Zensoren, Zensurwerkstätten und Verlage
Ein verstorbener Heidelberger Sinologieprofessor beschäftigte sich häufig mit Zensur, Zensoren und Propaganda, wobei er sich nicht nur für China, sondern auch für die DDR, Osteuropa und Japan interessierte.
Klassische Sinologen wissen, dass Zensur in China eine sehr lange Geschichte hat, wobei ein besonders enger Zusammenhang mit der Anfertigung von Dynastiegeschichten besteht. Auch in der „Republikzeit“ (auch noch in den „Inseljahren“) spielte Zensur eine sehr wichtige Rolle, wobei in den dreißiger und vierziger Jahren gerade die Filmzensur interessant ist. In der kommunistischen Bewegung waren Zensur und Propaganda von Anfang an besonders wichtig; die meisten Kommunistischen Parteien besaßen spezielle Abteilungen für Propaganda, früher auch: Agitprop (Agitation und Propaganda). Zufälligerweise fiel die Gründung der Kommunistischen Internationale in das gleiche Jahr – 1919 – wie die Vierte Mai Bewegung in China.
Der Begriff „Zensurwerkstätten“ taucht in dem schönen Buchtitel Verantwortliche Redaktion: Zensurwerkstätten der DDR von Siegfried Lokatis (Stuttgart, 2019) auf. In einem Abstract dazu steht:
„Der Versuch, ein »Wörterbuch des Zensors« zu schreiben, würde auf beträchtliche Schwierigkeiten stoßen. Manche Termini waren nur in bestimmten Verlagen gebräuchlich oder der Mode unterworfen. Allein der Begriff der »Verantwortung« spielte seit Lenins Zeiten bei der Kontrolle von Literatur die zentrale Rolle. Redaktionelle »Verantwortlichkeit« war der Schlüsselbegriff schlechthin, um alles Zensurgeschehen präzise zu beschreiben. In der DDR wurde keine Silbe gedruckt, ohne dass irgendwer dafür verantwortlich war, sogar die verinnerlichte Selbstzensur des Autors ließ sich als »Verantwortung des Herzens« beschreiben.“
An einem weiteren Buch war der gleiche Autor – ein Professor der Buchwissenschaft – mit einigen anderen Personen beteiligt:
Jedes Buch ein Abenteuer. Zensur-System und literarische Öffentlichkeiten in der DDR bis Ende der sechziger Jahre
(Berlin, 1997).
Nach der Jahrhundertwende folgte:
Lokatis, Siegfried: Der rote Faden. Kommunistische Parteigeschichte und Zensur unter Walter Ulbricht, Köln 2003.
Schon in der Wendezeit war folgender Band erschienen:
Bürger, Ulrich: Das sagen wir natürlich so nicht!. Berlin, Dietz, 1990.
(Hierin wird besonders betont, dass wichtige Zensuranweisungen nur mündlich mitgeteilt wurden, weil „im feindlichen Ausland“ keine verräterischen Dokument auftauchen sollten.)
In Berlin veröffentlichte der Aufbau Verlag:
Das letzte Wort hat der Minister :
Autoren- und Verlegerbriefe 1960 – 1969
Berlin : Aufbau-Taschenbuch-Verl., 1994
… und leiser Jubel zöge ein :
Autoren- und Verlegerbriefe 1950 – 1959
Berlin: Aufbau-Taschenbuch-Verl., 1992
Allein mit Lebensmittelkarten ist es nicht auszuhalten ... :
Autoren- und Verlegerbriefe 1945 – 1949
Berlin : Aufbau-Taschenbuch-Verl., 1991
Bald darauf publizierte der (Leipziger) Reclam Verlag:
Fragebogen: Zensur : zur Literatur vor und nach dem Ende der DDR / hrsg. von Richard Zipser. - 1. Aufl.
Leipzig : Reclam, 1995.
Inhaltsverzeichnis
Für die, die das bisherige uninteressant finden, gibt es noch zwei Konferenzbände:
XI. Jahrestagung (Berlin, 1.–3.12.2000)
"Zensur: Text und Autorität in China in Geschichte und Gegenwart"
[Programm + Abstracts]
ISBN-10 : 3447047550
Worüber man nicht spricht: Tabus, Schweigen und Redeverbote in China
Eine chinesische Autorin veröffentlichte:
He Qinglian: The Fog of Censorship: Media Control in China, 2008.
Und ein Europäer hatte schon vorher geschrieben:
Michael Schoenhals: Doing things with words in Chinese politics : five studies, Berkeley, 1992.
Dr. Thomas Kampen