In memoriam Prof. Dr. Günther Debon – Stimmen ehemaliger Studierender

Von Barbara O.-F. Böke

 

Ich erinnere mich sehr gerne an Prof. Debon und die Zeit am Sinologischen Seminar.

Besonders die klassische chinesische Lyrik, die er mit so viel tiefem Verständnis und großer Begeisterung weitergegeben hat, berührt mich noch heute.

Aber auch die Erinnerung an seinen feinen Humor ist mir sehr präsent.

Besonders eine Begebenheit bei einer Feier im chinesischen Zentrum, damals auf der anderen Neckarseite in Neuenheim, ist mir sehr präsent.

Der Anlass ist mir entfallen, jedenfalls gab es Musik und es wurde getanzt. Ich habe immer gerne getanzt und Prof. Debon hatte das wohl mitbekommen, jedenfalls fand ich mich plötzlich mit ihm Walzer tanzend auf der Tanzfläche. Ich war sehr verlegen und sicher hochrot im Gesicht. Da fragte er mich mit ernster Miene, ob ich es für eine gute Idee halten würde, statt der schriftlichen Prüfungen Tanz-Prüfungen einzuführen.

Dadurch war das Eis gebrochen und wir haben uns herrlich darüber auslassen können, was in eine solche Prüfung wohl hinein gehören würde. Er erzählte auch, dass er mit seiner Tochter einen Tanzkurs machen würde - ich glaube es war Stepptanz."

 

Von Angela Krott-Krail

 

„Ich mochte ihn sehr, unvergesslich für mich, wie er mich gleich zu Beginn unterstützt hat. Oder wie er mich durch die Magisterprüfung lenkte und mir die Nervosität nahm. Oder wie er uns nahe legte, Japanisch zu lernen, was ich dann auch gemacht habe, und zwar sehr gerne. Er war ein feiner Mensch! Schon länger habe ich ein kleines altes Gedichtbändchen, erschienen 1956 in der piper-bücherei „Im Schnee die Fähre - japanische Gedichte", von Günther Debon übertragen. Wunderschöne Tanka, Haiku und Shintaishi. Da ich besonders Tanka und Haiku liebe, ist dieses Büchlein für mich etwas sehr Besonderes. Eines meiner Lieblings-Tanka ist „Das wahre Ich" von Sasaki Nobutsuna. Das Tanka „Mein Weg", ebenfalls von Sasaki Nobutsuna, hatte ich vorher schon unzählige Male irgendwo gelesen, wusste jedoch nicht, wer es übertagen hatte ...

Ich habe die oben stehenden Gedichte gewählt, weil sie meines Erachtens seine feine Art am besten darstellen. Dieser kleine Gedichtband stellt sozusagen eine Verbindung her zu meiner Zeit als Sinologie-Studentin in Heidelberg, die schon so lange zurückliegt.“

 

Prof. Debon ist also vielen bekannt als Übersetzer von chinesischer und japanischer Literatur und Poesie (u.a. Tang-Gedichte und das Daodejing), aber wussten Sie, dass er auch Limericks schrieb? „Es gab einen Lehrer in Lehrte“, bei Amazon erhältlich; er schrieb meines Wissens zunächst unter dem Pseudonym Ernst Fabian und gab sich erst später als Günther Debon zu erkennen.

Ein weiterer Kommilitone, Klaus Mombrei, sandte mir diese Erinnerung:

Meine erste Reaktion auf die Mail mit der Aufforderung etwas persönliches, anekdotisches etc. zum Gedenken an Professor Debon beizusteuern, war das Aufkommen eines gewissen Zwiespalts. Zum einen hätte ich gerne meinem ehrlichen Respekt vor diesem Universalgelehrten alten Schlags Ausdruck gegeben (indem ich zum Beispiel von einer persönlichen Begegnung hätte berichten können), zum anderen brachte gerade dieses klassenbewusste Mandarinentum auch eine Unnahbarkeit mit sich, von der, wie ich glaube, nur wenige, Studenten wie Mitarbeiter, behaupten können, sie je durchdrungen zu haben. Deshalb wird der Anekdotenschatz um Günther Debon wahrscheinlich überschaubar sein. Ich erinnere mich, dass Professor Debons Unterricht von einer gewissen Schematik geprägt war,

der ihn sehr zur Freude der fauleren Studenten, zu deren ehernem Kern ich mich auch zählte, berechenbar machte, und es damit leicht war, sich so zu präparieren, dass man trotz kompletter Ahnungslosigkeit einigermaßen sturzfrei über die Runden kam. Umso größer allerdings war die Bestürzung, wenn unser Lehrer von Zeit zu Zeit die vorgegebenen Pfade verließ und einen ahnungslosen jungen Menschen mit einer Übersetzungs- oder Erklärungsaufgabe versah, die der nicht hatte kommen sehen und die bei vielen Panik in einer vorher nicht für möglich gehaltenen Intensität auslöste. Nicht zuletzt auch deshalb waren diese Stunden bei aller Vorhersehbarkeit unterhaltsam und lehrreich. Selbst ich habe in ihnen das ein oder andere gelernt, und sie haben darüber hinaus in mir eine bis heute andauernde Verbundenheit und Liebe zur chinesischen Kultur im Allgemeinen und zur klassischen chinesischen Lyrik im Besonderen geweckt. Das zu vermitteln war Herrn Debon, bei aller didaktischen Unvollkommenheit, allein durch sein ungeheures Wissen, seine Hingabe, sein Sprachvermögen und seine Persönlichkeit gegeben. Auch wurde der Unterricht immer wieder von ultrafeinen Humorstrahlen der extratrockenen Art durchzogen und von freien Ausflügen in die globale Kulturgeschichte. So habe ich zum Beispiel, ich glaube bei einer Übersetzungseinheit zu Hsün-Tzu, zum ersten Mal von der Jasperschen „Achsenzeit“ gehört. Ein anderes Mal wurde mir durch seinen Vortrag die Augen (und Ohren) für grundlegende Elemente der Jazzrhythmik geöffnet. An eine sicher gar nicht so lustige oder humorvoll gemeinte Geschichte erinnere ich mich sogar noch ziemlich genau.

Aus irgendeinem Grunde, wahrscheinlich bei der Übersetzung eines Gedichts, kam es zur Erörterung des Begriffs des taoistischen „Hsien Jen“, des Unsterblichen (仙⼈). Es ging auch darum, wie denn so ein Unsterblicher reist bzw. in die Unsterblichkeit sich begibt. Die Frage, die uns der Professor stellte, war: Wie, auf welche Art, diese Heiligen nun in den Himmel, das Nirvana, den T’ian Shan o.ä. aufsteigen würden? Mehrere unseren Lehrer nicht zufrieden stellende Antworten wurden angeboten und sein zunehmender Unmut wurde vom stetigen Sinken der Mundwinkel, einer sich leicht rötenden Gesichtsfärbung und einem dräuenden Zucken um die Augenpartie herum signalisiert. Auf seine letzte, nachdrücklich vorgebrachte Nachfrage hin, was denn nun um Himmels Willen für einen Hsien Jen die einzig akzeptable Art und Weise sei, sich auf die Himmelfahrt zu begeben, traute sich keiner mehr, ihn noch weiter zu verärgern. Keine Hand hob sich. Geschlagen von der erschütternden Abwesenheit jeglicher Kenntnisse der elementaren Phänomene des chinesischen Heiligenalltags sank der gute Professor in seinem Stuhl zusammen, straffte sich aber augenblicklich wieder und schleuderte mit einer für ihn ungewohnten Heftigkeit und mit nach oben verdrehten Augen ein : „… na mit `nem Kraaaanich!“ in den Raum. Die Nachlässigkeit in seiner Formulierung bezeugte den Grad seiner Fassungslosigkeit und Enttäuschung.

Ich fand diesen Ausbruch dermaßen komisch, das ich dieses unsterbliche Unsterblichen-Zitat per Taschenmesser beim Nachbereitungsbier in einen der großen Holztische in der „Alten Schmiede“ ritzte und ihn damit der Nachwelt zu erhalten hoffte. Wer auch immer diese Tische heute besitzt kann sich ja mal auf die Suche machen.

Abschließend etwas Persönliches. Ich weiß und wusste auch damals, dass mein äußeres Erscheinungsbild, die viel zu langen Haare, die seltsamen Klamotten, die Ohrringe usw. dem Herrn Professor nicht gefiel. Er hielt diese Zurschaustellung einer antibürgerlichen Attitüde wohl für unpassend und unreif bei einem ernsthaften Studenten, ganz sicher empfand er sie auch als Respektlosigkeit der Lehre und den Lehrern gegenüber. Und wenn er sich auch vielleicht im internen Kreise darüber geäußert haben mag, mich hat er diesen Unwillen nie

explizit spüren lassen, sondern ist in einer sehr distanzierten, aber stets höflichen, fairen und korrekten Weise mit mir umgegangen. So hat er sich auch nach meiner Zeit in Taiwan interessiert gezeigt, mich zum Aufenthalt befragt und mich gebeten, einen Vortrag darüber zu halten.

Ab und zu gehe ich auf dem Bergfriedhof spazieren, und wenn ich an Professor Debons Grab vorbeikomme, bleibe ich immer einen Augenblick stehen und erweise dem großen Manne Reverenz. Und ich bin stolz und dankbar, auch als ungeratener Student, ihn als Lehrer erlebt zu haben. -

Debons Vorlesung zur chinesischen Geschichte (dienstags nach der Mittagspause in der Aula der Neuen Uni, wir gingen in Gruppen zusammen hinüber), waren legendär; eine große Ehre, wer die Dias einschieben durfte. Seine Unterlagen habe ich heute noch, und da ich selbst Vorlesungen halte, ertappe ich mich bei Formulierungen, die er auch gewählt hatte. Ich habe sie noch im Ohr. Nach 40 Jahren; ich glaube, das ist für einen Lehrer ein Lob und würde ihn freuen. Vielleicht würde er sanft schmunzeln. Mehr nicht.

 

Von Manuel Vermeer

 

„Ja, jetzt schnell die Zeile finden …“: Dieses vergnügte Schmunzeln werde ich nie vergessen, wenn er, der uns bei Übersetzungsübungen im Klassischen Chinesisch zumeist der Sitzordnung nach aufrief, plötzlich die Reihenfolge verkehrte und hektisches Blättern auslöste! Das machte ihm Spaß, und auch wenn es mich gelegentlich unvorbereitet erwischte, musste ich doch auch lachen. Sein sanftes Lächeln ist mir sehr präsent geblieben, diese stille Freude an manchen Dingen, sei es eine schöne Übersetzung (was bei uns eher selten vorkam), oder eine witzige oder auch freche Bemerkung eines Kommilitonen (häufiger). Er war kein Mann der lauten Töne; und wenn er kritisierte, dann mit Nachsicht und unendlicher Geduld. Und Ren, das chinesische Zeichen für Toleranz, Geduld, hing auch in seinem Arbeitszimmer, wenn ich es recht erinnere.

 

Ich begann mein Studium am Sinologischen Seminar der Uni HD im WS 1979/80, Klassisches Chinesisch, später dann auch Moderne Sinologie. Und auch jetzt, 40 Jahre später, sind mir zumindest (ich weiß, dass das nicht allen so geht) die Räume in der Sandgasse in sehr guter Erinnerung. Es war eine fast familiäre Atmosphäre, auch wenn Prof. Debon recht unnahbar wirkte, meist in seinem Zimmer vergraben, selten in der Bibliothek, wo ich später auch als Hiwi saß. Wir hatten eher mit seiner Sekretärin zu tun, Frau Müller; ein Kommilitone schrieb mir, er erinnere sich vor allem an den Veilchenduft in ihrem Zimmer!

 

Ich kann nur Blitzlichter schildern, die mir in Erinnerung sind; unvergessen seine Anekdote, wie er in britischer Kriegsgefangenschaft war. Man hatte wohl eine Lageruni gegründet und er hatte sich ein Buch bestellt von Arthur Waley, dem großen Waley der Sinologie. Der britische Lagerkommandant rief ihn zu sich, warum er denn dieses Buch bestelle. Debon sagte, er wolle Chinesisch lernen, und Waley sei sein großes Vorbild. Darauf der Kommandant: „Ich bin Arthur Waley!“

 

Weniger beindruckt, eher zutiefst erstaunt war ich 1982, als ich als Austauschstudent in Shanghai lebte und Prof Debon uns dort besuchte. Er wollte auf den Spuren der von ihm so geschätzten chinesischen Dichter nach Suzhou reisen, und ich sollte ihn begleiten. Und da erfuhr ich dann zum ersten Mal, dass er überhaupt kein modernes Hochchinesisch sprach! Wie auch, er hatte es nie gelernt, aber ich hatte darüber nicht nachgedacht. Und jetzt bat er, der große Professor und Dichter, auf seiner ersten Chinareise überhaupt, mich, für ihn zu bestellen und zu dolmetschen! In meiner Erinnerung war es eine schöne Reise, auch wenn er nie privat wurde oder von sich erzählte. Er blieb bei mir stets auf Abstand, professoral eben. Aber es passte zu ihm.

Als ich eine Woche vor meine Magisterprüfung 1985 die Chance hatte, im Kanzleramt für Kohl zu dolmetschen, dafür aber meine Prüfung verschieben musste, erlaubte er mir dieses. Sehr unbürokratisch; und das bedeutete mir sehr viel und dieser Termin war für meinen weiteren Werdegang sehr wichtig. Danke dafür!

 

 

Abschließend (und kein Gedenken an Günther Debon wäre ohne ein solches angemessen!) ein Gedicht, von unserem Kommilitonen Dr. Klaus Gottheiner, wie Barbara O.-F. Böke, Angela Krott-Krail und Klaus Mombrei aus meinem Jahrgang, speziell zu diesem Anlass gedichtet!

 

An einem hellen Tag an den Meister denkend

von Klaus Gottheiner

 

Früh las ich schon vom herbstlich hellen Licht,

Ohne zu fragen, wer das eigentlich war,

„G. D.“, der das chinesische Gedicht

Hier derart leuchten ließ, so fremd und klar.

 

Viel später kam ich erst nach Heidelberg.

Der Saal blieb dunkel, China wurde licht

Vom Perlfluß bis ans Große Mauerwerk.

Erstaunt bemerkte ich: Dort steht und spricht

 

G. D. himself! War das vielleicht der Moment

(Mehr als acht volle Lustren ist es her),

Als meine Lebensweiche überquer

 

Gen Osten umsprang, und zwar permanent?

So denk ich, denk ich an den Zentenar

An Tagen wie heute, frühlingshell und klar.

Zuletzt bearbeite von:: Joost Brokke
Letzte Änderung: 28.06.2022
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