Newsletter Dezember 2006 Nr. 6

INHALT

Veranstaltungstips:

„Affenkönig, Dämon, Hausfrau“ - Ausstellung chinesischer Marionetten

Erstmals macht der Heidelberger Christopher Fuhn seine Sammlung chinesischer Marionetten der Öffentlichkeit zugänglich. Die Ausstellung wurde von Studenten des Zentrums für Ostasienwissenschaften der Universität Heidelberg erarbeitet. Die Eröffnungsfeier findet am Montag, den 4. Dezember ab 20 Uhr im Universitätsmuseum in der Grabengasse 1 statt. Nach einer Begrüßung durch Frau Prof. Mittler werden Fabian Münter und Ke Peng in die Ausstellung einführen.

Taiwan-Tag

Taiwan möchte offensichtlich der umfassenden Präsenz Chinas im Bewusstsein vieler Akademiker etwas entgegensetzen. Am kommenden Montag, den 04. Dezember veranstaltet das Akademische Auslandsamt der Universität Heidelberg und die Taipeh Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in der Hauptstraße 242 einen gemeinsamen Tag, um Taiwan zu präsentieren.
Sprechen werden unter anderem der Repräsentant von Taiwan, Herr Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh sowie Prof. Dr. Aurel Croissant vom Institut für Politikwissenschaft.

Vortrag: China als Europa des Ostens?

Am Montag, den 18. Dezember, hält Dr. Manfred Osten in der Aula der Neuen Universität einen Vortrag mit dem Titel Das "Europa des Ostens"? Konfuzius oder Chinas neue außen-kulturpolitische Herausforderung. Dr. Manfred Osten ist ehemaliger Generalsekräter der Alexander von Humboldt-Stiftung und war lange Jahre im auswärtigen Dienst tätig, unter anderem in Japan. Der Vortrag findet im Rahmen des Studium Generale statt, das dieses Semester unter dem Motto “Streit der Kulturen” steht. Beginn der Veranstaltung ist um 19.30 Uhr in der Alten Aula, Grabengasse 3.

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„Ich zeige Dinge, die nicht mal die Taiwanesen selbst kennen.“

Der taiwanesische Regisseur Isaac Li hatte einen Job als Ingenieur in der Tasche und entschied sich, lieber Filme zu machen. SHAN traf ihn im Rahmen des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg und sprach mit ihm über sein neues Werk und die Situation des taiwanischen Films.

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Rezension: "Danche Shang Lu" von Isaac Li

„Ich wollte in diesem Film die Besonderheiten des Suhua-Highway zeigen“, so erklärt Regisseur Isaac Li (geb. 1966) dem Publikum nach der Vorstellung. Der Film ist sein Erstlingswerk, das er beim diesjährigen Filmfestival Mannheim-Heidelberg präsentiert. SHAN hat sich seinen Film "Danche Shang Lu" angesehen und sagt, ob es sich lohnt, ihn zu sehen.

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Rezension: "Memoiren" von Ruth Weiss

Juliane Ruth Felizitas Weiss, die in China als Wei Lushi bekannt war, starb am 6. März 2006 nach langer Krankheit in Beijing. Sie wurde 97 Jahre alt und stammte aus einer ganz anderen Zeit und Welt. Wenige Monate vor ihrem Tod erschien eine - unveränderte - Neuauflage ihrer zuerst 1999 gedruckten Memoiren "Am Rande der Geschichte - Mein Leben in China" in der Wagener Edition.

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Bibliographie: Deutschsprachige Chinawissenschaften im 20. Jahrhundert

Spätestens seit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas und Taiwans seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gewinnt die Sinologie in Deutschland an Bedeutung. Für Interessierte haben wir eine Literaturübersicht zu den deutschen Chinawissenschaften des 20. Jahrhunderts zusammengestellt.

In den letzten fünfzehn Jahren sind zahlreiche Publikationen über die deutschsprachigen Chinawissenschaften erschienen; auch in China sind inzwischen mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht worden.

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Praktika: Übersicht für mögliche Anlaufstellen im öffentlichen Sektor

Von unserer grundsätzlichen Empfehlung, keine unbezahlten Praktika zu absolvieren, machen wir bei öffentlichen Institutionen eine Ausnahme. Diese können aufgrund von Bestimmungen oder finanzieller Beschränkungen keine Vergütung anbieten, aber der Umfang dessen, was man im Praktikum lernen kann und die Kontakte, die man darueber bekommt machen das wett.
Um die Praktikumssuche in diesem Bereich zu vereinfachen, haben wir für Sie eine Liste mit möglichen Institutionen sowie deren relevanten Internetadressen zusammengestellt.

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„Ich zeige Dinge, die nicht mal die Taiwanesen selbst kennen.“

Isaac Li hatte ein Diplom von Taiwans renommiertester Universität und einen Job als Ingenieur in der Tasche. Trotzdem entschied er sich, Regisseur zu werden. SHAN traf ihn im Rahmen des Mannheim Heidelberg-Filmfestivals und sprach mit ihm über seinen neues Werk und die Situation des taiwanischen Films.

Warum haben Sie sich entschieden, Regisseur zu werden?

Ich hatte nie wirklich eine Ausbildung als Regisseur. In Taiwan ist es üblich, daß man als Junge entweder Ingenieurswissenschaften oder Medizin studiert. Die eigenen Interessen werden kaum berücksichtigt. Ich habe dann während des Studiums gemerkt, dass mich das Ingenieurswesen doch nicht so intereissert und dass ich lieber Filme machen will. Aber das ist nicht leicht. Damals habe ich mich gefragt: was für ein Mensch willst du sein? Ich habe ein halbes Jahr lang nachgedacht. Ich bin der erste Absolvent der Technischen Fakultät der Taiwan University, der nicht in einem technischen Beruf arbeitet.

Sie haben als Dokumentarfilmer angefangen. Wie kamen Sie zum Spielfilm?

Man muss viel Glück haben, um einen richtigen Film machen zu können. Die jungen Regisseure fangen alle mit Dokumentarfilmen an, weil das billiger ist - man kann einfach eine Kamera mitnehmen und anfangen zu filmen. Es ist normal, dass man erst mit Mitte 30 seinen ersten richtigen Film macht.

„ Danche shang lu “ ist Taiwans erstes Roadmovie. Warum haben Sie dieses Genre gewählt?

Bei Roadmovies muss man viel draußen filmen, das ist mit hohem technischen und finanziellen Aufwand verbunden. Taiwanesische Filme werden normalerweise fast nur in Innenräumen gedreht, das ist leichter zu bewerkstelligen. Die Filme, die Sie vielleicht kennen, spielen alle in der Großstadt, ihre Grundstimmung ist meistens düster. Die heutigen Jugendlichen können damit nicht viel anfangen.

Was bedeutet der Titel „Danche Shang Lu“?

„Shang lu“ ist chinesisch für „sich auf den Weg machen“. Man soll aufbrechen und seinem Traum folgen. Das Fahrrad (danche) steht für Jugend, Romantik und Freiheit. Der englische Titel („The Road in the Air“) bezieht sich auf den Suhua-Highway. Eine gewundene Straße, die in den Wolken zu schweben scheint.

Fahren Sie auch selbst gerne Rad?

Ja. Bevor ich diesen Film gemacht habe, bin ich selbst auf dem Suhua-Highway Rad gefahren. Nur wenn man sehr sehr langsam fährt, kann man die Atmosphäre dieses Ortes, das Geräusch des Meeres und der Berge, wirklich aufnehmen. Die Straße ist gefährlich, aber sehr schön. Als ich nach einem sehr anstrengenden Abschnitt Pause gemacht habe, hatte ich eine traumhaften Blick aufs Meer. Das sind Dinge, die man nicht mehr vergisst. Man fühlt sich völlig zufrieden. Das Drehbuch zum Film stammt allerdings nicht von mir, sondern von einem Autor, der eigentlich Jugendbücher schreibt. Er kommt aus Hualian und ist von Taibei aus über den Suhua-Highway mit dem Rad nach Hause gefahren. Er hat mir viel von seiner Tour erzählt, und ich fand das interessant.

Spiegeln die Figuren im Film die Situation heutiger Jugendlicher in Taiwan wieder?

Taiwanesische Jugendliche haben viele Probleme. Wenn sie etwas angestellt haben, bringen sie nicht den Mut auf, sich ihrer Schuld zu stellen, und fliehen stattdessen vor der Realität. Sie hängen in Internetbars rum oder schauen fern. Die Zahl der Schulabbrecher ist in Taiwan sehr hoch. Mein Cousin ist Pfarrer und arbeitet mit solchen Kindern. Er fährt mit ihnen viel Fahrrad, um ihnen eine Herausforderung zu bieten und ihnen das Gefühl zu vermitteln, ein Ziel zu haben. Damit hat er großen Erfolg. Das war für mich auch eine Anregung, diesen Film zu machen.

Was ist Ihre Botschaft an diese Generation?

Das wichtigste ist, dass man Problemen unbedingt ins Auge sehen muss. Egal wohin man geht oder was man will, egal wie romantisch und frei man sich gerade fühlt, wenn man mit sich selbst nicht im Reinen ist, dann findet man keinen Ausweg. Träume sind wichtig, aber man muss auch zu sich selbst finden.

Was wollen Sie dem ausländischen Publikum sagen?

Ausländer kennen meistens nur die Großstadt Taibei. Ich wollte eine andere Seite von Taiwan zeigen. In „Danche Shang Lu“ kommen manche Dinge vor, die nicht mal die Taiwanesen selbst kennen. Zum Beispiel die winzige Insel Xiyuping. Ich habe da einmal einen Dokumentarfilm gedreht. Dort wohnen im Moment zehn Leute. Sechs davon sind alte Leute oder Kinder und vier sind Polizisten wie Lin Zaiyi im Film. Aber die Polizisten haben dort nichts zu tun und schlagen ihre Zeit mit angeln tot. Die Regierung bestraft sie, indem sie sie für drei bis vier Jahre dorthin versetzt.

Was planen Sie als nächstes?

Mein nächster Film soll eine größere Produktion werden. Es geht um die Geschichte Taiwans, und auch um meine eigene Kindheit in Gaoxiong.

Wie betrachten Sie die Zukunft des taiwanesischen Films?

1970 gab es in Taiwan 200 Filme pro Jahr. Heute gibt es nicht mal mehr 20. Die Leute in Taiwan intereieren sich fast ausschließlich für Hollywood-Filme. Wir stecken viel Geld in unsere Filme, aber die Resonanz ist gering. Bei den jetzigen jungen Regisseuren findet ein Umbruch statt. Wir glauben, dass man sich vom Stil älterer Filmemacher losreißen muss. Wir dürfen nicht mehr dieselbe Art von Filmen machen wie früher. Beobachter sind der Meinung, dass mit einigen aktuellen Produktionen bereits eine Veränderung eingesetzt hat.

Hat es seit dem Regierungswechsel in Taiwan im Jahr 2000 Änderungen in der Kulturpolitik gegeben, die sich auf die Filmproduktion ausgewirkt haben?

Die taiwanesische Regierung ist natürlich am kommerziellen Erfolg unserer Filme interessiert, aber es gibt keine einheitliche politische Richtung. Der taiwanesische Markt ist zu klein, als dass wir mit der internationalen Filmwelt konkurrieren könnten. Ich habe mich kürzlich mit Li An darüber unterhalten, und er meinte, dass die Probleme des taiwanesischen Kinos schon vor 30 Jahren dieselben gewesen wären und sich nichts geändert hätte. Es liegt an uns Regisseuren, das selbst in die Hand zu nehmen.

Wendet sich die neue Generation von Filmemachern eher aktuellen Themen zu?

Die jungen Regisseure interessieren sich nicht mehr für die Geschichte. Bei mir ist das anders, aber die meisten machen jetzt Filme über Themen, die gerade bei Jugendlichen angesagt sind. Was wir heutzutage verstärkt diskutieren, ist die Frage, wo diese Generation eigentlich hinwill. Wir wissen nicht genau, wo unsere Zunkunft liegt. Das hat auch mit den politischen Umständen zu tun. Wir wissen ja auch nicht, wie es mit Taiwan in Zukunft weitergehen wird.

Herr Li, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führten Matthias Liehr und Laura Jehl.


 

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14 :: Ein Film in der Luft - „Danche Shang Lu“ von Isaac Li

„The Road in the Air“ – so lautet der englischsprachige Titel des taiwanesischen Films „Danche Shang Lu“. „Ich wollte in diesem Film die Besonderheiten des Suhua-Highway zeigen“, so erklärt Regisseur Isaac Li (geb. 1966) dem Publikum nach der Vorstellung. Der Film ist sein Erstlingswerk, das er beim diesjährigen Filmfestival Mannheim-Heidelberg präsentiert.

Es erzählt die Geschichte von drei Jugendlichen auf der Flucht – vor der Vergangenheit, vor einem kleinen Diebstahl mit großen Folgen, vor der Einsamkeit, vor der Verantwortung. Aber sie sind auch auf der Suche – nach Freiheit, nach der lang vermissten Mutter, nach einem Ausweg aus einer ausweglosen Situation. Ort des Geschehens ist die atemberaubend schöne Landschaft des Suhua-Highway im Osten Taiwans, die im Film beeindruckend ins Bild gesetzt wird. Die Protagonisten sind auf dem Fahrrad unterwegs, das zum Sinnbild wird für Romantik und Abenteuer, aber auch für Langsamkeit und Anstrengung. A-mei, das Schulmädchen, das nach seiner verschollenen Mutter sucht, stielt dem 17-jährigen Draufgänger Yang Ziguo nicht nur sein Fahrrad, sondern auch sein Teenager-Herz. Nach einer wilden Verfolgungsjagd und einer Kussszene bei Vollmond darf A-mei dann auch auf dem Gepäckträger mitfahren. Gemeinsam mit dem Polizisten und Versager Lin Zaiyi machen sie sich auf die Suche nach einer Pflanze namens Qingshui Yuanbo, im Untertitel etwas kryptisch „Shimizu Juniper“ genannt.

Diese äußerst seltene Art wächst nur in Taiwan und ist von Ausrottung bedroht – wie der Zuschauer im Abspann des Films erfährt. Warum dieses Stück taiwanesische Flora seinen Weg in den Film fand, bleibt allerdings unklar. Zunächst denkt man an die blaue Blume, das romantische Symbol für das Streben nach dem Unerreichbaren. Aber als A-mei sie dann tatsächlich findet, realisiert sie, dass ihre Mutter schon längst tot ist. Wir sehen A-mei zum letzten Mal, wie sie mit großen Kulleraugen zu dem Gewächs aufschaut. Ihre Begleiter sind in diesem Moment bereits umgekehrt, um sich „der Realität zu stellen“. Yang Ziguo wird eingebuchtet und Lin Zaiyi wird auf eine winzige Insel versetzt. Stellt euch euren Problemen, flüchtet nicht vor der Realität! So lautet Isaac Lis Botschaft an die Jugend Taiwans. Leider schafft er es nicht, sie glaubwürdig zu vermitteln.

Die Hintergrundgeschichten werden in Rückblicken erzählt, wenn die Protagonisten im Schlaf oder im Tagtraum aus ihrer Postkartenidylle (blaues Meer, blauer Himmel) gerissen und in ihre Vergangenheit zurückgeschleudert werden, die durch Feuer, Regengüsse und Dunkelheit deutlich als solche gekennzeichnet ist. Vergangenheitsbewältigung, Ausweglosigkeit und erste Liebe – an großen Gefühlen will es der Film nicht mangeln lassen. Leider wirkt die Story zu konstruiert, die Gesten und Dialoge sind zu abgedroschen und das Spiel der Hauptdarsteller ist zu laienhaft, um glaubwürdig zu sein. Wenn Yang Ziguo im persilfrischen Sportdress und mit rotgetönter Fransenfrisur lässig an seinem Rad lehnt und meint: „Ich laufe nicht weg, ich brauche nur ein bisschen Zeit, um meine Gedanken zu ordnen“, dann wirkt das so authentisch wie eine Pepsi-Werbung. Und wenn A-mei winselt „Ich kann meine Mama auch alleine suchen gehen“, dann möchte man ihr am Liebsten einen Lolli kaufen. Vielleicht hat man dabei aber auch nur den Fehler gemacht, den wahren Star des Films zu übersehen: den Suhua-Highway, der in den beeindruckenden Panorama-Aufnahmen wirklich eine gute Figur macht. Und ich fühle mich ertappt, wie ich über Fahrradurlaub in Taiwan nachdenke. Insofern hat Isaac Li tatsächlich sein Ziel erreicht.

Laura Jehl


 

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15 :: Ruth Weiss - Am Rande der Geschichte

Juliane Ruth Felizitas Weiss, die in China als Wei Lushi bekannt war, starb am 6. März 2006 nach langer Krankheit in Beijing. Sie wurde 97 Jahre alt und stammte aus einer ganz anderen Zeit und Welt. Wenige Monate vor ihrem Tod erschien eine - unveränderte - Neuauflage ihrer zuerst 1999 gedruckten Memoiren "Am Rande der Geschichte - Mein Leben in China" in der Wagener Edition.

Die am 11. Dezember 1908 in Wien geborene und 1932 dort  promovierte (Germanistik und Anglistik) Ruth Weiss war im September 1933 zu einer Reise nach China aufgebrochen und lebte 1999, als sie ihre Memoiren veröffentlichte, immer noch dort. Am Anfang war nur ein sechsmonatiger Aufenthalt geplant, daraus wurden fast sieben Jahrzehnte, die nur durch einen Aufenthalt in den USA unterbrochen wurden. Im Gegensatz zu anderen bekannten Autorinnen ihrer Generation (Anna Wang, Eva Siao) ging sie nicht mit oder zu ihrem Ehemann nach China. Sie war auch - trotz ihrer jüdischen Herkunft - kein Flüchtling, doch war in den folgenden Jahren auch keine Rückkehr nach Österreich mehr denkbar - ihre Eltern starben in einem Konzentrationslager, sie hatte keine Geschwister.

Das Leben von Ruth Weiss war in vieler Hinsicht ungewöhnlich, sie lebte mehrere Jahre in Shanghai, wo sie den Schriftsteller Lu Xun, Sun Yat-sen's Witwe Song Qingling, die amerikanische Journalistin Agnes Smedley, den Arzt George Hatem (Ma Haide) und einige westliche Kommunisten kennen lernte. Als im Sommer 1937 der japanische Vormarsch bedrohlich wurde, ging sie in das damals von der Guomindang beherrschte Sichuan, blieb dort bis zum Ende des Krieges und heiratete einen chinesischen Akademiker. Von 1946 bis 1951 lebte sie in den USA und arbeitete bei der UNO. Nach ihrer Kündigung beschloss sie mit ihren beiden Kindern nach China zurückzukehren - ihr antikommunistischer Mann blieb in Amerika. In den folgenden Jahrzehnten lebte sie mit den Kindern in Beijing, erhielt die chinesische Staatsbürgerschaft und arbeitete für den Fremdsprachenverlag und Zeitschriften wie People's China, China Reconstructs und China im Bild. Daneben übersetzte sie einige Bücher und schrieb selbst ein Buch über Lu Xun.

Obwohl die Autorin auf drei Kontinenten viel erlebte und zahlreiche interessante Menschen kennen lernte, war sie nicht in der Lage ihre Erlebnisse lesenswert darzustellen. Insgesamt ist das Buch eher langweilig, vor allem die Kapitel über die Volksrepublik. Es gibt kaum Begegnungen mit prominenten Politikern oder interessanten Intellektuellen - mit Agnes Smedley und Song Qingling kam die Autorin nicht besonders gut aus; über das 'einfache Volk' erfährt man wenig. Ruth Weiss hat offenbar jahrzehntelang in einem kleinen Kreis von ausländischen Experten (Rewi Alley, David Crook, Israel Epstein, etc.) gelebt; aber selbst über diese berichtet sie nichts interessantes.

Fazit:
Das Buch ist bedauerlicherweise schlecht strukturiert, anekdotenhaft und besteht aus wenigen, langen unübersichtlichen Kapiteln, sodass man viel Zeit braucht, um die interessantesten Abschnitte zu finden. Die Autorin war keine Schriftstellerin und sie schaffte es nicht, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen; offenbar ist sie vom Verlag auch nicht unterstützt worden.

Leider sind bei der Neuauflage des Buches einige offensichtliche Mängel nicht beseitigt worden. Bedauerlich ist vor allem das Fehlen eines Registers, welches das Studium der mehr als 500 Seiten erleichtert hätte. Es gibt keine Aktualisierungen oder Ergänzungen; da auch die Seitenzahlen identisch sind, können beide Ausgaben gelesen und zitiert werden.

Dr. Thomas Kampen
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Ruth Weiss
Am Rande der Geschichte - Mein Leben in China
Wagener Edition, 2005 (Neuauflage)
ISBN 3-937283-06-4 (978-3-937283-06-7)
EUR 88,00


 

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16 :: Bibliografie - Deutschsprachige Chinawissenschaften im 20. Jahrhundert

In den letzten fünfzehn Jahren sind zahlreiche Publikationen über die deutschsprachigen Chinawissenschaften erschienen; auch in China sind inzwischen mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht worden.

Schon 1990 hatte die European Association of Chinese Studies (EACS)  Sinologie in der Bundesrepublik Deutschland, Westberlin und in der Deutschen Demokratischen Republik (Newsletter no.3) publiziert; allerdings war dieser erste Überblick sehr lückenhaft und - in Folge der Wiedervereinigung - auch bald veraltet.

1997 hat Helmut Martin (1940-1999, Nachruf: http://www.soas.ac.uk/eacs/newsl/nl21.htm#martin) als Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Chinastudien (DVCS) eine Konferenz über die Chinawissenschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz organisiert; die knapp vierzig Beiträge wurden zwei Jahre später veröffentlicht.
Helmut Martin: Chinawissenschaften – Deutschsprachige Entwicklungen, Personen, Perspektiven (Hamburg: Mitteilungen des Instituts für Asienkunde 303, 1999) 678 pp. ISBN 3-88910-214-X. 118 DM
Inhaltsverzeichnis:
http://www.ruhr-uni-bochum.de/oaw/dvcs/konferenzband.html
Rezension von Hartmut Walravens in:
Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens e.V, 167-170 (2000-2001):
http://www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/10/JapanS/Zeitschr/NOAG167/re167_22.html
Chinesische Rezension von Zhang Guogang:  http://ccsh.nankai.edu.cn/noscript/ccsh/xslt/lspl/pinglun/shuping/07.doc
Li Xuetao and Zhang Xiping haben eine chinesische Übersetzung dieses umfangreichen Werkes veröffentlicht.
Ma Hanmao, et al.: Deguo hanxue: Lishi, fazhan, renwu yu shijiao (Zhengzhou: Daxiang chubanshe, 2005) 691 pp. ISBN 7-5347-4021-5. 49.00 Yuan
Katharina Schneider-Roos hat hierüber einen kurzen Artikel geschrieben:
http://www.chinatoday.com.cn/chinaheute/2006/2006n2/p35.htm

Schon in den neunziger Jahren hatte Zhang Guogang eine kurze Darstellung der deutschen Chinawissenschaften verfasst.
Zhang Guogang: Deguo de hanxue yanjiu (Beijing: zhonghua shuju, 1994) 233 pp. ISBN 7-101-01155-1. 8.00 Yuan

Wolfgang Franke, der Sohn von Otto Franke und einer der bekanntesten deutschen Sinologen, hat nach seiner Emeritierung seine Memoiren in zwei Bänden veröffentlicht. der erste Band behandelt seine Studienzeit in Deutschland und seine Forschungen in China.
Wolfgang Franke: Im Banne Chinas – Autobiographie eines Sinologen (Dortmund: Projekt Verlag, 1995) 248 pp. ISBN 3-928861-95-6. 24 DM
(German) Rezension von Ernstjoachim Vierheller in
Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens e.V, 157-158 (1996): http://www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/10/JapanS/Zeitschr/rez157_1.html

Im zweiten Band der Memoiren wird Frankes langjährige Lehrtätigkeit an der Universität Hamburg beschrieben; hier finden sich auch interessante Informationen über die Konferenzen der Junior Sinologues und der EACS.
Wolfgang Franke: Im Banne Chinas – Autobiographie eines Sinologen 1950-1998 (Dortmund: Projekt Verlag, 1999) 300 pp. ISBN 3-89733-039-3. 29 DM
Rezension von Dieter Heinzig:
http://www.projektverlag.de/cathay_11_38.htm
Hans-Wilm Schütte, der ebenfalls in Hamburg an der Universität und im Institut für Asienkunde tätig war, hat die Entwicklung der Asienwissenschaften in Deutschland untersucht.
Hans-Wilm Schütte: Die Asienwissenschaften in Deutschland – Geschichte, Stand und Perspektiven (Hamburg: Mitteilungen des Instituts für Asienkunde 380, 2004) 481 pp. ISBN 3-88910-307-3. 42 Euro
Inhaltsverzeichnis:
http://www.duei.de/ifa/shop/pdf/mia380-Schuette-Inhalt.pdf
Rezension von Georg Lehner in:
Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und
Völkerkunde Ostasiens e.V, 173-174 (2003): http://www.uni-hamburg.de/fachbereiche-einrichtungen/japanologie/noag/noag2003_rez_01.html

Nach dieser Veröffentlichung schrieb Hans-Wilm Schütte noch eine kurze Geschichte des Instituts für Asienkunde.
Hans-Wilm Schütte: Fünfzig Jahre Institut für Asienkunde in Hamburg (Hamburg: Mitteilungen des Instituts für Asienkunde 398, 2006) 180 pp. ISBN 3-88910-330-8. 20 Euro
Kurze Beschreibung: http://www.duei.de/ifa/shop/csc_article_details.php?nPos=0&saArticle%5BID%5D=236

Der in London arbeitende österreichische Sinologe Bernhard Führer verfasste die erste ausführliche Darstellung der österreichischen Chinastudien.
Bernhard Führer: Vergessen und Verloren – Die Geschichte der österreichischen Chinastudien (Dortmund: Projekt Verlag, 2001) 372 pp. ISBN 3-89733-017-2. 17,50 Euro
Rezension von Georg Lehner in:
Nachrichten der Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens e.V, 171-172 (2002): http://www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/10/JapanS/Zeitschr/NOAG171/re171_15.html

Die Universität Zürich veröffentlichte eine illustrierte Geschichte der dortigen Sinologie und Ostasiatischen Kunstgeschichte als Broschüre und als Pdf-Datei:
Universität Zürich: 50 Jahre Sinologie – 30 Jahre Kunstgeschichte Ostasiens
(2000) 60 pp. http://www.khist.unizh.ch/Lehre/Ostasien/Abteilung/Geschichte/jubilaeum.pdf

Auch der EACS-Bericht über die Schweiz Chinese studies in Switzerland (EACS Country Survey) ist
online zugänglich: (URL: http://www.soas.ac.uk/eacs/switsurv.doc)

Hier gibt es noch einen Überblick über Institutes and Professors of Sinology at German, Austrian and Swiss Universities:
http://www.sino.uni-heidelberg.de/igcs/igdtprof.htm

Eine Liste von 100 East German PhD theses on China ist auch online zugänglich: http://www.sino.uni-heidelberg.de/staff/kampen/eastgermanphd.pdf.


Dr. Thomas Kampen


 

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Zuletzt bearbeitet von: AF
Letzte Änderung: 04.12.2014
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