Newsletter Mai 2014 Nr. 75

INHALT

Rezension: Iris Chang 1997: The Rape of Nanking: The Forgotten Holocaust of World War II

Keine gemütliche Bettlektüre, aber ein lesenswertes Werk über das Nanjing Massaker ist Iris Changs Buch "The Rape of Nanjing". Die Autorin, die sich direkt nach der Wiederwahl G.W. Bushs suizidierte, lässt Zeitzeugen der Besetzung Nanjings durch die Japaner zu Wort kommen - und sucht nach den Gründen für die Gräueltaten der japanischen Soldaten.

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Nobelpreisträger Mo Yan gelesen von Katharina Schütz

Als Mo Yan 2012 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, waren die Reaktionen gemischt. Insbesondere in Deutschland war schnell vom „Staatsschreiber“ die Rede. Das Konfuzius-Institut veranstaltete nun eine Lesung aus Mo Yans Werken, bei der auch zu den Vorwürfen Stellung bezogen wurde.

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3Q = QQQ? Ist Q ein chinesisches Zeichen?

Ist Q eigentlich ein chinesisches Zeichen? So oft wie Q vor allem in der chinesischen Chatsrooms auftaucht, stellt sich diese Frage tatsächlich. Wie viele Bedeutungen kann Q in verschiedenen Variationen haben? Statt diese Fragen zu erörtern nähern wir uns ihnen experimentell: mit einem fiktiven Chat-Protokoll.

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Heidelberg und China: Wissenschaft und Literatur

Was hat die Autorin des "Siebten Kreuzes", Anna Sehgers, mit unserem Institut zu tun? Und was verbindet einen der bedeutendsten Germanisten Chinas mit Heidelberg? Diese und weitere Brücken zwischen Heidelberg und China schlägt Dr. Thomas Kampen.

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Rezension: Iris Chang 1997: The Rape of Nanking: The Forgotten Holocaust of World War II

75 1 Rape​Schockiert darüber, dass ihre amerikanischen Freunde noch nie etwas über das Massaker in Nanjing gehört haben, beschloss Iris Chang, ein Buch über eines der dunkelsten Kapitel der japanisch-chinesischen Beziehungen zu schreiben. "The Rape of Nanking" erschien 1997 im Verlag Basic Books.

Die Autorin, deren Familie den Zweiten Weltkrieg in China miterlebte, schildert in einzelnen Kapiteln das Geschehene aus verschiedenen Perspektiven: aus Sicht japanischer Soldaten, der chinesischen Zivilbevölkerung und der in Nanjing lebenden Ausländer, wie beispielsweise John Rabe. Zahlreiche Tagebucheinträge und Gespräche mit Zeitzeugen machen das Geschehene zwar greifbar, die Lektüre des Buches ist aufgrund der persönlichen Schilderungen jedoch häufig nur schwer zu ertragen. Ein damaliger chinesischer Soldat erzählt, wie er sich drei Tage lang in einer Grube voller Leichen vor der japanischen Armee versteckt hielt. Chinesinnen, die als sogenannte “comfort women“ zur Prostitution gezwungen wurden, berichten von zahlreichen Vergewaltigungen. Diese und weitere Schilderungen von Überlebenden sind beklemmend und werfen die Frage auf, warum sich Menschen so etwas überhaupt gegenseitig antun. 

Dieser Frage widmet sich Iris Chang im Kapitel "The Path to Nanking", in dem sie besonders auf den ihrer Meinung nach in der japanischen Kultur verankerten Militarismus, in Form der Samurai, als Nährboden für die japanischen Gräueltaten eingeht. Eine genaue Antwort bleibt Iris Chang dem Leser hier schuldig. Ihr rein auf der japanischen Kultur beruhender Ansatz wurde später vor allem von Joshua A. Vogel und David M. Kennedy kritisiert.

Das ganze Ausmaß des Massakers von Nanjing wird dem Leser besonders in dem Kapitel bewusst, in dem Iris Chang die Zahlen der Opfer zu schätzen versucht. Dies erweist sich jedoch als schwieriges Unterfangen, da die Schätzungen chinesischer, japanischer und internationaler Beobachter weit auseinander liegen. 

Im letzten Kapitel ihres Buches kritisiert die Autorin das geringe internationale Interesse an den japanischen Gräueltaten in Nanjing, welches letztendlich dazu führte, dass der Vorfall im Westen beinahe völlig in Vergessenheit geraten ist. Sie bezeichnet die Tatsache, dass nur wenige japanische Militärs in einem kurzen Kriegstribunal zur Rechenschaft gezogen wurden und dass die Opfer keinen finanziellen Ausgleich erhalten haben als "second rape". Auch die Diskussion um die Darstellung der japanischen Gräueltaten in japanischen Schulbüchern findet Eingang in Iris Changs Kritik am Umgang mit japanischen Kriegsverbrechen. 

"The Rape of Nanking" ist ein umfassender Bericht über die Vorkommnisse in Nanjing während des Zweiten Weltkriegs. Das Buch bietet sich als erster Eindruck an, möchte man sich grundsätzlich über das Massaker von Nanjing informieren. Wer sich besonders für die Ursachen der Kriegsverbrechen interessiert, sollte jedoch auch andernorts nach Informationen suchen. Iris Changs Erklärungsansatz ist sicherlich interessant, bezieht allerdings leider nur „kulturelle“ Faktoren ein. 

Eines hat die Autorin dennoch bestimmt erreicht: Das in fünfzehn Sprachen übersetzte Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Opfer von Nanjing nicht in Vergessenheit geraten.

 

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Nobelpreisträger Mo Yan gelesen von Katharina Schütz 

75 2 Moyan Am 09. April hatte das Konfuzius-Institut in Kooperation mit dem DAI zur Lesung aus den Werken Mo Yans geladen. Die Schauspielerin Katharina Schütz trug Passagen aus den Büchern Der Überdruss, Frösche und Die Schnapsstadt sowie die Kurzgeschichte Der Jungfernflug vor. Prof. Barbara Mittler gab eine Einführung zu Mo Yan und der Debatte, die sich mit der Vergabe des Nobelpreises an ihn für Literatur 2012 in den deutschen Medien entfacht hatte. Sie stellte dabei sowohl die Debatte, als auch Mo Yans tatsächliche Worte differenziert dar. So hatte der vermeintliche „Staatsschreiber“ sich sehr wohl  kritisch gegenüber Zensur geäußert und auch dem inhaftierten Liu Xiaobo die baldige Freiheit gewünscht. Mo Yan lehnt es ab, sich instrumentalisieren zu lassen und beharrt  –seinem Pseudonym mo yan莫言 entsprechend – auch auf seinem Recht nichts zu sagen.

Was man bei der Lesung zu hören bekam, veranlasste zur Verwunderung, wie manche Kritiker in Mo Yans Werken keine Kritik an der chinesischen Politik lesen konnten. Etwa im Überdruss als der Protagonist ausgerechnet zur Gründung der Volksrepublik in die Hölle kommt. Als er anschließend in Gestalt eines Esels zurückkehren darf, haben sich die Besitzverhältnisse gewandelt und er gehört nun seinem ehemaligen Diener, der nun auch sein ehemaliges Haus und Land zu seinem Besitz zählt. Auch die Kritik an korrupten Kadern kommt nicht zu kurz. Im Roman Die Schnapsstadt wird lokalen Beamten und Parteimitgliedern sogar Kannibalismus vorgeworfen. Auch der Inspektor, der zur Untersuchung der merkwürdigen Vorfälle in die Provinz entsandt wurde, möchte allzu gerne glauben, das köstliche Essen, bestehe nur aus Gemüse – dabei  handelt es sich um das gebratene Fleisch eines kleinen Jungen. Als Sinologe muss man hierbei unweigerlich an Lu Xuns Tagebuch eines Verrückten denken, wie auch Prof. Barbara Mittler kommentierte.

Der Sprecherin Katharina Schütz gelang es, die Zuhörer ganz in ihren Bann zu ziehen. Sie las nicht nur, sie verkörperte die verschiedene Personen auf herrlich komische Weise und machte Lust auf eine ausgiebigere Lektüre von Mo Yans preisgekrönten Werken.   

 

Janina Heker

 

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3Q = QQQ? Ist Q ein chinesisches Zeichen?

 

Vor einigen Tagen schickte mir Dr. Thomas Kampen den folgenden Link:

Externer InhaltIs Q a Chinese Character?

Ein paar Blogeinträge und Baidu-Frageposts später, beschloss ich folgendes fiktives Chatprotokoll zu kompilieren:

 

A+QQ?!

A: addest du mich auf QQ?!

+ : add – jemanden als … hinzufügen

QQ: Ein Programm mit Chatfunktion ähnlich msn.

B:等下我Q

B: Moment, ich adde dich

Ich Q dich – Ich adde dich – ich füge dich als Kontakt auf QQ hinzu.

AQ 我了木有?

A: Hast du mich geadded?

Q: s.o.

木有: eine im Internet verbreitete Schreibweise von 没有

B+ 你了……

B: Hab dich geadded...

 

A:嘿……你的照片好Q啊!

A: hey...deine Fotos sind voll Q!

Q kürzt das Englische “cute” ab.

BQ 是什么意思?

A:就是卡哇伊!

B: Was heißt denn Q?

A: Kawaii!

Kawai: Japanisch 可愛い oder かわいいsüß.

Diese Frage und Erklärung habe ich ungeändert aus einer Baidu-Frage übernommen. Der Englische Ursprung “cute” wurde nicht einmal erwähnt.

B:哦,3Q *.*

B: Oh, Danke :-)

3Q: gesprochen “sanQ” klingt wie “thank you”

Ao(∩∩)o...哈哈 ……最近干嘛?

A: O.O – haha – was machst du so?

Als ich beim tippen des Dialoges “haha” in pinyin eingab, schlug mein Eingabesystem mir o(∩∩)o...哈哈 vor! Emoticons sind in bestimmten Eingabesystemen mit pinyin verknüpft. “hehe” z.B. erzeugt den allbekannten Smiley :-)

B:吃QQ糖……

B: Ich esse chewy Süßigkeiten...

Q gibt die Konsistenz bestimmter Lebensmittel an. Mochi oder die Perlen im Milchtee können z.B. als Q bezeichnet werden.

A*Q*

A: *Q*

Zu diesem smiley habe ich verschiedenste Interpretationen gefunden. Von “Jemandem hängt vor Freude die Zunge aus dem Mund” über “total fertig, müde” bis hinzu “Elephant”.

B:老师让我们看西游记 Q_Q

B: Unser Lehrer lässt uns “Die Reise nach Westen” lesen Q_Q

Q_Q ist ähnlich problematisch, wird aber zumeist als weinender Smiley verstanden.

A:西游Q记才给力啊!

A: “Die Q Reise nach Westen” ist eigentlich erst cool!

Von Klassikern wie der “Reise nach Westen” oder den “Räubern vom Liang-Shan-Moor” gibt es sogenannte Q版 “süße Ausgaben”, die sehr beliebt sind.

B:我看了水湖Q传……

B: Ich hab die Q-Ausgabe der “Räuber vom Liang-Shan-Moor” gelesen...

 

A:老师也好阿Q精神

A: Ja, unser Lehrer ist auch ziemlich AhQ

Q精神: Einen Geist wie AhQ haben – Selbstüberschätzend-dümmlich sein wie der Protagonist aus Lu Xuns Geschichte “Q”.

B:有木有!!!!!

B: Aber wirklich!!!!

有木有 = 有没有: Ist/hat es das etwa nicht? Wird normalerweise mit vielen Ausrufezeichen emphatisch genutzt.

A:我得ALT+QQ

A: Ich muss weg

ALT+QQ ist die Tastenkombination, die bestimmte Programme u.a. Spiele wie World of Warcraft schließt.

B:恩……88

B: Hm...byebye

88 = 拜拜 = byebye

 

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Heidelberg und China: Wissenschaft und Literatur

75 4 Shanessen In letzter Zeit wird viel über die Literatur- und Wissenschaftsstadt Heidelberg und die Internationale Bauaustellung geredet und geschrieben, China spielt dabei bisher keine wichtige Rolle. In den letzten hundert Jahren gab es jedoch vielfältige Beziehungen zwischen der kleinen Stadt und dem großen Land.

Direkt nach dem ersten Weltkrieg (1919) wurde ein Sinologisches Institut gegründet , das - wie viele andere Kultureinrichtungen - von der Unterstützung durch die Portheim Stiftung  (http://www.voelkerkundemuseum-vpst.de/) profitierte. (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2009_NL33.html#2) Der erste Dozent war Major Krause, der in Berlin studiert hatte.

Zu den damaligen Sinologiestudierenden gehörten (die spätere Schriftstellerin) Anna Seghers (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2007_NL15.html#3) und der Buddhismusexperte Philipp Schaeffer (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2007_NL14.html#3).

Auch chinesische Reisende besuchten schon in den zwanziger Jahren die berühmte Stadt, die prominenteste war Song Qingling, Witwe des chinesischen Politikers Sun Yatsen.  (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2011_NL50.html#3)

Zu den chinesischen Studenten der frühen dreißiger Jahre gehörten Feng Zhi, Chinas bekanntester Germanist, und der Indienexperte Xu Fancheng. (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2011_NL52.html#4) Feng Zhi kam in den achtziger Jahren noch einmal nach Heidelberg.

Zu den deutschen Schriftstellerinnen, die in der Weimarer Zeit in Heidelberg waren und später China besuchten, gehörten Vicki Baum, die durch ihre Hotelromane berühmt wurde,  und ihre Freundin Rosi Gräfenberg-Ullstein (R. G. Waldeck). (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2013_NL68.html#3) – diese war einige Jahre mit einem der Leiter des Ullsteinverlages verheiratet.

In den dreißiger Jahren studierte der Mannheimer Wilhelm Mann in Heidelberg und ging 1938 nach China; später lebte er in der DDR. (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2013_NL72.html#4)

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Sinologie (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/) neugegründet (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2012_NL62.html#3), Dr. Wolfgang Bauer (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2007_NL17.html#4) nach Heidelberg berufen und die Ostasiatische Kunstgeschichte (http://www.zo.uni-heidelberg.de/iko/) neu aufgebaut (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2010_NL45.html#5). In Kooperation mit der Japanologie (http://www.zo.uni-heidelberg.de/japanologie/) und dem Südasieninstitut (SAI) ist hier das wichtigste asienwissenschaftliche Zentrum des Landes entstanden.

In den siebziger Jahren ging der Heidelberger Student Uwe Kräuter nach China (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2011_NL54.html#2). Auch die Studentinnen Anne Labitzky (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2009_NL38.html#4) und – in den achtziger Jahren –  Sabine Hieronymus (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2010_NL44.html#2) studierten in China. In den neunziger Jahren folgten Andrea Janku (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2012_NL64.html#4) und – einige Jahre später – Petra Thiel (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2011_NL57.html#3), die jetzt am Konfuziusinstitut arbeitet. Zu den Olympischen Spielen reiste Verena La Mela  (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2008_NL26.html#3) zur EXPO in Shanghai gleich mehrere Studierende (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2010_NL47.html) Andere waren im chinesischen TV zu sehen (http://www.zo.uni-heidelberg.de/sinologie/shan/nl-archiv/2011_NL57.html#1)

Da sich einige Nachfahren des bekannten Geschäftsmannes John Rabe in Heidelberg niederließen, befindet sich hier auch das vom Enkel geleitete John Rabe Communication Centre. (http://www.john-rabe.de/)

Damit besitzt die Stadt eine weitere Sehenswürdigkeit – nicht nur für chinesische Touristen.

 

Literatur:

Sinologie im 20. Jahrhundert: Heidelberg Deutschland International, Heidelberg: Mattes Verlag, 2011.

 

Dr. Thomas Kampen

 

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Zuletzt bearbeitet von: AS
Letzte Änderung: 04.12.2014
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