterial, aber auch Klausurentwürfe) findet sich dort landeskundliches Material, das im vergangenen Jahr von Mitgliedern des Schulteams erarbeitet und erprobt wurde. Mit der nun bundesweit verfügbaren Datenbank leistet das Team einen weiteren Beitrag zur Professionalisierung des Chinesischunterrichts an deutschen Schulen und zur Vernetzung deutscher Chinesischlehrer.

Die Datenbank finden Sie hier, weiter Informationen über die Arbeit des Schulteams hier.

Wan Li

 

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„Es gibt nichts, das ich lieber machen würde.“

Nicolae Statu ist kein neues Gesicht in der Heidelberger Sinologie. Der gebürtige Rumäne ist bereits seit 2002 als Magistrand und Doktorand am Institut. Einige Studierende kennen ihn auch schon als Dozenten – im vergangenen Wintersemester hat er die Veranstaltung „Klassische Grundlagentexte“ gehalten. Seit März ist Nicolae Statu Assistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. Rudolf Wagner. Er wird im Sommersemester den Hilfsmittelkurs für klassische Sinologie unterrichten.

Vor seiner ersten Begegnung mit der Sinologie hatte Nicolae Statu in Bukarest bereits drei Jahre lang Informatik studiert. Im dritten Jahr seines Studiums fasste er jedoch den Entschluss, zusätzlich ein Studium mit mehr Bezug zur Philologie anzufangen. Ausschlaggebend war sein Interesse an Fremdsprachen. Neben Chinesisch standen noch Japanisch und Arabisch zur Auswahl. Vorkenntnisse hatte Statu nicht: „Ich wusste gar nichts darüber, konnte nicht einmal ren schreiben. Aber dann hat es mir so sehr gefallen, dass ich mich dann entschieden habe, nur noch das zu machen.“ Trotz seiner Begeisterung für die Sinologie studierte Statu weiterhin Informatik, erwarb sogar einen Master. Sein Interesse an der Sinologie war schon immer akademisch. Das Sinologie-Studium als Sprungbrett in die Wirtschaft zu betrachten, kam für ihn nicht in Frage: „Wenn ich Business machen wollte, hätte ich mit Informatik weitergemacht.“

Ein Kurzstipendium des DAAD ermöglichte Statu einen einmonatigen Aufenthalt in Heidelberg zur Vorbereitung seiner Abschlussarbeit. Vor allem die Größe der Bibliothek und des Instituts beeindruckten ihn: „In Heidelberg habe ich zum ersten Mal gesehen, was klassische Sinologie richtig heißt.“ Auf Einladung von Professor Wagner kehrte er nach seinem Abschluss nach Heidelberg zurück. Neben seinen Unterrichtsverpflichtungen kann Statu im Rahmen der Assistentenstelle seine Forschungstätigkeit fortsetzen. Zunächst will er seine Dissertation zu Ideen der gesellschaftlichen Ordnung in der Han-Zeit fertig stellen und veröffentlichen. Ein weiteres Projekt ist eine philologische Auseinandersetzung mit Vokabular und grammatischen Strukturen der gelehrten Schriftsprache im China der Kaiserzeit. Das Augenmerk will Statu allerdings auf eine spätere Dynastie als die Han richten, die eine reichere Textgrundlage bietet. Eine Anknüpfung dieser Forschungsarbeit an das Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“ kann er sich durchaus vorstellen, da die klassische chinesische Schriftsprache auch über Chinas Grenzen hinaus im asiatischen Raum verbreitet war. Einen konkreten Antrag für das Projekt gibt es aber noch nicht.

Für Statu sind klassische und moderne Sinologie verschiedene Disziplinen, auch wenn er betont, dass jeder klassische Sinologe in der Lage sein sollte, modernes Chinesisch zu lesen. So bereut Statu es auch nicht, dass er nie einen längeren Studienaufenthalt in China oder Taiwan absolviert hat: „Das heutige China ist eine andere Geschichte. Man muss ja auch nicht nach Griechenland reisen, um altgriechische Philologie zu machen.“ Dementsprechend sieht er für die klassischen Sinologen in Europa keinen Nachteil im Vergleich zu ihren chinesischen Kollegen: „Wir können gut mit den Chinesen im Wettbewerb stehen, wenn es um klassisches Chinesisch geht.“ Schließlich sei klassisches Chinesisch auch für chinesische Muttersprachler eine Fremdsprache. Als Motivation für die Beschäftigung mit klassischer Sinologie sieht Statu vor allem die außergewöhnlich große Menge an Primärtexten. „Mit dem Chinesischen kommt alles in einer anderen Größe. Für einen Philologen ist das unvergleichbar. Wenn man Spaß hat mit Texten umzugehen, dann gibt es keinen besseren Bereich.“ Wer sich für klassische Sinologie begeistert oder von ihrer Faszination überzeugen lassen will, sollte mit Nicolae Statu reden.

SHAN wünscht Nicolae Statu alles Gute für seine weitere Arbeit.

Laura Jehl

 

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Drei Monate am deutschen Generalkonsulat in Shanghai

Ein Praktikum beim Auswärtigen Amt ist nicht nur für zukünftige Diplomaten interessant. Man lernt insgesamt viel über die Arbeit im internationalen Bereich und in internationalen Organisationen. Die vier Vertretungen in China (Peking, Shanghai, Hongkong und Chengdu) nehmen fast ausschließlich Sinologiestudenten als Praktikanten an, und auch in anderen asiatischen Vertretungen werden China- und Ostasienwissenschaftler gern gesehen. So waren während meiner Zeit in Shanghai eine Kommilitonin aus Heidelberg an der Botschaft in Peking, ein weiterer Kommilitone an der Botschaft in Nepal.

Das deutsche Generalkonsulat in Shanghai befindet sich in einer repräsentativen alten Villa in einer ruhigen Seitenstraße mitten in der französischen Konzession. Das Konsulat ist in fünf Referate (Politik, Wirtschaft, Kultur, Presse sowie Rechts- und Konsularangelegenheiten) aufgeteilt. Insgesamt arbeiten dort circa 20 deutsche Mitarbeiter und etwa die gleiche Anzahl an chinesischen Ortskräften. So ist die Vertretung im Gegensatz zur Pekinger Botschaft übersichtlich genug, um alle Referatsleiter und Mitarbeiter persönlich kennen zu lernen und in alle Arbeitsbereiche "reinschnuppern" zu können, was auch gerne gesehen wird.

Die Aufgaben umfassen prinzipiell alles, was der jeweilige Betreuer (in der Regel ein Referatsleiter) dem Praktikanten zutraut, beziehungsweise gerade abzugeben hat. Auch die anderen Mitabeiter im höheren und gehobenen Dienst treten ab und zu mit Aufgaben an Praktikanten heran. Die Arbeitsbelastung insgesamt schwankt jedoch stark. Im Frühjahr und Herbst stehen häufig Delegationsbesuche, Messen, Empfänge, kulturelle Großveranstaltungen, Konferenzen, Sitzungen und ähnliches an, während der Sommer eher ungünstig für ein Praktikum ist: In den Hitzemonaten flieht das internationale Leben aus Shanghai, und während es im Mai und Anfang Juni sehr spannend und stressig war, hatte ich im Juli fast nichts mehr zu tun.

Zu meinen alltäglicheren Aufgaben gehörte das Ghostwriting von Reden und Grußworten für die Referatsleiter. Außerdem habe ich routinemäßig Stellungnahmen, Artikel für die Webseite und konsulatseigene Publikationen, Briefe, Berichte, Protokolle und sogenannte Sachstände (konzentrierte Informationstexte zur Situation im Konsularbezirk für Delegationen und andere Ministerien) verfasst. Weitere Aufgaben waren das Erledigen von Mail-Korrespondenz, Recherchen und Anrufen. Fließende Englisch- und – von mir als Sinologin – auch Chinesischkenntnisse wurden erwartet. Aufgrund eines personellen Engpasses wurde ich gegen Ende meines Praktikums auch in der Visa-, Rechts- und Konsularabteilung eingesetzt. Die Arbeit dort unterschied sich erheblich von den sonstigen Aufgaben im Konsulat. Nur wenige Mitarbeiter sind gleichzeitig Standes- und Bürgeramt für die deutschen Staatsbürger in Shanghai, deren Zahl mittlerweile auf die Einwohnerzahl einer deutschen Kleinstadt angewachsen ist (es leben etwa 20.000 Deutsche in Shanghai). Außerdem müssen monatlich tausende Visumsanträge von Chinesen bearbeitet werden.

Man darf sich unter einem solchen Praktikum aber nicht nur Büroarbeit vorstellen. Besonders aufregend war die Vorbereitung des Staatsbesuchs von Bundespräsident Horst Köhler im Mai und die Mitarbeit bei der Delegationsbetreuung, in die ich von Anfang an voll miteinbezogen wurde. Ich konnte die Abläufe und Schwierigkeiten bei der Organisation eines hohen Staatsbesuches miterleben, die im Fall des Bundespräsidenten die gesamte Auslandsvertretung in den Ausnahmezustand versetzte. Ganz in eigener Verantwortung konnte ich die Organisation eines Konzerts von deutschen Künstlern mit anschließendem Empfang in der Residenz des Generalkonsuls übernehmen.

Oft werden Praktikanten und Referendare auch gebeten, das Konsulat auf wirtschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen zu vertreten. So besuchte ich etwa das Shanghai International E-Commerce Forum 2007 sowie verschiedene Konzerte und Ausstellungen. In einer Stadt wie Shanghai hat man ständig die Möglichkeit, die Mitarbeiter auf Veranstaltungen zu begleiten wobei der Übergang ins Nachtleben dann oft fließend ist. Dabei trifft man mit unheimlich vielen unterschiedlichen Menschen zusammen, zum Beispiel Vertretern anderer Organisationen wie dem DAAD oder der Industrie- und Handelskammer, Managern, Diplomaten anderer Staaten, und vielen internationalen und chinesischen Künstlern sowie Intellektuellen. So kann man sich ein gutes Bild vom Leben der Expats und der westlich orientierten chinesischen Elite machen. Ich hatte das Gefühl während meines Praktikums ein ganz anderes China erlebt zu haben als das, welches man als liuxuesheng, als Austauschstudent, kennenlernt.

Ulrike Büchsel

 

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Vor 60 Jahren - Die erste Konferenz der Junior Sinologues 1948

Im Sommer 1947 besuchten einige junge britische Sinologen – darunter Piet van der Loon aus Cambridge – das Sinologieinstitut in Leiden, um mehr über die Nachkriegsentwicklung der europäischen Sinologie zu erfahren. Zur Überwindung der Isolation der Sinologen in den einzelnen Ländern und zur Verbesserung des Informationsaustauschs wurde beschlossen, im folgenden Jahr eine gemeinsame Tagung zu veranstalten.

Vom 6. bis 12. Januar 1948 fand in Cambridge, London und Oxford die erste Konferenz der Junior Sinologues statt. Auf der offiziellen Teilnehmerliste und auf einem Photo sind 18 Personen – vier Damen und vierzehn Herren – zu sehen; die meisten waren damals wohl Assistenten, Doktoranden oder Bibliothekare. Aus England nahmen unter anderem E. Pulleyblank, D. Hawkes und P. van der Loon, aus Frankreich J. Gernet, aus Holland A. F. H. Hulsewe und R. P. Kramers, sowie aus Schweden H. Bielenstein teil. Es gab damals noch keine deutschen Teilnehmer; aus dem Programm ist aber ersichtlich, dass die Besucher in Cambridge einen Vortrag von G. Haloun und - in London - von W. Simon hörten, die vor dem Krieg in Deutschland studiert hatten. Zu den englischen Rednern gehörten auch A. Waley, H. Dubs und L. Giles.

Die Delegierten diskutierten einerseits die Sinologie- und Chinesischausbildung in den verschiedenen Instituten, andererseits ihre eigenen Forschungsthemen, vor allem Dissertationsprojekte. Besonderes Interesse bestand – angesichts der schwierigen Lage in der Nachkriegszeit – an den Bibliotheken, daher spielten auch die Bibliothekare damals eine besonders wichtige Rolle. Zu den wichtigsten Beschlüssen der ersten Tagung gehörten der schriftliche Austausch von Informationen über die Entwicklungen in den europäischen Ländern sowie die regelmäßige Durchführung weiterer Treffen in den folgenden Jahren.

In den folgenden 25 Jahren trafen sich die Junior Sinologues jährlich (siehe hier). Da die Vorträge und Teilnehmerzahlen immer mehr zunahmen wurden die Tagungen 1972 zunächst abgebrochen – bis dahin hatte es keine Organisation und keinen Präsidenten gegeben. 1975 wurde dann in Paris die European Association of Chinese Studies (EACS) gegründet, die ab 1976 alle zwei Jahre Konferenzen durchführte. 2004 tagte die EACS in Heidelberg (siehe hier), 2006 in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana (siehe hier). In diesem Sommer findet das Treffen im südschwedischen Lund statt (siehe hier).

Die obenstehenden Informationen wurden mir freundlicherweise von E. Pulleyblank, D. Hawkes und D. Helliwell zur Verfügung gestellt.

Dr. Thomas Kampen

 

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"Zeichen und Wunder. Das Kino von Zhang Yimou und Wong Kar-Wai" von Josef Schnelle und Rüdiger Suchsland

Unter dem Titel Zeichen und Wunder – Das Kino von Zhang Yimou und Wong Kar-Wai präsentieren die Filmjournalisten Josef Schnelle und Rüdiger Suchsland ihre Lesung der neusten "neuen Kinowelle" aus Fernost. Das gewagte Doppelportrait zweier Regisseure, die in ihrem künstlerischen Werk kaum unterschiedlicher sein könnten, sucht nach Gemeinsamkeiten und Gegensätzen, zwei Handschriften eines Kinos wie "Zwillinge und Antipoden".

Klar zeichnen die Journalisten den Unterschied in der Symbolik. Rot durchzieht das Werk Zhang Yimous, die Farbe der Liebe und der Leidenschaft, des Kitsches und der ewigen Wahrheiten. Im Kontrast hierzu färben Bedauern, verpasste Chancen und Trauer die Leinwand Wong Kar-Wais in Sehnsucht erweckendes Blau. "Diese Farbe ist wie Musik" und malt mit "himmlischen Klängen" wie in My Blueberry Nights die Einsamkeit städtischer Subkultur. "Betörender Lärm" unterstreicht die Martial-Arts-Szenen in Hero oder House Of Flying Daggers. "Sexualität ist pure Machtausübung" und "Frauen sind allenfalls Lustsklaven" – der Autorenkommentar zu Rote Laterne entlarvt die Position Zhang Yimous zum Frauenbild im traditionellen China. Im liberalen Klima Hongkongs thematisiert Wong Kar-Wai sowohl die schwule Sexszene als auch das "melodramatische Liebesspiel der Freigeister". In seinen Filmen wird "geküsst, geliebt und es gibt Seitensprünge und geheime Leidenschaften". In verworrenen Traumkonstruktionen und Wiederholungsschleifen fesselt der Regisseur sein Publikum mit dem Thema der "krank machenden, der unerhörten und maßlosen Liebe".

Die Autoren bieten in ihrer Sammlung von Essays nicht nur zur Farb- und Klangsymbolik, sondern stellen auch Bezüge zum historischen Kontext sowie Parallelen zur westlichen Filmkunst her. Außerdem bieten sie über die Filmkunst Zhang Yimous und Wong Kar-Wais hinausgehende Einblicke in die fernöstliche Filmlandschaft. Sie sehen die kulturelle Widerbelebung nach Mao´s Tod als Innovationsschub, der China eine "Goldene Generation" von Filmkünstlern bescherte. Ausführliche Starportraits widmen sie den Schauspielerinnen Gong Li als "einer Lady in Rot" und der "anmutig, elegant und freien" Maggie Cheung. Im Portrait von Zhang Ziyi wird die schauspielerische Vielfältigkeit des jungen Stars am chinesischen Kinohimmel gepriesen. Kürzere Beiträge schildern die "Starschmiede Chinas" und erweitern das Spektrum um im Westen zumeist unbekannten Gesichter wie Jian Wen aus In The Heat Of The Sun oder Andy Lau aus As Tears Go By. Der Blick hinter die Kulissen durch das Auge des Kameramanns Christopher Doyle sowie eingefügte Interviewsequenzen im making-of-Charakter runden das Werk der Autoren ab.

Das Buch ist mehr als eine bloße Aneinanderreihung von Filmrezensionen, die Autoren präsentieren die beiden Regisseure hinsichtlich thematischer Schwerpunkte. Die erhoffte Beziehung zueinander bleibt jedoch häufig unklar. Liebhaber fernöstlicher Filmkunst werden sich beim Durchblättern über die Fülle an Fotos freuen und nicht zuletzt durch den amüsanten Schreibstil zum Lesen des einen oder anderen Essays animiert werden. Auch durch die Entschlüsselung einzelner Zeichen ist die Entzauberung der Wunder Zhang Yimous oder Wong Kar-Wais nicht zu befürchten.

Josie Marie Perkuhn

 

Josef Schnelle und Rüdiger Suchsland
Zeichen und Wunder. Das Kino von Zhang Yimou und Wong Kar-Wai
Schüren Verlag, 2008
ISBN-13: 978-3894724382
EUR 19,90

 

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"Der China Schock. Wie Peking sich die Welt gefügig macht" von Frank Sieren

"Beobachtet die Lage ruhig. Steht fest zu eurer Position. Antwortet vorsichtig. Haltet unsere Stärken verborgen. Versteckt unsere Schwächen. Wartet auf die günstige Gelegenheit eines Comebacks. Beansprucht nie die Führerschaft." Dieses Zitat von Deng Xiaoping stellt der seit 1994 in Peking lebende Frank Sieren seinem Buch Der China Schock. Wie Peking sich die Welt gefügig macht, voran. Sieren möchte zeigen, mit welcher politischen und wirtschaftlichen Strategie China sich international bewegt. Dabei ist der Untertitel des Buches ironisch gemeint: Nach Sierens Meinung ist es nicht China, sondern der Westen, der sich die Welt gefügig zu machen versucht.

Die Veränderungen im globalen Machtgefüge sind nicht mehr zu übersehen, und in der westlichen Öffentlichkeit wird der Wirtschaftsmacht China zunehmend kritisch begegnet. China ist im Nahen Osten und Afrika zum wichtigsten Abnehmer für Bodenschätze und Öl geworden und entreißt damit dem Westen den zentralen Einfluss auf die Wirtschaft dieser Regionen. Mit den höchsten Devisenreserven der Welt schafft es China geschickt, sich politische Loyalität von zahlreichen Entwicklungsländern zu sichern. Einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit schenkt Frank Sieren den Handelsbeziehungen zwischen Afrika und China. Im Austausch für Infrastrukturprojekte in zahlreichen Ländern wie Angola, Nigeria und dem Sudan bekommen die Chinesen dringend benötigte Rohstoffe. Während die Afrikaner die wirtschaftlichen Beziehungen zu China als „Win-Win-Beziehung“ ansehen, da China keine Vorbedingungen stellt, sondern nur Handel will und dazu noch günstige Kredite bietet, kritisieren westliche Politiker mit erhobenem Zeigefinger Afrika und China wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption. Sieren argumentiert, dass die Europäer und Amerikaner die Bedeutung Afrikas für die Rohstoffsicherung nicht erkannt und die Investitionschancen für die Wirtschaft unterschätzt hätten.

Der Westen fordert die Anpassung Chinas an seine Spielregeln und die Übernahme von Verantwortung im internationalen Umfeld. Schattenseiten der chinesischen Außenpolitik gibt es viele. Der Sudan-Konflikt und die Unterstützung Chinas bei der Nuklear-Technologie des Irans sind nur zwei Beispiele dafür. Doch der Schlüssel zu Chinas Erfolg liegt im Pragmatismus: Peking wendet sich günstigen Situationen im richtigen Moment zu, um von dort aus weiterzuplanen. Diesen Pragmatismus mag man kritisieren, doch Sieren meint, dass der Westen schnell neue Antworten auf die chinesische Herausforderung finden müsse, ansonsten könne China sich schon bald völlig seinem Einfluss entziehen.

Mit geschichtlichen Rückblicken und zeitnahen Fallbeispielen bringt Sieren dem Leser die Situation der wirtschaftlichen und politischen Weltlage nahe. In Gesprächen und Interviews mit Diplomaten, Bankmanagern und Mitarbeitern in Ministerien diskutiert er Probleme und Krisen, so dass sich der Leser ein Bild von der Situation mit all ihren Facetten machen kann.

Wirklich neu sind seine Argumente und Schlüsse jedoch nicht. Wer also bisher noch kein ähnlich geartetes Buch über den Aufstieg Chinas gelesen hat und auch gerne einmal journalistisch über China reden möchte, dem sei Der China Schock wärmstens empfohlen.

Kathrin Achenbach

 

Frank Sieren
Der China Schock. Wie Peking sich die Welt gefügig macht
Econ, 2008
ISBN-13: 978-3430300254
EUR 19,90

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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