Newsletter Mai 2010 Nr. 43

INHALT

Neuer SHAN-Vorstand gewählt

Am 4. Mai wurde unsere alte Vorstandsvorsitzende Wan Li verabschiedet und der neue Vorstand gewählt. Neue Vorstandsvorsitzende ist Lena Hessel, vertreten wird sie durch Sylvia Schneider und Christine Koch. Kassenwart bleibt Bernhard Mangels, Dr. Sabine Hieronymus und Sophia Zasche sind Beisitzerinnen, Katja Modis wurde zur neuen Schriftführerin gewählt. Was der neue Vorstand für Pläne hat, erklärt Lena Hessel im Kurzinterview.

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China-Woche an der Universität Heidelberg

Mit der Eröffnung des Konfuzius-Instituts begannen in Heidelberg vom 20. bis zum 30. April die China-Wochen. Initiiert wurden sie unter anderem von Dr. Dietlind Wünsche vom AAA (Akademisches Auslandsamt). SHAN hat sie interviewt und berichtet über einige der spannenden Veranstaltungen, die im Rahmen der China-Wochen stattfanden.

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Das Konfuzius-Institut stellt sich vor

Konfuzius-Institut? Was ist das eigentlich? Inzwischen gibt es zwölf Institute dieser Art in Deutschland. Gerade wurde eines in Heidelberg eröffnet. Bei SHAN stellt es sich vor.

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Hundert Jahre Ruan Lingyu

Vor 100 Jahren, am 26. April 1910, wurde die bekannte chinesische Schauspielerin Ruan Lingyu geboren – mit nicht einmal 25 Jahren beging sie Selbstmord. Von ihrer großen, kurzen Filmkarriere schreibt Thomas Kampen.

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London - A Short Guide For Sinologists

Expansion, wirtschaftliche Ausbeutung, Opiumkriege – es war nicht gerade ehrenwert, was die britische Krone ab dem 18. Jahrhundert in Asien so trieb. Doch gerade deshalb sind die Bibliotheken und Archive Englands gefüllt mit interessanten Dokumenten und Objekten, die einen Research-Trip nach London für Sinologen lohnenswert machen. Was wo wie zu finden ist, zeigt der Artikel von Viktoria Dümer.

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Praktikum beim DAAD in Shanghai

Bekannt ist er für Stipendien und Austauschprogramme mit ausländischen Universitäten. Aber was macht der der Deutsche Akademische Austausch Dienst  (DAAD) eigentlich sonst noch? Am besten ist dies mithilfe eines Praktikums zu entdecken. Hoa Chu Thi hat’s gemacht und berichtet von spannenden Wochen in Shanghai.

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Was treibt denn unsere Konkurrenz?

Wir Sinologen teilen nicht nur das Gebäude mit Japanologen sondern auch dieselbe Leidenschaft für die ostasiatische Kultur und leider oft auch ähnliche Sorgen um die Zukunft nach dem Studium. Wenn auch unser Fach mehr Popularität in den vergangenen Jahren erfahren hat, ist nicht jedem Absolventen gleich der Traumjob sicher. Welche Probleme und Vorteile man als Japanologe haben kann, zeigt Kristina Bodrozic-Brnic in ihrem Interview mit Christian Numrich, freiberuflicher Studienreiseleiter mit Magisterabschluss in Japanologie und Ostasiatischer Kunstgeschichte, Jahrgang 2007. 

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Rezension: "Die Sterblichen" von Yiyun Li

1. Mai 1979. Eine kleine Stadt feiert die Hinrichtung einer ehemaligen Rotgardistin. Später ist klar: Ihre Organe wurden für einen Kranken benötigt. Mit scharfer Sprache und politischer Radikalität zeigt die in Kalifornien lebende Autorin Yiyun Li mit ihrem Roman „Die Sterblichen“ die Einzelschicksale einiger Menschen, deren Leben von der Kulturrevolution geprägt wurde. Andrea Warlies hat das Buch für SHAN rezensiert.

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Kurzinterview mit der neuen SHAN-Vorsitzenden Lena Hessel

SHAN: Was hat dich motiviert für den SHAN-Vorstand zu kandidieren?

Lena Hessel: Kurz sind das: Freude an der Sache und freie Zeit. Ich bin eine Planernatur und mag Verwaltungsarbeit. Aber ich sammle auch gern neue Ideen und motiviere meine Mitmenschen für Anliegen, von denen ich überzeugt bin. (Falls ich dabei über's Ziel hinausschieße, gibt es zum Glück sechs andere Vorstandmitglieder, um mich auf den Boden zurückzuholen.) SHAN hat mich schon längst von sich überzeugt und ich freue mich, dass wir gemeinsam die Zukunft des Vereins gestalten.

Welche Aufgaben hast du vorher im Verein gemacht?

Ich bin seit September 2009 bei SHAN aktiv. Als Neuling half ich überall ein wenig mit. Im März wurde ich dann Leiterin des Teams "Unternehmenskontakte". Seitdem war ich damit beschäftigt, dem Team neuen Schwung zu geben und uns am Institut besser sichtbar zu machen.

Wie stellst du dir die Arbeit als Vorstandsvorsitzende vor?
 
Sehr wahrscheinlich werde ich im kommenden Jahr nicht viel Freizeit haben. Aber da ich bisher viel Freude an der Zusammenarbeit mit allen aktiven Mitgliedern hatte, werde ich das hoffentlich kaum merken.

Was wünscht du dir für die Entwicklung von SHAN?
 
Ich wünsche mir, dass es SHAN in Zukunft noch besser gelingt, die Brücke zwischen Institut und Außenwelt zu schlagen; dass wir den Alumni mehr Möglichkeiten zum Austausch untereinander und mit den Studenten bieten können; und dass wir es schaffen, noch mehr Studenten aus den unteren Jahrgängen für SHAN zu interessieren.

Herzlichen Dank und viel Erfolg, Lena Hessel!


Das SHAN-Interview führte Viktoria Dümer.

 

 

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China-Wochen an der Universität Heidelberg

 

Während der China-Wochen an der Universität Heidelberg fanden zahlreiche für Sinologen interessante Veranstaltungen statt. SHAN war bei einigen Veranstaltungen dabei und interviewte Mitorganisatorin Dr. Dietlind Wünsche.

 

20. April: Eröffnungsfeier des Konfuzius-Instituts an der Universität Heidelberg:

 

Den Auftakt der China-Wochen bildete der Festakt zur offiziellen Eröffnung des Konfuzius-Instituts an der Universität Heidelberg am 20. April 2010. SHAN war eingeladen und berichtet von der Eröffnungsfeier.
Das festliche Ambiente des Prinz-Carl-Palais am Kornmarkt bot den passenden Rahmen für die Eröffnungsfeier des Konfuzius-Instituts. Die etwa 180 geladenen Gäste wurden mit einem außergewöhnlichen musikalischen Programm unterhalten. Das Bläserensemble des Sinfonieorchesters TonArt Heidelberg unter der Leitung von Thomas Kuhn begann mit einem Stück von Richard Strauss. Es folgte eine Uraufführung der jungen Komponistin Guo Ziyuan. Hierfür wurde TonArt durch drei chinesische Instrumente, gespielt von Nicola Lutz, Zhang Zhenfang und Wolfgang Wendel verstärkt. Dr. Klaus Grimm, geschäftsführender Direktor des Konfuzius-Instituts, eröffnete die Veranstaltung und gedachte den Erdbebenopfern von Qinghai. Es folgten Grußworte des Oberbürgermeisters der Stadt Heidelberg, Dr. Eckhart Würzner, und des Rektors der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Bernhard Eitel, die dem Institut zu seiner Gründung gratulierten und ihre Unterstützung für die bevorstehende Arbeit zusicherten.

 

Auch der Ehrengast des Abends, S. E. Wu Hongbo, Botschafter der Volksrepublik China, wandte sich mit einigen Worten an die Gäste. Er freue sich besonders über die Gründung eines Konfuzius-Instituts in Heidelberg, da die Stadt und die Universität in China einen ausgezeichneten Ruf genieße. Ein kleiner Wermutstropfen war die Tatsache, dass viele Gäste aus China, aufgrund der Luftraumsperrung in dieser Woche, nicht hatten anreisen können. Darunter neben einer Delegation aus Urumqi auch die Vertreter der chinesischen Träger, der Shanghai Jiaotong Universität und die Vertreter von HANBAN aus Peking. Ihre Grußworte wurden durch den Gesandten Botschaftsrat Dr. Jiang Feng verlesen, der das Publikum mit seinem ausgezeichneten Deutsch beeindruckte und mit seinem Humor für eine heitere Stimmung sorgte.
Den Gastvortrag „Sei erhoben durch Dichtung, gefestigt durch Riten, vollendet durch Musik: Von Konfuzius, der Kunst und der Musik“ hielt die Leiterin unseres Instituts und Vorsitzende und Gründungsmitglied des Vereins des Konfuzius-Instituts. Prof. Dr. Barbara Mittler. Sie nahm Bezug auf das musikalische Programm des Abends und erläuterte dem Publikum, welche Bedeutung Musik für Konfuzius hatte. Musik sei für Konfuzius keinesfalls bedeutungslos oder nebensächlich gewesen. Sondern, wie der Titel des Vortrags bereits erkennen lässt, das Element, das den Edlen letztendlich zu seiner menschlichen Vervollkommnung führt.
Den eindrucksvollen Abschluss des offiziellen Programms gestaltete die Künstlerin Zhang Yuanfang mit traditionellen chinesischen Stücken, vorgetragen auf der Guzheng, einem chinesischen Saiteninstrument. Beim anschließenden Stehempfang hatten die Gäste Gelegenheit, sich zu unterhalten und den gelungenen Abend ausklingen zu lassen.

Artikel: Sylvia Schneider

Fotos: Marcel Hasübert

Mehr zum Konfuzius-Institut und ein Interview mit Dr. Klaus Grimm in unserem Bericht.

Bericht der chinesischen Botschaft über die Eröffnungsfeier

 

23. April: Zur historischen und gegenwärtigen Entwicklung des Chinesischen als Fremdsprache Prof. Dr. Peter Kupfer, Universität Mainz

 

Am Freitag, den 23.April hielt Prof. Dr. Peter Kupfer, Professor für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft, Arbeitsbereich Chinesische Sprache und Kultur, in Germersheim (Fachbereich der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz), im Rahmen der China-Wochen am Konfuzius-Institut Heidelberg einen umfassenden Vortrag zur historischen und gegenwärtige Entwicklung des Chinesischen als Fremdsprache (ChaF). Über zwei Jahrzehnte lang war Prof. Dr. Kupfer Vorsitzender des Fachverbandes Chinesisch e.V. (FaCh) und Vizepräsident der International Society for Chinese Language Teaching sowie Herausgeber der Zeitschrift CHUN (Chinesischunterricht).

2009/2010 feiert die Sinologie in Deutschland 100-jähriges Bestehen. Denn 1909/10 wurden die ersten Lehrstühle für Sinologie in Hamburg errichtet. 1912 folgte Berlin. 1878 gab es aber schon eine Professur für ostasiatische Sprachen, im speziellen Chinesisch und Japanisch, in Leipzig, die das Sprachgenie Georg von der Gabelentz bekleidete. Auch machte die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin einen bedeutenden Schritt, denn hier wurde zwischen 1887 und 1943, gefördert durch die Nachfrage während der Kolonialpolitik, eine praxisorientierte Ausbildung in den „lebenden orientalischen Sprachen“ angeboten. 1939 veröffentlichten Prof. Dr. Erich Schmitt und Dr. Lu Yi (damals noch Lou Y transkribiert) unter widrigen Umständen das erste Lehrbuch „Einführung in das moderne Hochchinesisch“, welches schriftlich orientiert war und mit der Grammatik-Übersetzungsmethode arbeitete. Das Moderne Chinesisch wurde nach dem 2. Weltkrieg bereits in der DDR popularisiert und ab 1970 gab es dort auch schon konkrete Sprachmittlerausbildungen. In der BRD ging es allmählich in den 1960er Jahren voran, wo das Interesse am Modernen Hochchinesisch durch die Große Proletarische Kulturrevolution wuchs. Was wir von Dr. Kupfer erfahren haben, ist, dass beispielsweise viele heute in Lehrbüchern existente grammatische Erläuterungen sich auf ein zweibändiges Lehrbuch von 1959 beziehen. Das „Lehrbuch der Chinesischen Sprache – 汉语教科书“ wurde damals in Beijing veröffentlicht und seitdem habe sich in Sachen grammatischer Erläuterungen nicht viel Neues getan.

Die Bezeichnung „Chinesisch als Fremdsprache“ wurde auf einer Beijinger Konferenz zum selben Thema geprägt, und bald darauf wurde die Didaktik des CHaF ein eigenes Forschungsgebiet. Dies führte zum auf vier Jahre ausgelegten Fachstudium für Modernes Chinesisch. 1983 wurde dann auch die „Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Chinesischunterrichts in der BRD“ gegründet, der 1988 in Fachverband Chinesisch e.V. (德语区汉语教学班会) umbenannt wurde. 

In den 1980ern und 1990ern war man um eine stärkere Praxisorientierung und eine Authentizität der Unterrichtsinhalte bemüht. Dank dieser Neuerungen können wir heute beispielsweise problemlos mit einem chinesischen Taxifahrer über deutschen Fußball reden. 1983 gab es in Deutschland ca. 1500 Chinesisch Studierende, während es 2008 bereits 6000 waren. Mittlerweile bieten mehr als 200 Gymnasien in Deutschland Chinesisch an, von denen bereits um die 40 Chinesisch als dritte Fremdsprache akzeptieren und prüfen.

Im September dieses Jahres findet die 16. Tagung zum Modernen Chinesisch Unterricht an der Universität Zürich statt. Probleme, die in Zukunft geregelt werden müssen, seien unter anderem eine international vereinheitlichte HSK Prüfung für CHaF und eine Verbreitung des Faches als zweite oder gar erste Fremdsprache an Schulen.

Prof. Dr. Kupfer hob in seiner Präsentation die Entwicklung des Pinyin als Lautschrift hervor, mit der heute alle jungen Leute in China vertraut seien. Er selbst äußerte den Wunsch, dass die Wandlung der Chinesischen Schriftsprache sich an Pinyin orientieren solle. Als in der anschließenden Diskussion die Frage aufkam, wie man denn dies verwirklichen könne, ohne die Bedeutung zu verlieren, entgegnete der Professor, dass man sich doch auch in einem Gespräch verstehe ohne dabei Schriftzeichen aufschreiben zu müssen. Es sei auch bereits ein Roman auf Pinyin erschienen. Dies löste großen Unglauben unter den Sinologie-StudentInnen im Raum aus. Denn eine Sache ist es über alltägliche Dinge zu reden, eine andere, wenn beispielsweise ein Fotograf versucht einem Laien die Silberdrucktechnik zu erklären. Ließe sich das noch nachschlagen? Und was ist mit der enormen Anzahl an Wort-Neuschöpfung in unserem modernen Zeitalter? Wenn Pinyin sich hätte von einer Lautschrift zu einer allgemein anerkannten Schrift für das Moderne Hochchinesisch entwickeln können, wäre man diesen Schritt dann nicht schon vor einer Weile gegangen, eben zu jener Zeit, als man auch versuchsweise einen Roman in der Lautschrift veröffentlichte?


Kristina Bodrozic-Brnic


Weiterführende Links:

http://hanban.org

http://shihan.edu.cn

http://konfuzius-institut-heidelberg.de

http://www.fachverband-chinesisch.de

 

Seminar Kulturmanagement am Beispiel Heidelberg: Ein deutsch-chinesisches Projekt

 

Am 30. April fand als letzte Veranstaltung der China-Wochen das Seminar „Kulturmanagement am Beispiel Heidelberg: Ein deutsch-chinesisches Projekt“, zuerst im DAI und im Anschluss im Kurpfälzischen Museum, statt. Die Referenten Hans-Martin Mumm (Kulturamt der Stadt Heidelberg), Jakob J. Köllhofer (Leiter des DAI), und Dr. Ilka Brändle (Kurpfälzisches Museum) gewährten einen umfangreichen Einblick in die Kulturarbeit Heidelbergs, Prof. Dr. Klaus Siebenhaar (Institut für Kultur- und Medienmanagement FU Berlin) stellte ergänzend sein Projekt „Cultural Management in China“ und den Masterstudiengang „Arts and Media Administration“ vor.

Nach der Begrüßung durch Dr. Klaus Grimm, Leiter des Konfuzius Instituts in Heidelberg, begann Hans-Martin Mumm, Leiter des Kulturamts der Stadt Heidelberg, mit dem Einstieg in die Kulturlandschaft Heidelbergs aus „administrativer Sicht“. Er stellte die Hauptaufgaben des Kulturamts vor, von welchen unter anderem die finanzielle Unterstützung von Kultureinrichtungen (Theater könnten beispielsweise ohne öffentliche  Förderung nicht überleben), Hilfe bei Verhandlungen und Organisation von Krediten und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Kultureinrichtungen zu nennen sind. Bei der anschließenden Fragerunde musste Mumm die Hoffnung der nach Jobaussichten fragenden Studenten jedoch enttäuschen, da sich auf eine der Stellen, von denen viele sogar nur als „halbe Stellen“ ausgeschrieben werden, ca.100 Interessierte bewerben. Einen „Königsweg“ in die Kulturarbeit gäbe es Mumms Meinung nach nicht, dagegen sei Einfallsreichtum gefragt, wie z.B. selbst eine Einrichtung zu gründen.

 

Im Anschluss stellte Jakob J. Köllhofer, Direktor des Deutsch-Amerikanischen Instituts (DAI) in Heidelberg, dieses vor. Das DAI wurde in der Nachkriegszeit als „Amerika-Haus“ von den Amerikanern gegründet, befindet sich jedoch seit der Übernahme durch Köllhofer Mitte der 1980er Jahre vollkommen unter deutscher Leitung und sieht sich längst nicht mehr nur als Vermittler zwischen Deutschland und Amerika, sondern vielmehr zwischen Europa und der Welt. Während seines Vortrags riet Köllhofer den angehenden Kulturmanagern zu Eigeninitiative und Praktika, „es geht nichts über Praxis!“. Mehrfach betonte er die Möglichkeit, im DAI ein Praktikum zu absolvieren, bei welchem den Praktikanten die Möglichkeit geboten wird, ein Projekt von Anfang bis Ende selbst zu betreuen. Als wichtigste Eigenschaften für Kulturarbeit hob er einerseits persönliches Engagement und leidenschaftliche Überzeugungskraft hervor, andererseits vor allem auch das Durchhaltevermögen, was für die Beschaffung von Geldern zur Finanzierung von Projekten unabdingbar ist. Als zentrales Zitat ließ Köllhofer „squeaky wheel gets the grease“ verlauten, da nur derjenige Geld bekommt, wer zuvor unablässig gejammert und darum gebettelt hat. „Es ist immer mehr Geld da“, versicherte er und verglich die Arbeit eines Kulturmanagers mit einem Guerillero: „Ein Guerillero hat nie Angst!“. Er riet den Anwesenden, sich selbst wichtig zu machen, aus persönlicher Motivation heraus ein Projekt in Angriff zu nehmen und durch praktische Erfahrungen zu lernen.


Aus der Praxis berichtete auch der nächste Referent, Prof. Dr. Klaus Siebenhaar, Direktor des Instituts für Kultur- und Medienmanagement (IKM) an der FU Berlin und Leiter des Projekts „Cultural Management in China“. Siebenhaar gründete im Jahre 1991 den Master-Studiengang Kulturmanagement, zunächst an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin, 2004 wechselte Siebenhaar mitsamt dem Studiengang an die Freien Universität Berlin. Sein besonderes Anliegen bestand darin, Kulturmanagement zu professionalisieren und Theorie und Praxis zu kombinieren. Wie zuvor bei Köllhofer geschehen, lehnt auch Siebenhaar grundständige Kulturmanagement-Studiengänge ab, da reine Organisationsfähigkeiten für Kulturmanagement nicht ausreichen. „Persönlichkeit geht vor Zeugnis“, bemerkte Siebenhaar im Hinblick auf die Bewerbung für die recht begrenzte Anzahl an Studienplätzen. Der Studiengang selbst ist sehr praxisnah aufgebaut, da Studenten an echten Aufträgen arbeiten und auch mitverdienen. So waren auch im Projekt „Cultural Management in China“, welches Siebenhaar als „großes Abenteuer“ bezeichnete, Studenten maßgeblich beteiligt. In dem Projekt, das gemeinsam mit dem Goethe-Institut Peking, sowie mit finanzieller Unterstützung der Mercator-Stiftung, organisiert und durchgeführt wurde, wurden junge chinesische „Kulturmanager“ in Theorie und vor allem Praxis deutscher Kulturarbeit eingeführt. Das Projekt begann mit einem zweiwöchigen Aufenthalt in Peking, und wurde dann in Berlin in einem praxisorientiertem Intensivprogramm fortgeführt.

Besonders interessante Punkte innerhalb des Vortags stellten die Erläuterungen zu den verschiedene Konzepten zu Kultur dar: während in Deutschland das Ideal eines „einsamen Kopfes“ und die Betonung von „freier“ Kultur vorherrscht, wird Kultur in China der Ökonomie untergeordnet, Kultureinrichtungen sind als „creative industries“ konzipiert und in riesigen „creative clusters“ umgesetzt. Dennoch betonte Siebenhaar die Gemeinsamkeit beider Konzepte, nämlich dem Ziel möglichst viele Besucher anzulocken.


Nach den ersten drei Vorträgen und einem kleinen Imbiss, ging es vom DAI ins Kurpfälzische Museum, wo uns die Museumspädagogin Dr. Ilka Brändle empfing. Brändle gab eine kurze Einführung über das Museum, seine Geschichte und die Situation als städtisches Museum, was einerseits politische Abhängigkeit von Gemeinderatsbeschlüsse und Bürokratie bedeutet, andererseits aber auch Unterstützung und Absicherung durch die Stadt. Anschließend führte sie uns durch die ständige Sammlung und zeigte uns, wie beispielsweise eine Führung für Kindergartenkinder, welche spielerisch an die Kunst herangeführt werden sollen, aussieht. Da die vorhergehenden Vorträge den zeitlichen Rahmen nicht ganz einhalten konnten, blieb für den Museumsbesuch leider nicht mehr viel Zeit. Das war schade, da lediglich dieser Teil wenigstens teilweise Praxis-orientiert konzipiert war.


Rückblickend betrachtet, war das Seminar sehr interessant, da die Referenten aus verschiedenen  Bereichen der Kulturarbeit stammten und den Teilnehmern so einen umfangreichen und vielseitigen Einblick in diese ermöglicht haben. Das Konfuzius Institut plant in einer zweiten Phase das Seminar Kulturmanagement in China fortzuführen, Konkretes steht allerdings noch nicht fest.


Janina Heker


Weitere Informationen zum Masterstudiengang Kulturmanagement an der FU Berlin und zum Projekt „Kulturmanagement in China“ gibt es auf der Homepage des Instituts für Kultur- und Medienmanagement der FU Berlin:


http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/we08/willkommen/index.html

 

Ein Fazit der China-Wochen: Dr. Dietlind Wünsche im Interview

 

Dr. Dietlind Wünsche kennen sicherlich viele von uns. Sie ist an der Universität Heidelberg für die Austauschbeziehungen mit China und Taiwan zuständig. Im Interview mit SHAN gibt sie einen Blick hinter die Kulissen der China-Wochen.

 SHAN: Woher kam die Idee zu den China-Wochen?

Dietlind Wünsche: Die Anregung kam von der Hochschulrektorenkonferenz. Es gab seitens der HRK eine Ausschreibung für die Durchführung von China-Wochen, auf die wir uns beworben haben. Die Ausschreibung der HRK wiederum stand im Kontext des deutsch-chinesischen Wissenschaftsjahres 2009/10, das von den Regierungen beider Länder initiiert wurde. In der Ausschreibung der HRK ging es übrigens nur um eine "China-Woche", bei uns sind dann aber zwei "China-Wochen" daraus geworden. An den meisten anderen Hochschulen beschränkten sich die Veranstaltungen auf eine Woche oder mehrere Tage

 

China-Wochen gab es also noch andernorts?

Es haben sich sehr viele Universitäten und andere Hochschulen beworben. Schließlich haben etwa 40 Hochschulen eine Zusage erhalten. Auf der Internetseite des deutsch-chinesischen Wissenschaftsjahres gibt es eine Übersichtskarte mit allen Hochschulen, die "China-Wochen" durchführen. (http://www.deutsch-chinesisches-jahr-2009-2010.de/de/404.php)

 

Die Organisation brauchte sicherlich einen langen Vorlauf, wann haben Sie mit der Planung begonnen?

Die Ausschreibung kam sehr kurzfristig: im Oktober 2009, mit dem Sommersemester 2010 als Durchführungszeitraum. Nach Rücksprache mit dem Rektorat habe ich Kontakt mit allen Dozenten und Instituten aufgenommen, die an der Uni Heidelberg Kooperationen mit China unterhalten. Wir haben Ideen gesammelt, ein "brainstorming" veranstaltet und so gemeinsam ein Konzept erstellt. Rektor Herr Eitel hat das Vorhaben stark unterstützt. Eingereicht haben wir unseren Antrag schließlich im Dezember, kurz vor meinem Urlaub. Anfang Januar kam dann die Zusage und ich habe aus dem Urlaub heraus viel telefoniert. Die HRK hat uns finanzielle Unterstützung bewilligt, bei der Organisation hatten wir freie Hand. Es hatte unterschiedliche Gründe, dass wir uns für den frühesten Termin entschieden haben, gerade für die ersten beiden Semesterwochen. So bot sich beispielsweise an, die China-Wochen mit der Eröffnung des Konfuzius-Instituts zusammenzulegen. Hier war bereits ein Termin für den 20. April ins Auge gefasst worden.

 

Nach welchen Leitlinien haben Sie das Programm gestaltet? Wer z.B. war die Hauptzielgruppe?

Es sollten sowohl Universitätsangehörige als auch die Öffentlichkeit angesprochen werden. Laut der Ausschreibung stützte sich das Programm auf drei Säulen : Erstens Studium und Forschung, zweitens Vermittlung von chinesischer Kultur und drittens Integration chinesischer Studenten. Wir wollten unsere Kooperationen mit chinesischen Partnern sichtbar machen, sie sollten innerhalb und außerhalb der Universität stärker bekannt werden. Außerdem sollten deutsche und chinesische Studierende und Doktoranden aufeinander aufmerksam werden, wir wollten hier den Informationsfluss verstärken. Unsere Veranstaltungen sind von beiden Gruppen auch sehr gut aufgenommen worden, insbesondere über das deutsch-chinesische Doktoranden-Symposium und die Workshops für chinesische Graduierte habe ich viel positives Feedback erhalten. Und auch die Öffentlichkeit hat viel Interesse gezeigt, Besucher von außerhalb der Universität waren bei den kulturbezogenen Vorträgen oft in der Mehrzahl. Der Kalligraphie-Workshop fand so regen Zuspruch, dass in der darauf folgenden Woche noch ein weiterer Kurs angeboten wurde. Mit dem Vortrag von Prof. Mittler richtete sich das Programm sogar an Kinder aus der Region. Einige dieser Veranstaltungen werden noch über die China-Wochen hinaus eine Fortsetzung finden, so plant das Konfuzius-Institut z.B. eine Konfuzius-Reihe.

 

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie die Referenten eingeladen?

Wir haben bei einigen Veranstaltungen mit dem Konfuzius-Institut zusammengearbeitet. Dann ergaben sich viele Vorträge aus den Kooperationsprojekten der einzelnen Instituten, z.B. ergab sich die Urumqi-Konferenz aus dem interdisziplinären Projekt über die nachhaltige Entwicklung von Mega-Cities, bei dem neben verschiedenen Heidelberger Wissenschaftlern auch Unternehmen aus der Metropol-Region Rhein Neckar beteiligt sind. Zu manchen Referenten hatten wir bereits vorher enge Kontakte, z.B. zu Prof. Zhao Miaogen vom Chinesisch-Deutschen Zentrum für Wissenschaftsföderung in Peking und zu Dr. Hai Sun, der bis vor kurzem für das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gearbeitet hat. Es bot sich außerdem an, Experten vor aus der näheren Umgebung einzuladen, wie die Professoren Peter Kupfer und Ulrich Kautz aus Mainz.

 

Während der China-Wochen gab es eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die die Zusammenarbeit der Universität Heidelberg mit chinesischen Partnern vorstellen. Wie hat sich diese Zusammenarbeit im Laufe der letzen 10, 15 Jahre entwickelt?

Die Kontakte auf Forschungsebene sind in den vergangenen zehn Jahren sehr stark intensiviert worden. Wir haben mittlerweile über 100 gemeinsame Forschungsprojekte, besonders viele davon in den Naturwissenschaften. Die ersten Kontakte gehen zurück auf das Jahr 1980. Zu Beginn der achtziger Jahre entstanden in sehr kurzer Zeit vier direkte Partnerschaften mit chinesischen Universitäten. Der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Lothar Späth, hat das damals stark unterstützt.
Unsere Kontakte beschränkten sich lange Zeit auf diese Partnerschaften, in den letzten Jahren allerdings hat sich das verändert. Es kommen immer mehr Austauschprogramme und fachbezogene Kooperationen hinzu. Das hat natürlich auch mit einem verstärkten Engagement der chinesischen Regierung im Aufbau der Universitäten und den hohen Investitionen in die Forschung zu tun. Einige biomedizinischen oder physikalischen Labore, die im Rahmen des 211er und 985er- Programm gezielt gefördert werden (das sind die chinesischen „Exzellenzinitiativen“), sind inzwischen besser ausgestattet als manche vergleichbaren Einrichtungen bei uns. Da wundert es nicht, dass man auf der deutschen Seite ein verstärktes Interesse an einer Zusammenarbeit entwickelt.

 

Warum glauben Sie, dass die Geisteswissenschaften sich nicht ebenso stark im Austausch mit China engagieren wie die Naturwissenschaften? Von den philologischen Fächern einmal abgesehen?

Die Zusammenarbeit läuft, wie erwähnt, zum Großteil auf Forschungsebene ab. Austausch auf dieser Ebene ist eigentlich Sache der einzelnen Institute und der dort angesiedelten Wissenschaftler. Haben deren Forschungsschwerpunkte allerdings keinen Bezug zu China, dann besteht wahrscheinlich kein Anreiz, Austauschprojekte ins Leben zu rufen.

 

Die Anreise der Delegation von der Jiaotong University wurde leider verhindert durch die Beeinträchtigung des Flugverkehrs. Wie hat sich die Aschewolke aus Island denn darüber hinaus auf die China-Wochen ausgewirkt?

Das Ausbleiben der Delegation aus Shanghai ergab sich sehr kurzfristig. Das geplante Konzert in Mannheim ist dadurch ganz ausgefallen. Aber für die anderen Veranstaltungen, bei denen die Jiaotong-Band auftreten sollte, wie etwa für die Eröffnung des Konfuzius-Instituts oder für den China-Kulturabend, brauchten wir unbedingt Ersatz. Zum Glück haben wir irelativ schnell Frau Zhang Yuanfang und Frau Guo Ziyuan gefunden. Aber das Ausbleiben der Delegation hatte noch ganz andere Auswirkungen, so konnte ein geplanter Partnerschaftsvertrag zwischen der Jiaotong University und dem IWR (Institut für Wissenschaftliches Rechnen) nicht unterschrieben werden.
Und dann ist schließlich die Urumqi-Konferenz ganz abgesagt worden. Die Konferenzteilnehmer aus Urumqi, u.a. der Forschungsminister aus Urumqi, waren schon 2500 km bis nach Peking angereist und hatten dort drei Tage vergeblich gewartet, als endgültig klar wurde, dass es keine Möglichkeit gab, zu fliegen. Zuerst hing unsre Planung in der Luft, dann mussten wir alles wieder rückgängig machen, was schon organisiert war: das Buffet wieder abbestellen, die Presse benachrichtigen, alle Plakate mit Hinweisen überkleben.

 

Dieses Wochenende haben Sie bestimmt im Auslandsamt verbracht.

Ja, die Telefone standen hier nicht mehr still und ich habe das Wochenende weitgehend im Büro verbracht.

 

Blieb Ihnen denn überhaupt noch Zeit, selbst einige Veranstaltungen zu besuchen?

Ja, ich habe versucht, möglichst überall wenigstens am Anfang einmal hinereinzuschauen. Leider konnte ich oft nicht bis zum Schluss bleiben. Und einige Veranstaltungen, die ich gern gesehen hätte, habe ich wegen paralleler Veranstaltungen verpasst, z.B. den Vortrag von Wolfgang Kubin. Es gab viele Höhepunkte! Da war beispielsweise die Eröffnung des Konfuzius-Instituts, dann ist mir der Erfahrungsbericht von der Summer School der Geowissenschaftler lsehr gut in Erinnerung geblieben. Die interkulturellen Veranstaltungen habe ich ja bereits erwähnt. Sehr interessant fand ich beispielsweise auch den Vortrag von Prof. Wagner zu Filmen aus der Kulturrevolution und die Einführungen von Dr.  Gieselmann zu den zeitgenössischen Filmen aus China.

 

Könnten Sie sich vorstellen, einen Programmpunkt dauerhaft in das Angebot des AAA aufzuehmen? Zum Beispiel das interkulturelle Training?

Prinzipiell schon, wenn die Mittel da sind. Insbesondere für die Studenten, die zum Austausch rausgehen, wäre das sehr lohnend; aber auch für Gastwissenschaftler, die hierher nach Heidelberg kommen. Mit dem interdisziplinären Symposium für deutsche und chinesische Doktoranden haben wir diesmal ja auch sehr gute Erfahrungen gemacht. Ebenso wäre ein weiterer China-Kulturabend denkbar, der ein sehr lebendiges Forum für den Austausch zwischen den deutschen und chinesischen Studierenden bildete. Bei all diesen Veranstaltungen ist übrigens die Kooperation mit anderen universitätseigenen Einrichtungen (Studentenwerk, Graduiertenakademie, Weiterbildungszentrum etc.) von großem Wert.

 

Glauben Sie, dass im nächsten Jahr vielleicht noch einmal China-Wochen stattfinden?

Die China-Wochen sind ein Projekt im Rahmen des deutsch-chinesischen Wissenschaftsjahres 2009/10. Eigentlich handelt es sich also um eine einmalige Veranstaltung. Aber nachdem der Zuspruch so groß war, würde ich nicht ausschließen, dass wir manche Veranstaltungen in Zukunft wieder aufgreifen und vielleicht regelmäßig durchführen.

 

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben!

Sehr gerne.

Das Interview führte Lena Hessel am 05. Mai 2010

http://www.uni-heidelberg.de/international/china-wochen.html

 

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Das Konfuzius-Institut stellt sich vor

Am 20. April 2010 wurde das Konfuzius-Institut an der Universität Heidelberg offiziell eröffnet. SHAN erhielt die Möglichkeit das Institut näher kennenzulernen und ein Interview mit dem geschäftsführenden Direktor des Instituts Dr. Klaus Grimm zu führen. Wir möchten in diesem Beitrag das Konfuzius-Institut Heidelberg und seine Mitarbeiter kurz vorstellen.
Konfuzius-Institute orientieren sich am Beispiel der deutschen Goethe-Institute und sind inzwischen ein fester Bestandteil der chinesischen auswärtigen Kulturpolitik. Weltweit wurden bereits rund 300 Konfuzius-Institute gegründet, darunter zwölf in Deutschland. Hauptaufgabe der Institute sind Kultur- und Sprachvermittlung. Das Konfuzius-Institut Heidelberg nahm im Herbst 2009 seinen Betrieb auf. Es ist ein gemeinsames Projekt der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, des Office of the Chinese Language Council International (HANBAN) in Beijing und der Shanghai Jiaotong Universität. Angeboten werden Sprachkurse für verschiedene Alters- und Niveaustufen von Muttersprachlern über Erwachsene ohne Vorkenntnisse bis zu Schülern und Studenten, die Grundkenntnisse der chinesischen Sprache beherrschen. Zuständig für den Sprachunterricht ist Frau Scheinhardt-Zhu Liying, die in einem ihrer Sprachkurse auch ihren deutschen Mann unterrichtet. Das aktuelle Projekt von Frau Zhu ist die Vorbereitung der Summer School 2010: Ein zweiwöchiger China-Aufenthalt mit Expo-Besuch, Sprachunterricht und Rundreise. Neben Sprachunterricht und HSK-Prüfungen bietet das Konfuzius-Institut auch Workshops und Vorträge zu verschiedenen Bereichen der chinesischen Kultur an. Gerade begonnen haben zum Beispiel Kalligrafie-Kurse des Sinologie-Studenten Li Haibin, die im weiteren Verlauf auch noch durch Kurse zur Tuschemalerei erweitert werden. Die Leitung und Gestaltung des Kulturprogramms sind Aufgabe und Leidenschaft von Heidi Marweg. Frau Marweg, selbst ehemalige Studentin der Heidelberger Sinologie, war federführend in der Gestaltung der Veranstaltungen des Konfuzius-Instituts während der China-Wochen und wird auch in Zukunft für ein abwechslungsreiches und interessantes Kulturprogramm des Instituts sorgen.

 

Porträt: Dr. Klaus Grimm

Dr. Grimm wurde in Stuttgart geboren und kam, nach einer Ausbildung als Werkzeugmacher und einem Igeniuer-Studium in den USA über den zweiten Bildungsweg zum Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Mannheim. Für die Friedrich-Ebert-Stiftung arbeitete Dr. Grimm unter anderem in Vietnam und Bonn im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. 1985 führte ihn seine Tätigkeit für dann nach Shanghai, wo er den Aufbau des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung übernahm. Dieses Büro war das erste einer deutschen politischen Stiftung in China, und zuständig für wirtschaftspolitische Beratung beim Aufbau des Banken -und Steuersystems und marktwirtschaftlicher Ordnungsstrukturen im Zuge der Reformpolitik.
1990 kam er nach Warschau, wo er wiederum während des Öffnungsprozesses den Aufbau des Stiftungsbüros übernahm. 1994, nach Shanghai zurückgekehrt, übernahm Dr. Grimm den Aufbau des Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft und der Deutschen Auslandshandelskammer. Er lebte elf Jahre in Shanghai und hält auch heute noch wöchentlich Kontakt zu seiner ehemaligen Wirkungsstätte. Im Herbst 2005, formal pensioniert, erhielt er einen Lehrauftrag an der FH Heidelberg für Internationales Management.

SHAN: Herr Grimm, Sie haben das Delegiertenbüro der Auslandshandelskammer in Shanghai aufgebaut, nun sind  Sie Leiter des Konfuzius-Instituts, was hat Sie an Ihrer neuen Aufgabe besonders gereizt?
Klaus Grimm: Zum einen natürlich der Chinabezug, den ich persönlich nie verloren habe. Und dann der Reiz, Neues anzufangen und aufzubauen.

Heidelberg hat, was China betrifft, bereits viel zu bieten, was können wir vom Konfuzius-Institut erwarten?
Die Sinologie in Heidelberg deckt vor allem den akademischen Bereich ab. Das Konfuzius-Institut möchte mit seinen Kulturveranstaltungen mehr die allgemeine Bevölkerung ansprechen, es kommen also andere Zielgruppen hinzu. Außerdem will das Institut auch den wirtschaftlichen Bereich ansprechen.

Können Sie uns ein Beispiel dafür nennen?
Zum Beispiel, auch auf Wunsch von Seiten der Stadt, Unterstützung im deutsch-chinesischen Tourismus. Es kommen zwar viele chinesische Touristen nach Heidelberg, die Übernachtungszahlen sind mit etwa 2% allerdings relativ gering, ebenso preiswerte Einkaufsmöglichkeiten für Chinesen. In diesen Bereichen kann das Institut unterstützend tätig sein.

Konfuzius-Institute werden oft mit den deutschen Goethe-Instituten verglichen. Was ist an diesem Vergleich dran?
Man kann diesen Vergleich anstellen. Viele Länder nutzen Institute dieser Art als Instrumente der auswärtigen Kulturpolitik. Der große Unterschied zwischen den beiden Modellen sind die Finanzierung und der institutionelle Aufbau. Konfuzius-Institute sind als eine Art „Gemeinschaftsunternehmen“ organisiert insofern, als Leitung und Finanzierung zwischen der chinesischen Seite und den Partnern im Gastland geteilt sind. Der Vertragspartner im Gastland ist in der Regel eine Universität. Auf chinesischer Seite ist neben der vom chinesischen Bildungsministerium beauftragten und auch als Vertragspartner auftretenden Dachorganisation der Konfuzius-Institute, dem Office of the Chinese Language Council International (HANBAN), immer auch eine chinesische Hochschule als weiterer Partner beteiligt.

Sie sind nicht nur Leiter des Konfuzius-Instituts, Sie stehen auch der Wirtschaft immer noch nahe. Wie würden Sie die Berufsaussichten für Sinologen heute beurteilen?
Sinologen sollten immer ein zweites Standbein haben. In China sagt man der Himmel wird von zwei Säulen getragen, das sollten Sinologen bei ihrer Studienwahl berücksichtigen. Nur Chinesisch als Sprache reicht alleine häufig nicht aus. Die Chancen als Gymnasiallehrer sind jedoch gut. Diese Ausbildung wird auch an der Universität Heidelberg angestrebt und in Zukunft an den Schulen immer gefragter sein. 


Wie würden Sie sich eine Zusammenarbeit mit SHAN vorstellen?
Das Konfuzius-Institut und ich persönlich können SHAN bei der Suche nach Praktikumsplätzen mit Kontakten unterstützen. Bald werden hoffentlich auch im Konfuzius-Institut selbst Praktika zu vergeben sein. Aber auch gemeinsame Veranstaltungen, die nächste Veranstaltung, bei der SHAN und das Konfuzius-Institut mitwirken werden, ist das Chinesische Dorf im Rahmen der Veranstaltung Lebendiger Neckar.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Sylvia Schneider

 

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Hundert Jahre Ruan Lingyu (1910-1935)

Vor 100 Jahren - am 26. April 1910 - wurde die bekannte chinesische Filmschauspielerin Ruan Lingyu 阮玲玉 geboren, vor 75 Jahren beging sie Selbstmord. Ihre Filmkarriere begann im Alter von 15 Jahren und endete vor ihrem 25. Geburtstag.

Ruan verbrachte fast ihr ganzes Leben in Shanghai, ihre Familie kam allerdings aus der Provinz Guangdong; daher waren ihr die Dialekte dieser beiden Regionen am besten vertraut. Da sie kein Hochchinesisch sprach, spielte sie nicht in Tonfilmen. Viele Regisseure, Produzenten, Drehbuchschreiber und Schauspieler(innen) von Lianhua stammten aus Guangdong, was die Kommunikation erleichterte und bei Stummfilmen nicht auffiel. Ruans Tod ereignete sich in der Endphase des chinesischen Stummfilms; ab 1936 wurden fast nur noch Tonfilme gedreht.

Ruan Lingyus Schauspieltätigkeit lässt sich in zwei Phasen einteilen: in den späten zwanziger Jahren spielte sie meist kleinere Rollen in unbedeutenden Filmen, die zum Teil nicht mehr existieren. In den frühen dreißiger Jahren wurde sie die wichtigste Darstellerin des Lianhua-Filmstudios 联华影业公司 und drehte mit verschiedenen Regisseuren (Bu Wancang 卜万苍 , Cai Chusheng 蔡楚生 , Fei Mu 费穆 , Sun Yu 孙瑜 und Wu Yonggang 吴永刚 ) zahlreiche bekannte Filme: Gudu chunmeng 故都春梦 / Spring dream in the Old Capital (1930), Lian'ai yu yiwu 恋爱与义务 / Love and Duty (1931), Xiao Wanyi 小玩意 / Little Toys (1933), Shennü 神女 / The Goddess (1934), Xin Nüxing 新女性 / New Woman (1934).

Da neben den Regisseuren auch die Drehbuchautoren wechselten, waren die Filme und Rollen sehr unterschiedlich. Bei dem lange verschollenen Film Love and Duty, der im Jahre 2004 in Heidelberg gezeigt wurde, stand eine Liebesgeschichte im Vordergrund. ( http://www.sino.uni-heidelberg.de/eacs2004/content/programme/film_love_and_duty/index.php ). Xiao Wanyi war einer der wenigen politischen Filme in denen Ruan Lingyu mitspielte. The Goddess und New Woman waren eher sozialkritisch.
Da nach dem Durchbruch des Tonfilms die alten Stummfilme schnell in Vergessenheit gerieten und sich die Interessen der Zuschauer wegen der dramatischen politischen und militärischen Ereignisse der dreißiger und vierziger Jahre schnell veränderten, gerieten auch alte Stummfilmstars schnell in Vergessenheit. In der Volksrepublik China wurden Ruans Filme gelegentlich zu Lehrzwecken vorgeführt; diese Filme passten allerdings nicht in die Propagandakonzepte der KP und wurden nur selten öffentlich gezeigt. Mit dem Aufkommen von Video CDs und DVDs gab es in den neunziger Jahren jedoch einen Stummfilmboom, der bis heute andauert. In Hong Kong wurde Ruan Lingyus Leben 1992 von Stanley Kwan 关锦鹏 - mit Maggie Cheung 张曼玉 in der Hauptrolle - verfilmt.

Literatur:

Cheng Jihua: Zhongguo dianying fazhanshi, Beijing, 1963.
J. Leyda: Dianying, Cambridge (Mass.), 1972.
R. J. Meyer: Ruan Ling-Yu, Hong Kong, 2005.
T. Kampen: Die chinesische Verfilmung des Romans Love and Duty der europäischen Schriftstellerin Horose. In: Roswitha Badry, Maria Rohrer, Karin Steiner (Hrsg.): Liebe, Sexualität, Ehe und Partnerschaft - Paradigmen im Wandel, Freiburg: FWPF, 2009.


Dr. Thomas Kampen

 

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London – A Short Guide for Sinologists

Expansion, wirtschaftliche Ausbeutung, Opiumkriege – es war nicht gerade ehrenwert, was die britische Krone ab dem 18. Jahrhundert in Asien so trieb. Doch gerade deshalb sind die Bibliotheken und Archive Englands gefüllt mit interessanten Dokumenten und Objekten, die einen Research-Trip nach London für Sinologen lohnenswert machen.

 

The British Library

96 Euston Road
London NW1 2DB
www.bl.uk

Underground stations: King’s Cross, St Pancras,Euston
Bus routes: 10, 30, 59, 73, 91, 205, 390 und 476 halten nahe der British Library/Euston Road

Öffnungszeiten:
Mo, Mi, Do, Fr     9.30 – 18 Uhr
Di                       9.30 – 20 Uhr
Sa                       9.30 – 17 Uhr
So und Feiertage  11 – 17 Uhr

Die British Library gehört neben der National Library in Washington und der Bibliothèque nationale in Paris zu den größten Bibliotheken der Welt. 1998 zog sie vom British Museum in das neue Gebäude in der Euston Road. Hier steht ein Exemplar von jeder britischen Publikation – egal, ob Buch, Zeitung, Comic, Landkarte oder historisches Dokument. Mithilfe verschiedener Online-Kataloge kann thematisch gesucht werden (www.bl.uk/reshelp/findhelprestype/catblhold/all/allcat.html). Insgesamt umfasst die British Library rund 150 Millionen Publikationen, jährlich kommen drei Millionen neue hinzu. Im Zentrum des Gebäudes befindet sich ein eindrucksvoller Glasturm, in dem sich die King’s Library mit 65000 Büchern von George III. befindet. In der Ausstellung Treasures of the British Library sind Exponate aus drei Jahrtausenden und von jedem Kontinent ausgestellt, darunter auch heilige Texte des Daoismus und eine Version des Lotus Sutra (1240–1280).

Asia & Africa Studies

Zum Leseraum der Asia & Africa Studies gehören auch die Archive mit Dokumenten und Objekten aus China. Hilfreiche Online-Kataloge bei der Recherche sind Chinese Printed Books and Serials, Mapping Asia Newspapers Catalogue, Japanese Printed Books and Serials und der International Dunhuang Project Catalogue. In letzterem werden über 30 000 Manuskripte digitalisiert, die zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 12. Jahrhundert n. Chr. entlang der Seidenstraße entstanden sind. Der älteste Sternenatlas der Welt (649–684 n. Chr.) aus Dunhuang sowie die erste gedruckte Sternenkarte des chinesischen Astronomen Su Song (1020–1101) sind in der bereits erwähnten Ausstellung Treasures of the British Library ausgestellt. Zudem beinhaltet die Sammlung chinesischer Schriftstücke der British Library Orakelknochen der Shang-Dynastie (1600-1000 v. Chr.), die jedoch nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Weitere Exemplare der Skapula- und Plastroneninschriften finden sich in den Archiven von Oxford und Cambridge sowie der National Library. Die Leseräume der Asia and Africa Studies , Karten und Manuskripte schließen täglich um 17 Uhr, ganztätig geschlossen: 2. - 4. April.

Praktische Hinweise

Studenten können vor Ort einen kostenlosen Reader Pass beantragen. Notwendig sind hierfür der Ausweis bzw. Reisepass sowie ein weiteres Dokument, das den Wohnsitz bestätigt (z.B. Bestätigung vom Einwohnermeldeamt, bei Wohnheimsbewohnern vom Studentenwerk oder eine Kreditkartenabrechung). Um einen Reader Pass zu bekommen, muss mindestens ein Buchtitel angegeben werden, der bestellt werden möchte. Die Bestellung eines Buches dauert je nach Standort 40 Minuten bis 72 Stunden. Ist man bereits als Leser registriert und plant eine Reise nach London, können Bücher auch Online bestellt werden, sodass sie bereits vorliegen, wenn man ankommt.
Die Leseräume bieten Platz für 1200 Menschen, vor Betreten müssen Taschen und Jacken in Schließschränke verschlossen werden. Da diese knapp sind, empfiehlt es sich, vormittags in die British Library zu kommen. In den Leseräumen dürfen nur Bleistifte verwandt werden.

 

The British Museum

Great Russell Street
London WC1B 3DG
www.britishmuseum.org

Underground stations: Holborn, Russell Square, Tottenham Court Road

Öffnungszeiten:
Täglich        10 – 17.30 Uhr
Sonderausstellungen sind donnerstags und freitags bis 20.30 Uhr zugänglich.
Geschlossen: 1. Januar, Karfreitag, 24. – 26. Dezember


Das British Museum ist das größte Museum Großbritanniens und eines der ältesten Museen der Welt. Neben sieben Millionen Ausstellungstücken aus aller Welt beeindruckt das Gebäude mit seiner außergewöhnlichen Architektur: Der Innenhof im neoklassizistischen Stil wurde 2000 nach Plänen von Sir Norman Fosters mit einem beeindruckenden Glasdach versehen. In der Mitte befindet sich der runde Reading Room, in dem sich die British Library befand. Die 94 Galerien des British Museums sind nach Regionen sortiert (Amerika, Antikes Ägypten, Antikes Griechenland und Rom, Asien, Mittlerer Osten und Europa). Highlights sind unter anderen die ausgestellten Mumien, zum Beispiel der Corpus Kleopatras und das Sarg-Ensemble des Priesters Hornedjitef, die Bronzebüste von Augustus und Dürer’s Rhinoceros.

Asien-Ausstellungen

Die Asien-Ausstellungen beinhalten Objekte aus Japan, China, Korea, Zentralasien, Afghanistan, Süd- und Südoastasien. Die chinesische Sammlung ist besonders berühmt für die buddhistischen Malereien aus den Dunhuang-Grotten und Gu Kaizhis Nüshi xian tu (Ermahnungen der Hofschreiberin [an die Palastdamen] / Admonitions of the Instructress [to the Palace Ladies]), das als eine der bedeutendsten Rollenmalereien gilt.
Ebenso beeindruckend ist die chinesische Porzellanausstellung: Etwa 1700 Objekte zeigen dem Besucher die Entwicklung der Porzellan-Herstellung vom 3. bis zum 20. Jahrhundert. An Touch-Screens können anhand der Exponat-Nummer Erläuterungen sowie Fotografien von allen Seiten des Objekts aufgerufen werden. Auf diese Weise sind auch die Signaturen auf der Unterseite der Objekte lesbar.Clarissa von Spee, die ehemals auch am Institut für Ostasiatische Kunstgeschichte gearbeitet hat, ist nun Kuratorin im British Museum. Vom 8. Mai bis zum 15. September 2010 wird ihre erste Ausstellung „The Printed Image in China“ zu sehen sein.

 

National Archives

 

Bessant Drive
Richmond, London TW9 4
www.nationalarchives.gov.uk

Underground station: Kew Gardens (Zone 3, 40 Min. von London)

Öffnungszeiten:
Mo, So              geschlossen
Di, Do               9 – 19 Uhr
Mi, Fr, Sa          9 – 17 Uhr

 

Die National Archives bieten für Sinologen Zugang zu den Foreign Office Records, die unter anderem die Korrespondenz und private Papiere von Briten beinhalten, die sich in China aufgehalten haben. Zu finden sind Dokumente aus den Botschaften oder Konsulaten, vertrauliche Daten, Verträge der Ost-Indien-Kompanie und Landkarten ab 1866. Alle Schriften bis 1919 können in einem gedruckten Index-Katalog nachgeschlagen werden, von 1919 bis 1959 gibt es einen Online-Katalog.

Praktische Hinweise 

Studenten können einen kostenlosen Reader Pass beantragen, ebenfalls mithilfe eines Ausweises und einem zusätzlichen Dokument, auf dem Name und Adresse stehen (wie in der British Library). Da zum Lesen vieler Dokumente kein Reader Pass notwendig ist, muss bei der Beantragung angeben werden, welche Manuskripte eingesehen werden möchten. Ein Dokument ist nach ca. 60 Minuten zugänglich. Von den Dokumenten und Microfilmen dürfen in der Regel Kopien gemacht werden, auch hier sind in den Leseräumen nur Bleistifte erlaubt.

 

SOAS – The School of Oriental and African Studies, University of London


Thornhaugh Street, Russell Square
London WC1H 0XG
www.soas.ac.uk

Underground station: Russell Square

Öffnungszeiten der Bibliothek:
Mo – Do  9 – 23.30 Uhr (Ausleihe bis 20 Uhr, Neu-Anmeldung bis 18.55 Uhr)
Fr           9 – 23.30 Uhr (Ausleihe und Neu-Anmeldung bis 18.55 Uhr)
Sa         10.30 – 18 Uhr (Ausleihe und Neu-Anmeldung bis 17.55 Uhr)
So         10.30 – 18 Uhr (ohne Personal, keine Ausleihe und Neu-Anmeldung möglich)

Weitere Informationen: www.soas.ac.uk/library/using/openingtimes/


Zur SOAS gehört eine große Bibliothek, die einen umfangreichen Sinologie-Bereich mit großem Zeitungs-Archiv besitzt. Studenten anderer Universitäten können die Bibliothek ebenfalls nutzen: Jährlich sind drei Tages-Lesepässe kostenlos erhältlich, jeder weitere Tag kostet 12 Pfund. Die Mitarbeiter der chinesischen Abteilung sind sehr hilfsbereit und können auch per E-Mail kontaktiert werden.

 

Anreise und Unterkunft


Günstig nach London

Günstige Flüge gibt es zum Beispiel, je nach Airline ab acht Euro, bei Ryanair, Germanwings, Lufthansa und Airberlin.

Günstig Wohnen in London

London’s Astor Museum Hostel, 27 Montague Street, Bloomsbury

Beschreibung in Kürze: 2- bis 12-Bett-Zimmer (je nach Saison und Wochentag 17–40 Pfund) / relativ sauber / gutes, einfaches Frühstück (europäisch) /sehr zentral /gegenüber dem British Museum / freundliches Personal (Studenten) www.astorhostels.co.uk/#/en/page/museum/About/

Mehr Hostels unter: www.astorhostels.co.uk/.

Günstig unterwegs in London

In einer Gruppe ab zehn Personen gibt es preiswerte Gruppentickets, für Einzelpersonen lohnt sich die Anschaffung einer Oyster-Karte (zwei Pfund, die man bei Rückgabe der Karte zurückbekommt), die am Automaten aufgeladen wird und sowohl für Busse als auch für das Underground-System benutzt werden kann. Tagestickets kosten je nach Zone etwa fünf Pfund (Zone 1–2, Innenstadt) aufwärts. Eine einzelne Fahrt mit dem Bus kostet zwei Pfund (Zone 1–2), ein Underground-Ticket vier Pfund.

 

Viktoria Dümer

 

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Kinder-Uni und Büroarbeit - ein Praktikum beim DAAD in Shanghai

Der DAAD in China mit der Außenstelle in Peking „unterstützt den Studenten- und Wissenschaftleraustausch zwischen China und Deutschland, bietet chinesischen Interessenten Informationen über das Studium in Deutschland und fördert die Kooperationen zwischen chinesischen und deutschen Hochschulen“. Das DAAD Information Center Shanghai (DAAD IC Shanghai), mit dem früheren Sitz in der Fuzhou Lu 318, pflegt darüber hinaus ein Alumninetzwerk und arbeitet mit DAAD-Lektoren zusammen, die an den Universitäten Shanghais tätig sind. Mit dem Umzug in die Julu Lu 628 seit Januar 2010 befinden sich die Büroräume des IC beim Goethe-Jinchuang Sprachlernzentrum Shanghai. Durch mein Praktikum beim DAAD IC Shanghai habe ich viel an praktischer Erfahrung und Teamwork mitnehmen können, konnte dazu hinter die Kulissen Deutscher Kulturarbeit im Ausland blicken und habe interessante Menschen kennen gelernt.

Praktikum per Zufall

Im Wintersemester 2009/2010 absolvierte ich mein zweites Auslandssemester in Shanghai. Durch das Institutsstipendium bekam ich einen Platz an der SISU (Shanghai International Studies University). Natürlich kam mir auch der Gedanke, meinen Chinaaufenthalt mit einem Praktikum zu verbinden. Und wie ich dazu kam, war ganz und gar nicht geplant.
Ich hörte Mitte September von der Eröffnung der Urban Akademy (dushi luntan), einem deutsch-chinesischen Forum über nachhaltige Stadtentwicklung, ein Projekt des Goethe Instituts Shanghai. Auf der Veranstaltung begegnete ich dann zufällig dem Leiter des DAAD Informationszentrums Shanghai, Thomas Willems. Nach circa acht Stunden Präsentations- und Diskussionsreihen, Kaffee- und Essenspausen erfuhr ich dann von seinen Tätigkeiten beim DAAD und seinem nächsten Projekt. „Dann machen Sie doch bei UNS ein Praktikum!“, sagte er, als ich ihm von meiner Praktikumssuche erzählte. Eine Woche später saß ich bereits im DAAD Büro in der Fuzhou Lu, der Parallelstraße zur Nanjing Lu. Zu meiner Enttäuschung teilte der DAAD das Büro mit der Pasch-Schulen-Abteilung des GI und bestand seinerseits aus zwei Arbeitsplätzen und einem gemeinsamen Versammlungstisch, der von allen genutzt werden konnte. Nichtsdestotrotz war ich begeistert von dem Projekt, an dem ich mitarbeiten sollte. Herr Willems plante nämlich in Bezug auf die Expo 2010 in Shanghai eine  Kinder-Uni zum Thema Umweltschutz und Klimawandel zu veranstalten, die Anfang Dezember 2009 stattfinden sollte. Dabei sollten deutsche und chinesische Kinder spielerisch an Umweltprobleme herangeführt werden und bei Vorlesungen mit richtigen Uni-Professoren „reinschnuppern“ können. Ich lernte auch bald die Office Managerin Dr. Zhu Miaomiao und DAAD-Sprachassistentin Kerstin Gal kennen, mit denen ich mich schnell anfreundete. Weiterhin waren zwei chinesische Studenten regelmäßig als freie Mitarbeiter dabei, die mit zum Team gehörten.

Kinder-Uni-Projekt und Arbeiten beim DAAD IC Shanghai

Nach dem Mitherbstfest (zhongqiu jie) begannen die Arbeit und die Vorbereitungen für die Kinder-Uni. Bis auf das grobe Konzept, der Bestimmung des Deutsch-Chinesischen Hochschulkollegs der Tongji-Universität als  Veranstaltungsort und der finanziellen Zustimmung von der DAAD Zentrale in Bonn war noch nichts von einer Kinder-Uni zu sehen. Nach der ersten gemeinsamen Sitzung konnten wir uns auf einen zeitlichen Ablaufplan und inhaltlichen Punkten einigen, die jedoch mit der Zeit immer wieder geändert wurden. Ich war überrascht, dass ich gleich von Anfang in allen Diskussionen im Team miteingebunden war und auf meine Vorschläge eingegangen wurde.  Auch stand mir bis auf allgemeine Bürotätigkeiten, wie Kopieren, Ausdrucken und E-mails beantworten, die Wahl der Aufgaben frei. So verfasste ich zum Beispiel die Texte für das Programmheft, die Homepage und die Urkunden, war verantwortlich für die inhaltliche Gestaltung und den Ablauf meiner Präsentationswerkstatt, sowohl auf Deutsch als auch auf Chinesisch. Auch bei den Entwürfen für Fragebögen und den Kinder-Uni-Ausweisen konnte ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Zwei Monate lang war unser sechsköpfiges Team mit der Vorbereitung beschäftigt, da das DAAD IC nebenbei auch seinen alltäglichen Aufgaben nachgehen musste. So wurde der 5. Dezember 2009 auch mit viel Spannung erwartet. „Würde alles reibungslos laufen? Und würden die Kinder Spaß dabei haben?“, waren unsere wichtigsten Fragen. Am späten Nachmittag konnten wir als Veranstalter und Organisatoren dann alle aufatmen, als die Kinder fröhlich ihre Urkunden von den Professoren entgegen nahmen und sich voller Begeisterung mit Ihnen fotografieren ließen. „Die Kinder-Uni ist ja doch cooler als ich dachte“, sagte ein Schüler aus der Deutschen Schule zu seinem Freund. Trotz vielem Hin und Her bei der Organisation, den Schwierigkeiten bei der Betreuung und Zusammenarbeit mit den chinesischen Tutoren der Fudan Universität Shanghai und den vielen Überstunden, war ich sehr stolz drauf, als unsere harte Arbeit Früchte trug. Während der Expo 2010 in Shanghai plant der DAAD Shanghai weitere Kinder-Unis an vielen Standorten zu organisieren. Während der Expo 2010 in Shanghai plant der DAAD Shanghai weitere Kinder-Unis an vielen Standorten zu organisieren.


Bis Januar 2010 war ich noch im Büro tätig, jedoch war unser Team nach der Kinder-Uni um einiges entspannter und so hatte ich noch eine schöne restliche Zeit. Vor Weihnachten organisierten wir noch das Alumnitreffen, das im Haus des deutschen Generalkonsul Shanghais stattfand. Viele DAAD-Lektoren und ehemalige chinesische Stipendiaten kamen, um sich auszutauschen und die kulinarische Verköstigung zu genießen, worüber ich dann im Newsletter berichten konnte.

 

 

Weiterführende Informationen und Ansprechpartner:
http://ic.daad.de/shanghai/index.html
http://www.daadkus.drupalcafe.com/de
http://www.daad-magazin.de/12286/index.html

Hoa Chu Thi

 

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Interview: Was treibt denn unsere Konkurrenz?

Ein Gespräch mit dem Japanologen Christian Numrich


Wir Sinologen teilen nicht nur das Gebäude mit Japanologen sondern auch dieselbe Leidenschaft für die ostasiatische Kultur und leider oft auch ähnliche Sorgen um die Zukunft nach dem Studium. Wenn auch unser Fach mehr Popularität in den vergangenen Jahren erfahren hat, ist nicht jedem Absolventen gleich der Traumjob sicher. Welche Probleme und Vorteile man als Japanologe haben kann, möchten wir Euch im Interview mit Christian Numrich, freiberuflicher Studienreiseleiter mit Magisterabschluss in Japanologie und Ostasiatischer Kunstgeschichte, Jahrgang 2007, vorstellen.


 
SHAN: Christian, Du bist magistrierter Japanologe und Kunsthistoriker. Beides bewundernswerte Fächer und leider oft nicht ausreichend gewürdigt. War es dennoch einfach nach dem Abschluss eine Stelle zu finden?

Christian Numrich: Es war, wie zu erwarten, recht schwer eine Stelle zu finden. Dabei kamen mehrere Faktoren zusammen, wie die vielbeschworene Wirtschaftskrise, sowie die stärkere Zuwendung Europas in Richtung China. Was die Würdigung der Fächer anbelangt, so haben die meisten Fachfremden wenig Verständnis für die Faszination, die Japan ausüben kann. Noch heute überraschen mich Fragen meiner Gäste im Stile von „Haben Sie nichts Richtiges gelernt?“ oder „Was machen Sie eigentlich hauptberuflich?“.

Was kannst Du Absolventen raten? Gibt es ein spezielles Forum, in dem man Unterstützung bekommt?

Absolventen sollten sich sowohl bei J-Studien als auch in der Mitgliederliste der japanischen Industrie- und Handelskammer Düsseldorf eintragen lassen. Ansonsten kann ich nur zu Flexibilität und Offenheit raten. Es gibt immer wieder Stellenausschreibungen für Japanologen und Kunsthistoriker mit Schwerpunkt Ostasien. Wer sich direkt in Japan bewerben möchte, hat auch dort gewisse Chancen, wenn sie mittlerweile auch deutlich geringer sind als in Europa.

Du hast schon im Studium versucht immer mit Japan in Kontakt zu stehen und hast neben Sprachtätigkeiten auch als Assistent bei dem Fukuoka Prefecture Frankfurt Representative Office gearbeitet. War das hilfreich für Dein Studium?

Meine damalige Anstellung beim Representative Office hatte mit dem Studium recht wenig zu tun, aber gerade deshalb war es auch eine sehr lehrreiche Erfahrung, vor allen Dingen auf dem Gebiet der interkulturellen Kommunikation und des Dolmetschens. In meiner momentanen Tätigkeit als Studienreiseleiter bei JF Tours Innovation vor Ort in Japan profitiere ich noch immer von meinen damaligen Erfahrungen.

Deine regelmäßigen Reisen nach Japan haben Dir nicht nur besonders gute Landeskenntnisse eingebracht, sondern auch deine Leidenschaft für Fotografie weiterentwickelt. Kann man sagen, dass das für uns fremde Japan auf Dich als Fotograf eine besondere Faszination ausübt?

Mein erster Aufenthalt in Japan liegt nunmehr 11 Jahre zurück und das Land fasziniert mich noch immer. Wenn ich meine Fotos von 1999 bis 2001 mit meinen aktuellen Fotos vergleiche, bemerke ich, dass meine Sichtweise sich stark geändert hat. Damals hatte ich einen verklärten, fast schon romantisierenden Blick auf Japan, mittlerweile gehe ich mehr auf Details ein und versuche nicht mehr, das Land so zu sehen wie ich es möchte, sondern wie es tatsächlich ist. Ich hatte meine erste Spiegelreflexkamera, eine Canon A1, bei einem Gebrauchtkamerahändler 1999 in Meguro/Tokyo gekauft um die Flut an Eindrücken, die auf mich fast schon erdrückten, durch die Linse zu bündeln.  

Du behältst Deine Werke nicht nur für Dich. Einige Bilder kann man auf Deinem Blog Travels in Japan finden, andere in Online-Fotogalerien. Aber Du stellst auch immer wieder neue Themen in der Gegend aus, beispielsweise das Gemeinschaftsprojekt Parallelwelt im letzten Jahr 2009. Dein Name als Fotograf wächst dadurch sicher. Was kann man als nächstes von Dir sehen?

Ich hatte leider in den letzten zwei Jahren wenig Zeit, mich um eine neue Publikation oder eine Ausstellung zu kümmern. Meine letzte Gemeinschaftsausstellung mit Sandra Lode fand im September 2009 in der Buchhandlung Himmelheber, Heidelberg statt. Ich kann noch nichts genaues für 2010 sagen, aber ich plane eine Soloretrospektive zu Japan. Updates sind auf meinem Blog www.travelsinjapan.blogspot.com zu finden.

Würdest Du gerne eines Tages in der Lage sein ausschließlich von der Fotografie zu leben, oder möchtest Du es lieber als Freizeitbeschäftigung ohne Einkommensdruck beibehalten?

Ich sehe meine Fotografie nicht als Freizeitbeschäftigung, sondern als Verarbeitung meiner Eindrücke in Japan an, und möchte sie daher nicht zu meinem Hauptberuf machen. Kreativität, die unter dem Druck von Aufträgen geschieht, verändert immer das resultierende Werk, im Positiven wie auch Negativen. Ich möchte einen unmittelbaren Eindruck meiner Gefühlswelt wiedergeben, ohne dass mir vorgegeben wird, was ich darzustellen habe.

Was geschieht mit den tollen Bildern? Vielleicht ein Bildband?

Im Zuge von „Projekt Neuland“ hatten wir 2007 eine Publikation herausgebracht, die aber leider nur eine Auflage hatte. Ich arbeite gerade an einem Fotoband zu Japan, der aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

Du bist auf Deinem Blog auf eine coole Sache gestoßen, das Japenglish. Als Fotograf bist du schon vorbestimmt deine Funde bildlich für unsereins festzuhalten. Wusstest Du, dass ein Kollege aus der Sinologie, namentlich Oliver Lutz Radtke sehr großen Erfolg mit Chinglish hatte? Kannst Du Dir vorstellen mehr aus Japenglish zu machen?

„Japenglish“ ist schon ein recht altes Thema, zu dem es einige witzige Webseiten und Bücher gibt. Dass „Chinglish“ gerade so viel Erfolg hat, liegt auch daran, dass der Fokus erst vor einigen Jahren in Richtung China gegangen ist und somit noch viel Neuland zu erforschen ist.

In welcher japanischen Stadt hälst Du Dich am meisten auf?

Ich halte mich während meiner Arbeit wie auch privat am meisten in Tokyo und Kyoto auf.

Was sollte jemand, der nur einen Tag vor Ort verbringt, keinesfalls verpassen?

In Tokyo: Auf den Mori-Tower in Roppongi hoch und einen Blick auf die Stadt werfen, die sich wie ein riesiges organisches Monster unter dem Schauenden ausbreitet, danach auf die Yanaka-Ginza fahren, ein Bier auf der Straße trinken im Sonnenschein und dem Gewusel der Menschen dabei zuschauen, dann gemütlich über den alten Yanaka-Friedhof nach Ueno bummeln, schnell das Nationalmuseum mitnehmen und abends in Shibuya essen gehen.

In Kyoto: Frühstücken im Hauptbahnhof von Kyoto mit seiner atemberaubenden Architektur, schwelgen in buddhistischer Schönheit im Sanjusangendo, nachmittags Bummel zwischen den tausenden Toren des Fushimi Fuchsschreins, abends irgendwo in Kawaramachi essen gehen, möglichst mit Blick auf den kleinen Fluss dort.

Mit welchem wesentlichen Kultur-Unterschied muss ein Besucher rechnen?

Der größte Kulturunterschied auf den ersten Blick dürften die rasante Lebensgeschwindigkeit in den japanischen Großstädten sein, sowie die grelle Reklame und der ohrenbetäubenden Lärm der tausend Restaurantschreier und Lautsprecher an jeder Ecke. Das moderne Japan hat nur sehr wenig zu tun mit dem Bild, das in den europäischen Medien vermittelt wird. Tiefergehenden Kulturunterschiede fallen erst auf, wenn man die Sprache spricht und dort längere Zeit lebt. Als Tourist kommt man damit nur selten in Berührung. Da Japan an der Oberfläche ein ungemein modernes Land ist, dürfte ein allzu großer Kulturschock eigentlich ausbleiben.

Wirst Du eines Tages nach Japan auswandern?

Es fällt mir sehr schwer, diese Frage zu beantworten. Der Vorteil meiner Tätigkeit ist, dass ich von Deutschland und Japan meistens nur wenig Alltag mitbekomme und somit eher die Vorteile als die Nachteile beider Länder genießen kann. Es gibt vieles, was ich an beiden Ländern schätze und zur Zeit möchte ich mich nicht auf eine Kultur festlegen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, wieder für einige Jahre in Japan zu leben, nur steht diese Option zur Zeit nicht zur Debatte, da ich das „Wandern zwischen den Welten“ noch sehr reizvoll finde.

Herzlichen Dank, Christian Numrich!

 

Mehr von Christian Numrich im Web:

http://travelsinjapan.blogspot.com
http://www.parallelwelten.eu

 

Das SHAN-Interview führte Kristina Bodrozic-Brnic.

 

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Rezension: "Die Sterblichen" von Yiyun Li

„Am 21. März 1979 begann der Tag für Lehrer Gu vor Sonnenaufgang, als er erwachte und sah, dass seine Frau still in ihre Decke weinte. Es war ein Tag der Gleichheit, so war es Lehrer Gu zumindest oft erschienen, wenn er über das Datum nachdachte, die Frühlingstagundnachtgleiche, und dann fiel es ihm wieder ein: Das Leben ihrer Tochter sollte an diesem Tag enden, an dem weder die Sonne noch ihr Schatten herrschte.“

Während sich in Peking die Lage rund um die Mauer der Demokratie zuspitzt, soll in Yiyun Lis erstem Roman „Die Sterblichen“ in der nordchinesischen Kleinstadt Hunjiang die „unbußfertige Konterrevolutionärin“ Gu Shan nach zehnjähriger Inhaftierung hingerichtet werden. Die Ankündigung ihres Todes stößt eine ganze Reihe von Verwicklungen an. Da ist zunächst Lehrer Gu, ein Intellektueller, der seine Tochter schon seit langem nicht mehr versteht und sich zunehmend in gedankliche Zwiegespräche mit seiner ersten Frau flüchtet. Ihm gegenüber steht die junge Nachrichtensprecherin Kai, einst Theaterschauspielerin und jetzt Ehefrau eines einflussreichen Mitglieds der Stadtverwaltung. Während ihr Mann von der Exekution politisch profitiert, grübelt sie darüber, wie leicht es damals sie anstelle ihrer ehemaligen Schulkameradin Gu Shan hätte treffen können. Auch der als Tunichtgut bekannte Bashi interessiert sich für die Hinrichtung bzw. vor allem die Beerdigung der „Konterrevolutionärin“, wobei der Sohn eines Kriegshelden aus dem Koreakrieg ein ganz besonderes Anliegen hat: „Bashi war neunzehn und hatte noch nie die Geschlechtsteile eines Mädchens gesehen“. Schließlich wird die verkrüppelte Nini dazu verdonnert mit ihren kleinen Schwestern einen Blick auf die „Konterrevolutionärin“ zu werfen, die ihre Familie einst ins Unglück gestürzt hat. Am Abend des 21. März ist Gu Shan tot und Hunjiang hätte ihr Ableben wohl bald vergessen. Stattdessen entschließt sich Kai jedoch, während in Peking die Faktionskämpfe um den zukünftigen politischen Kurs toben, mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter eine öffentliche Kundgebung für die posthume Rehabilitierung Gu Shans abzuhalten.

Auf einprägsame Weise stellt die seit 1996 in den USA lebende Yiyun Li so anhand des Mikrokosmos einer nordchinesischen Kleinstadt dar, wie unsicher der politische Kurs in China ist und wie sehr die politischen Richtungskämpfe in Peking das Tagesgeschehen beeinflussen. Denn, so muss Kais Ehemann feststellen, was heute die Karriere fördert, kann morgen fatal sein. Niemand kann sich der Politik entziehen: Wer heute Opfer ist, war gestern vielleicht Täter, wie das Beispiel der in den Roten Garden sehr aktiven Gu Shan zeigt. „Die Sterblichen“ (im Original „The Vagrants“) eröffnet somit besonders dem „Laien“ einen interessanten Blick auf eine im „Westen“ eher unbekannte Episode der jüngsten chinesischen Geschichte, wobei man sich allerdings zum besseren Verständnis ein Glossar bzw. einen kurzen historischen Abriss wünschen würde. Schließlich handelt es sich aber auch für den Sinologen um einen in jedem Fall lesenswerten Roman – gerade weil man ihn (angesichts der thematischen Brisanz nicht verwunderlich) nicht auf amazon.cn bestellen kann.


Andrea Warlies


Yiyun Li (Autorin)
Anette Gruber (Übersetzung aus dem Englischen)
Die Sterblichen
Carl Hanser Verlag, 2009
379 Seiten
ISBN: 978-3-446-23421-5
EUR 21,50

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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