Newsletter August 2008 Nr. 25

INHALT

"Die beiden wichtigsten Eigenschaften sind Fexibilität und Gelassenheit."

Karin Benkelmann hat bis 2006 in Heidelberg Moderne Sinologie im Hauptfach sowie Anglistik und öffentliches Recht als Nebenfächer studiert. Nach ihrem Abschluss arbeitet sie zunächst für ein deutsches mittelständisches Unternehmen in China. Mit SHAN sprach sie über ihren Berufseinstieg, Vorraussetzungen für die Arbeit in China und das Interesse des deutschen Mittelstandes an Sinologen.

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Taiwan wählt einen neuen Präsidenten

Die diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Taiwan endeten mit einem deutlichen Sieg des KMT Kandidaten Ma Ying-jeous. Malte Kaeding hat für SHAN den Wahlkampf und das Ergebnis analysiert.

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Die Werke von Otto Braun, Peter Wladimirow und Zheng Chaolin in der VR China: Schwarze Bücher, interne Dokumente und geheime Übersetzungen

In den letzten fünf Jahren sind in der Volksrepublik China eine Reihe von interessanten "schwarzen" Büchern erschienen. Schwarz sind die Einbände, ob diese Bücher auf dem Schwarzmarkt verkauft werden, ist leider nicht bekannt. Das Besondere an dieser Reihe ist, dass die Werke nur intern (NEIBU) vertrieben werden. Alle bekannten Bände behandeln kontroverse Aspekte der Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas, wobei die Frühgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre im Vordergrund steht.

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EACS-Tagung in Lund

Sechzig Jahre nach dem ersten Treffen von knapp 20 "Junior Sinologues" in England, und zwei Jahre nach der letzten Konferenz in Slowenien, trafen sich im August 2008 mehr als 250 Mitglieder der European Association for Chinese Studies in Schweden. Ihnen wurden an der größten Universität Skandinaviens über 200 Vorträge über zahlreiche Themen aus den Bereichen Archäologie, Erziehung, Geschichte, Kunst, Linguistik, Literatur, Philosophie, Politik, Recht, Soziologie und Wirtschaft geboten.

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Veranstaltungskalender

Ausstellung: Chinesische Tuschemalerei I

23.08.08 - 13.09.08, Stadthalle, Rathausstraße 3, Hockenheim: Ausstellung von Xiaolan Hunagpu, Künstler und Professor für Bildende Kunst an der Pädagogsichen Universität in Dalian.

Ausstellung: Chinesische Tuschemalerei II

23.07.08 - 22.09.08, Universitätsklinikum, Hauptgebäude (Haus 6), Theodor-Kutzer-Ufer 1- 3, Mannheim: Ausstellung von Liu Guangyun, Künstler und Professor für Design an der Nationalen Kunstakademie Hangzhou.


"Die beiden wichtigsten Eigenschaften sind Fexibilität und Gelassenheit."

Karin Benkelmann hat bis 2006 in Heidelberg Moderne Sinologie im Hauptfach sowie Anglistik und öffentliches Recht als Nebenfächer studiert. Während des Studiums war sie ein Jahr an der Beijing Foreign Studies University und hat ein halbjähriges Praktikum bei Daimler-Chrysler in Malaysia gemacht. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie zunächst für ein deutsches mittelständisches Unternehmen in China. Aus dieser Zeit stammt das Interview. Inzwischen arbeitet Frau Benkelmann als Lehrerin an einer Sprachschule für Ausländer und Chinesen in Shanghai.

SHAN: Frau Benkelmann, wie haben Sie der Schritt vom Studium ins Berufsleben gemacht?

Benkelmann: Während meiner Arbeit als Messehostess in Frankfurt habe ich auch am Stand der Firma Jung gearbeitet. Als der Leiter der Exportabteilung erfahren hat, dass ich Chinesisch kann, hat er mich direkt darauf angesprochen, dass sie jemanden für ihr Büro in Shanghai bräuchten, der Kenntnisse der chinesischen Sprache und Kultur hat. Nach der Messe sind wir dann in Kontakt geblieben. Als ich ein halbes Jahr später meinen Abschluss hatte, habe ich das Angebot von Jung angenommen. Zuerst war ich drei Monate in Deutschland in der Zentrale, um angelernt zu werden. Jung verkauft Lichtschalter und Gebäudesysteme, was nicht gerade der Fachbereich von Sinologen ist... Danach bin ich nach Shanghai gekommen, um das Büro vor Ort zu leiten.

Könnten Sie für unsere Leser Ihre Arbeit vor Ort beschreiben?

Ich bin hier vor allem im Bereich Sales & Marketing tätig und hierbei insbesondere für die internationalen Designer und Architekten, aber auch immer mehr für chinesische Kunden, da es sehr positiv aufgenommen wird, wenn die deutsche Chefin die Produkte auf Chinesisch vorstellt. Die Produkte müssen zunächst den Architekten, Designern und Innenausstattern vorgestellt werden. Wenn diese davon überzeugt werden können, empfehlen sie diese für ein Bauprojekt, wenn sie den Zuschlag erhalten. Jung stattet vor allem Hotels, Büros und Fabriken aber auch Privatvillen und Labore aus. In meinen Tätigkeitsbereich fallen auch das Organisieren von Ausstellungsständen, Werbung in Fachzeitschriften, Weiterleitung von Informationen an unsere Distributoren sowie alltägliche Verwaltungsaufgaben.

Was sind in Ihren Augen die größten Probleme, denen deutsche mittelständische Unternehmen in China ausgesetzt sind?

Gerade deutsche Mittelständler sind auf Grund ihrer oft langen Familientradition sehr unflexibel und schwerfällig in ihren Entscheidungs- und Anpassungsprozessen. Für die Chinesen dauern diese viel zu lange, da man in China sehr schnell und flexibel auf den Markt reagieren muss. Oftmals herrschen in der Zentrale in Deutschland darüber hinaus Unkenntnisse über die Verhältnisse in China. Man ist sich nicht im Klaren darüber, was "die da drüben" eigentlich machen. Es fällt bodenständigen, ortsverbundenen Mittelständlern schwer, sich in das chinesische Gegenüber hineinzuversetzen. Daher wollte Jung beispielsweise jemanden aus den eigenen Reihen nach China schicken, um ein besseres Verständnis für das Chinageschäft zu erlangen.

Ein krasser Unterschied zwischen Deutschland und China ist in dieser Branche die Kundenbetreuung. In Deutschland ist die Beziehung zum Kunden sehr locker. Die Arbeit bezieht sich eher auf die Koordinierung von Projekten. In China dagegen muss man zunächst intensiv in den Aufbau des Verhältnisses investieren. Ohne gegenseitige Sympathie läuft hier so gut wie nichts. Der Arbeitsaufwand ist dementsprechend höher als in Deutschland. Arbeiten die Angestellten dort etwa 37-40 Stunden in der Woche, so sind es hier 60-70 Stunden.

Ein großes Problem ist darüber hinaus die Mitarbeiterfluktuation in China. Mitarbeiter binden sich nicht an eine Firma, wie das oft in Deutschland der Fall ist, sondern an die Person des Chefs. Dieser muss seine Angestellten durch Anreize bei Laune halten. Dazu zählen natürlich Gehaltserhöhungen und Trainingsmöglichkeiten, aber auch Essens- und Karaokeeinladungen.

Welchen Stellenwert hat das Thema interkulturelles Management beim deutschen Mittelstand im Allgemeinen?

Dies hängt ganz sicher von der Abteilung ab. Der Exportchef bei Jung war sich dessen ganz deutlich bewusst und wollte daher jemanden mit Sprach- und Mentalitätskenntnissen, der schon mal in China gelebt hat, und nicht unbedingt jemanden mit technischen Kenntnissen. Er war sich im Klaren, dass interkulturelle Kenntnisse wichtig sind. Selbst wenn viel Wissen aus interkulturellen Managementhandbüchern stammt, von denen es gute und schlechte gibt, so war er doch darauf bedacht, eine Sinologin und nicht einen BWLer einzustellen. Mit mittelständischen Geschäftsführern sieht es natürlich anders aus. Bei diesen ist es weitaus schwieriger, Verständnis zu erzielen. Jedoch wird es von deren Seite hoch angesehen, wenn jemand bereit ist, nach China zu gehen.

Wie sehen Sie die beruflichen Chancen für Sinologen im deutschen Mittelstand?

In Deutschland selbst sieht das schwierig aus. Wenn man jedoch bereit ist, für das Unternehmen nach China zu gehen, hat man gute Chancen, umso mehr wenn man von sich aus auf das Unternehmen zugeht. Denn viele Mittelständler sind genau wie ihre Mitarbeiter und Angestellten sehr heimatverbunden und wollen nicht ins Ausland gehen. Am besten ist es daher, sich in einer solchen Angelegenheit direkt an die Exportabteilung zu wenden, auf den sinologischen Hintergrund zu verweisen und anzufragen, ob in China jemand benötigt wird.

Welche Vorteile hat Ihr Sinologiestudium für Ihre derzeitige Tätigkeit in China gebracht?

Wirklich sehr viel. Meine aktuelle Arbeit wäre ohne Sprachkenntnisse und fundiertes wissenschaftliches Hintergrundwissen sehr schwer bis unmöglich. Sechs von meinen sieben Mitarbeitern sprechen kaum Englisch. Und gerade bei den chinesischen Kunden ist eine Produktvorstellung auf Chinesisch sehr gerne gesehen. Darüber hinaus lernt man allgemein im Studium, sich schnell in komplizierte Sachverhalte einzuarbeiten. Bei der ersten Arbeitsstelle hat man selten wirklich Ahnung von der Materie, aber ist in der Lage, sich schnell einzuarbeiten. Speziell bei meiner derzeitigen Tätigkeit sind wie bereits erwähnt Chinesischkenntnisse unabdingbar. Ohne diese wäre ich vollständig auf meine Mitarbeiter angewiesen und könnte kaum auf Informationen in chinesischer Sprache zurückgreifen. Auch der Aufbau einer Vertrauensbasis, die für die Zusammenarbeit in China ganz besonders wichtig ist, wäre nicht möglich.

Welche Fähigkeiten sollte Ihrer Meinung nach ein Sinologe insbesondere mitbringen, wenn er für ein Unternehmen in China arbeiten möchte?

Die beiden wichtigsten Eigenschaften sind meines Erachtens Flexibilität und Gelassenheit. Flexibilität insofern, dass es, wenn man mit China zu tun hat, sowohl privat als auch im Beruf grundsätzlich anders kommt als man denkt. Das heißt, eine deutsche Denkweise im Sinne von genauer und minutiöser Planung stößt schnell an ihre Grenzen. Man kann einen Rahmen festlegen, in dem sich dann verschiedene Szenarien ergeben können, mehr jedoch nicht. Auch wenn man bis ins Detail plant, irgendetwas geht immer schief. Daher braucht man auch eine gute Portion an Gelassenheit und Geduld. Man muss für sich einen Weg finden, um diese Gelassenheit zu gewinnen, wobei auch die eigene Kreativität eine große Rolle spielt. Man kann sich zum Beispiel einen Mitarbeiter als Ansprechpartner und Vertrauten suchen, der einem Ratschläge aus der chinesischen Sicht gibt. Kommunikationskompetenzen sind hier natürlich extrem wichtig, denn auch hier ist man in vielen Situationen mit einer rein deutschen Sicht der Dinge schnell mit seinem Latein am Ende.

Neben diesen Fähigkeiten sind natürlich auch Praktika in China wichtig, die einem das nötige Maß an interkulturellen Fähigkeiten und eventuell auch den wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund zugänglich machen.

Was fehlt dem Studium der Sinologie in Heidelberg Ihrer Meinung nach?

Es fehlt an wirtschaftswissenschaftlichen Angeboten, die sich zum Beispiel auf den chinesischen Markt und dessen Abläufe beziehen. Gerade im Hauptstudium kommen Kenntnisse der chinesischen Wirtschaft zu kurz, obwohl sich im Grundstudium die Sinologie in die vier Bereiche Wirtschaft, Politik, Literatur und Geschichte gliedert. Dies ist sinnvoll und richtig, sollte aber im Hauptstudium fortgeführt werden.

Ein Verbesserungsvorschlag meinerseits bestünde darin, Mitarbeiter von Unternehmen einzuladen, Veranstaltungen zu geben oder Vorträge zu halten, in denen die tatsächliche Geschäftspraxis auf dem chinesischen Markt vorgestellt wird. Gerade in Rente gegangene Manager könnte man dafür sicher zu gewinnen. Export- und Vertriebschefs wären hierfür eine wichtige Zielgruppe. Natürlich müsste das Institut in dieser Angelegenheit auf die Firmen zugehen.

Was waren beim Einstieg in den Beruf die größten Herausforderungen für Sie persönlich?

Das Erlernen des technischen Vokabulars auf Chinesisch, als Hauptunterschied zum Studium das konkrete Organisieren von Angelegenheiten in Zusammenarbeit mit Chinesen, Strukturen in der chinesischen Tochterfirma begreifen und das Vertrauen der Mitarbeiter als wichtigsten Grundstock für deren Bindung zu gewinnen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Cora Jungbluth

 

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Taiwan wählt einen neuen Präsidenten

Die diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Taiwan endeten mit einem deutlichen Sieg Ma Ying-jeous. Er konnte 58% der Stimmen auf sich vereinigen und beendete damit die achtjährige Regierungszeit der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), deren Kandidat Hsieh Chang-ting 41% der Stimmen erhielt. Mit dem Erfolg der Kuomintang (KMT) bei den Parlamentswahlen im Januar - ihre Koalition gewann 86 der 113 Sitze des Legislative Yuan (DPP: 27) - war ein Sieg des Kandidaten der KMT allgemein erwartet worden.

Ende der Ära Chen Shui-bian

Die Wahl kann als klassische Wechselwahl interpretiert werden. Die taiwanesische Bevölkerung traute der DPP nicht länger zu, dem Land besonders im ökonomischen Bereich neue Impulse zu verleihen. Es herrschte ein Gefühl der allgemeinen Stagnation. Seit dem Amtsantritt Chens im Jahre 2000 verfügte die DPP über keine Mehrheit im Parlament und nach 2004 blockierten die KMT und ihre Schwesterpartei – die People’s First Party (PFP)– als Fundamentalopposition sämtliche Gesetzesinitiativen der Regierung. De facto waren Chen und die DPP nur sehr eingeschränkt fähig, ihre Politik durchzusetzen und mussten sich oft mit symbolischer Politik begnügen. Die endlosen Parlamentsdebatten ohne Ergebnis und die permanenten juristischen Scharmützel begannen die Taiwanesen zunehmend zu frustrieren.

Der Hoffnungsträger Chen und die DPP konnten die hohen Erwartungen nicht erfüllen und am Ende büßte die Partei sogar ihr größtes Kapital ein: ihre Glaubwürdigkeit. Die Administration und die Familie Chen Shui-bians waren der Korruption bezichtigt worden, der Berater des Präsidenten und sein Schwiegersohn wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. In den letzten Monaten pendelte sich die Popularitätsrate Chens um magere zwanzig Prozent ein.

Wirtschaft und Identität

Die Wahlkampfkampagne der KMT setzte vor allem auf die Vorstellung der Bevölkerung, dass unter Präsident Chen die wirtschaftliche Entwicklung gelitten hätte und dass man hinter Länder wie Südkorea und Singapur zurückfallen würde. Obwohl die Wirtschaftsdaten äußerst solide waren stagnierte die Lohnentwicklung bei gleichzeitig steigenden Preisen für Grundnahrungsmittel und Energie.

Zur Wiederbelebung der Wirtschaft propagierte die KMT ein massives Infrastrukturprogramm und in erster Linie eine engere Zusammenarbeit mit China im ökonomischen Bereich. Ein Kernpunkt des angestrebten gemeinsamen Marktes auf beiden Seiten der Taiwanstrasse war die direkte Verkehrsverbindung zwischen Taiwan und China, sowie die weitere Ankurbelung des Tourismus durch Besucher vom chinesischen Festland.

Der KMT Kandidat Ma, ehemaliger Bürgermeister Taipeis und Justizminister, wurde als jugendlicher und sauberer Politiker dargestellt, der den Sumpf der DPP Korruption trockenlegen sollte. Da Ma Ying-jeou in Hongkong geboren wurde und die KMT traditionell mit dem Stigma einer Partei der so genannten Festländer zu kämpfen hat, versuchte man in der Kampagne sich vor allem als taiwanesische Partei zu profilieren. Bei Wahlkampfveranstaltungen und in der Wahlkampfwerbung wurden die lokalen Dialekte Taiyu/Minanyu und Hakka verwendet, Ureinwohner, sowie lokales Brauchtum in Veranstaltungen und Reklame eingebaut.

Angst vor China

Die DPP trat mit dem aus Taipei stammenden Hsieh Chang-ting an, einem ehemaligen Premierminister und Bürgermeister von Kaohsiung und einem Veteranen der Demokratiebewegung. Die Partei setzte auf die Erfolge der Regierungszeit Chens und den beeindruckenden Wandel Kaohsiungs in der Amtszeit Hsiehs. Hsieh propagierte das Programm der "glückliche Wirtschaft", in dem weniger auf absolute Wachstumszahlen als auf eine gerechtere Verteilung des Wohlstands abgezielt wurde. Auch die DPP strebte eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China an, Veränderungen sollten jedoch in einem langsameren Tempo implementiert werden.

In den Wahlkampfkampagnen hob die Partei die taiwanesische Identität ihres Kandidaten hervor und warf Ma Ying-jeou – Inhaber einer US Greencard – Illoyalität zu Taiwan vor. Neu war eine negative Angstkampagne, die man zuvor so nur von der KMT in den Jahren 2000 und 2004 gewohnt war. Die DPP wendete sich gegen den gemeinsamen Markt mit China in der Form wie er von der KMT propagiert wurde. Man schürte unter anderem die Angst vor dem massiven Import chinesischer Agrarprodukte, welche eine Gefahr für die Lebensgrundlage der Bauern darstellten. Die Niederschlagung des Aufstandes in Tibet im März durch das Regime in Peking verband man mit der Gefahr einer Einparteienherrschaft durch die KMT. Ein Sieg Mas wurde daher als Ausverkauf Taiwans interpretiert und hätte eine Rückentwicklung des demokratischen Fortschritts zur Folge.

Sieg für Ma Ying-jeou

Die Programme beider Kandidaten waren sich grundsätzlich sehr ähnlich. Mit der effektiven Schwächung der chinesischen Identität Ma’s und der KMT blieben der DPP nur wenige Möglichkeiten neue Fragen auf die Wahlkampfagenda zu setzen. Sie versuchte vergeblich, ihre Angstkampagne gegen eine allgemeine Wechselstimmung und die Dominanz des Themas Wirtschaft durchzusetzen. Die Standardthemen der DPP, taiwanesische Identität, Souveränität, politische Vergangenheit und das Feindbild China, reichten nicht aus, um mehr als die traditionelle Stammwählerschaft der Partei zu mobilisieren.

Es bleibt abzuwarten, ob es Ma Ying-jeou gelingt, eine Balance zwischen seiner im Wahlkampf propagierten taiwanesischen Identität und einer Annäherung an China zu finden. Trotz des deutlichen Wahlsieges verfügt er nur über eine schwache Basis in seiner überaus heterogenen Partei. Seine Macht stützt er auf seine allgemeine Popularität. Diese ist jedoch eng mit schnellen wirtschaftlichen Erfolgen verbunden. Sollten diese ausbleiben, wird man zu aller erst die nun alle Institutionen dominierende KMT zur Verantwortung ziehen.


Malte Kaeding

 

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Schwarze Bücher, interne Dokumente und geheime Übersetzungen: Die Werke von Otto Braun, Peter Wladimirow und Zheng Chaolin in der VR China

In den letzten fünf Jahren sind in der Volksrepublik China eine Reihe von interessanten "schwarzen" Büchern erschienen. Schwarz sind die Einbände, ob diese Bücher auf dem Schwarzmarkt verkauft werden, ist leider nicht bekannt. Das besondere an dieser Reihe ist, daß die Werke nur intern (NEIBU) vertrieben werden. Alle bekannten Bände behandeln kontroverse Aspekte der Geschichte der Kommunistischen Partei Chinas, wobei die Frühgeschichte der zwanziger und dreißiger Jahre im Vordergrund steht, zum Beispiel Konflikte zwischen der KP Chinas und der Kommunistischen Internationale, beziehungsweise zwischen Stalinisten und Trotzkisten; einige Autoren – wie Zheng Chaolin – behandeln aber auch spätere Jahrzehnte.

Die meisten dieser Bücher sind jetzt in China nicht zum ersten mal erschienen, sondern vor mehr als zwanzig Jahren schon einmal gedruckt worden. Die früheren Ausgaben wirkten sehr primitiv und hatten keine Buchnummern; der Verlagsname war damals nicht aufgedruckt, es stellte sich aber heraus, daß die Bände von Chinas einflußreichstem Verlag, nämlich Renmin chubanshe (Volksverlag) stammten. Bei der neuen Ausgabe wird Dongfang chubanshe (Ostverlag) angegeben, der allerdings zum Volksverlag gehört.

Einige der Bücher sind Übersetzungen aus dem Deutschen, Englischen und Russischen, hierzu gehören Otto Brauns Chinesische Aufzeichnungen / Zhongguo Jishi, Peter Wladimirows Sondergebiet Chinas / Yan’an Riji und Wang Mings Memoiren Fünfzig Jahre KP Chinas und der Verrat Mao Zedongs / Zhonggong wushinian.

Andere sind außerhalb der Volksrepublik erschienene chinesische Werke wie Zhang Guotaos The rise of the Chinese Communist Party / Wo de huiyi und Wang Fan-hsis Memoirs of a Chinese Revolutionary / Shuangshan huiyilu. Von dem Trotzkisten Zheng Chaolin wurden verschiedene in mehreren Sprachen erschienene Texte zu einer zweibändigen Gesamtausgabe zusammengefaßt und als Zheng Chaolins Erinnerungen / Zheng Chaolin huiyilu veröffentlicht.

Der Druck und Nachdruck der obengenannten Bücher zeigt, dass in der Volksrepublik China das Interesse an ausländischen Büchern über China und die internationale kommunistische Bewegung sehr groß ist. Im Gegensatz zu den Werken von "Chinafreunden" wie Egon Erwin Kisch und Edgar Snow will man jedoch kontroverse Darstellungen der allgemeinen Öffentlichkeit nicht zumuten. Daß derartige Ausgaben trotzdem meist schnell in die Hände von Akademikern und Studenten gelangen, wird seit langem stillschweigend akzeptiert. Allerdings gibt es in den Vor- und Nachworten der Bände oft Hinweise, in denen davor gewarnt wird, diese Bücher öffentlich zu zitieren.

Die neuen Ausgaben wurden sorgfältig ediert und enthalten teilweise aufschlußreiche Einleitungen und Fußnoten; daher sind sie auch für LeserInnen nützlich, die die Originaltexte schon kennen.

Literatur:

Quanguo Neibu Faxing Tushu Zongmu 1949-1986, Beijing, 1988.
Thomas Kampen: Chinese Translations of Foreign Publications on the History of the CCP and the People's Republic of China, CCP Research Newsletter, Nr. 6-7(1990), S. 8-19.
Ders.: Interne chinesische Übersetzungen umstrittener westlicher Bücher in den sechziger und siebziger Jahren
Ders.: 170 Chinese translations of Western books about Modern China


Dr. Thomas Kampen

 

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EACS-Tagung in Lund

Sechzig Jahre nach dem ersten Treffen von knapp 20 "Junior Sinologues" in England, und zwei Jahre nach der letzten Konferenz in Slowenien (NL 07-01), trafen sich im August 2008 mehr als 250 Mitglieder der European Association for Chinese Studies in Schweden. Ihnen wurden an der größten Universität Skandinaviens über 200 Vorträge über zahlreiche Themen aus den Bereichen Archäologie, Erziehung, Geschichte, Kunst, Linguistik, Literatur, Philosophie, Politik, Recht, Soziologie und Wirtschaft geboten.

Auf der Mitgliederversammlung wurden die Präsidentin B. Staiger, der Sekretär R. Sterckx und der Schatzmeister M. Richter in ihren Ämtern bestätigt. M. Kaun hielt als Vertreter der European Association of Sinological Librarians außerdem einen Vortrag über Bibliotheken und Datenbanken.

Die Höhepunkte der Konferenz waren für viele Anwesende die Vorträge von Professor G. Malmqvist über die europäische Sinologie der Nachkriegszeit und von Professor K. Schipper über die Gründung der EACS in den siebziger Jahren. Außerdem konnten die Teilnehmer die Übertragung der Eröffnung der Olympischen Spiele und Ausschnitte aus dem vor 75 Jahren gedrehten Film Queen of Sports (Tiyu huanghou) mit der Schauspielerin Li Lili sehen.

Nach langer Zeit wurde auch – wie vor einem halben Jahrhundert – wieder ein Gruppenphoto der TeilnehmerInnen gemacht. Heidelberger (J. Altehenger, N. Frisch, L. Henningsen, T. Kampen, N. Kim, J. May, U. Middendorf, N. Statu und Tsai S.) und Ex-Heidelberger waren wieder besonders aktiv. Weitere Informationen werden im nächsten EACS Newsletter veröffentlicht. Die nächste Tagung der EACS soll in zwei Jahren in Riga stattfinden.


Dr. Thomas Kampen

 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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