Eine chinesisch-deutsch-spanisch-ukrainische Geschichte

Der in Berlin geborene und gestorbene Chinese und Autor HAN SEN (1925-2018), der 1940 mit seinem Vater (und einer Stiefmutter) nach China gefahren war, bekam im Mai 1955 in Nordostchina einen Reisepass und die Erlaubnis, die Sowjetunion zu besuchen. Am 6. Juni reiste er aus Harbin ab; zunächst ging es zur Grenzstation Otpor, dann nach Tschita. Vorübergehend lebte er in Sibirien; als ihm ein Russe von Charkow erzählte, beschloss er dorthin zu reisen und Arbeit zu suchen.

Im August jenes Jahres konnte er abreisen und blieb dann mehr als vier Jahrzehnte in der Stadt im „Westen“. Im Oktober 1955 begann er in einem Traktorenwerk zu arbeiten. Später studierte er, heiratete zweimal und hatte mehrere Kinder…

Nach zwei Jahrzehnten bekam er die Gelegenheit, die DDR zu besuchen und konnte vertraute Straßen im Osten Berlins wiedersehen…

 

[In seinem Buch werden sowohl die deutschen, chinesischen als auch die sowjetischen Jahrzehnte des Autors beschrieben. Er besuchte nicht nur Yan’an, sondern auch das später „olympische“ Zhangjiakou. In Harbin war er mit Gao Yi befreundet, der der Sohn des kurz zuvor gestürzten Politikers Gao Gang war.]

 

Einen Teil der Familiengeschichte hatte der Junge allerdings selbst nicht miterlebt. Als die Nazis in Berlin an die Macht kamen gingen Vater und Sohn erstmal in die Schweiz. Als der Spanische Bürgerkrieg begann, nahm der Vater daran teil, Han Sen ging weiter zur Schule. Als dieser Krieg zu Ende ging, bekam der Sohn die Mitteilung, dass der Vater mit ihm nach China reisen wollte.

Als sich Vater und Sohn vor der Abfahrt in Marseille wiedersahen, gab es einen neue „Mutter“ – Anna Kapeller aus Czernowitz, die sich auch Anna Kapeller She nannte,Geburtsort: Chernivtsi

Im folgenden Jahr (1941) wurde in China noch ein Junge geboren: Mydon She (Xie Midong).

Xie war der Familienname des Vaters, der ungefähr She ausgesprochen wurde. Da der Berliner Sohn unehelich geboren wurde, bekam er den falsch geschriebenen Namen seiner Mutter Tchen/Chen, tatsächlich war ihr Name Cheng.

Da der Vater allerdings mit falschen Namen in der Schweiz und Spanien lebte, war der damalige Familienname Ling. Unklar ist, wo und mit welchem Dokument die spanische Ehe zu Stande kam.

 

2001 erschienen Han Sens Memoiren unter dem Titel Ein Chinese mit dem Kontrabass in Deutschland. Außerdem wurde er „verfilmt“.

 

Vater:

 

Kampen166_1

 

Die echte Mutter: https://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zo/sinologie/shan/nl-archiv/2017_NL91.html#4

 

Kampen166_2

https://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zo/sinologie/shan/nl-archiv/2010_NL42.html#2

 

Siehe:

 

Han Sen (1925-2018) und Ullabritt Horn (1956-2017): https://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2018_NL95.html#4

 

Han Sen Shien und Ullabritt Horn: https://www.academia.edu/36896320/Han_Sen_Shien_und_Ullabritt_Horn

 

Im Odenwald hatte er eine holländische Erzieherin, die über ihn schrieb: „Han-Sen-Shien. Er ist ein lieber, guter, sanftmütiger Kerl, der von jedermann geliebt wird. […] Er spricht aber kein Chinesisch sondern richtig Berlinerisch.“

 

 

Dr. Thomas Kampen

Zuletzt bearbeite von:: Joost Brokke
Letzte Änderung: 24.05.2022
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