Newsletter-Archiv: Mai 2016

Liebe Filminteressierte,
 
Better late than never - der Mai-Newsletter kommt mitten im Monat, denn wir vom Filmteam stecken in den Vorbereitungen: Unser neuer Filmraum in der Sinologie wird am 4. Juni feierlich eröffnet! Wir bereiten für alle Interessierte ein spannendes Programm zur vielfältigen Filmlandschaft in China auf und hoffen, dass ihr zahlreich zu den Filmvorführungen (und fruchtbaren Diskussionen) erscheint!  Euch erwarten unter anderem Raritäten aus der Filmkiste von Paul Pickowitz, dem amerikanischen Filmwissenschaftler der gerade in Heidelberg unterrichtet - ich kann nur sagen: es lohnt sich!!!

Und heute im Newsletter: Die aktuelle Weißwasch-Affäre in Hollywood - wieviel Einfluss können sich Filmproduktionen bei kulturellem Casting leisten? Im zweiten Teil geht es um die Gegenentwicklung zu Chinas Markteroberung in Hollywood, nämlich Hollywoods Bewegung gen Osten. Und zum Abschluss einen Einblick in die Animationsbranche in China, die gerade letztes Jahr mit großen Zahlen in die internationalen Schlagzeilen geriet. Viel Spaß beim Lesen!
To be white (-washed) in Hollywood
 
Der Begriff des “Whitewashing” ist spätestens seit April wieder in aller Munde: Nachdem das Casting von Scarlett Johansson für die Kinoadaption vom Manga Ghost in the Shell 攻殻機動隊 als (japanische) Sicherheitsbeamtin Motoko Kusanagi veröffentlicht wurde, äußerten sich sämtliche Medien und Stars kritisch zur Besetzungswahl. Mit der öffentlichen Empörung ging auch eine Spurensuche der weißen Besetzungspraxis einher, die bis in die frühe Filmgeschichte zurückzuführen ist. Bereits seit 1919, mit dem berühmten D.W. Griffith Film „Broken Blossoms“ und der Besetzung von der chinesischen Rolle mit Richard Barthelemess (mit einem weiteren, offensichtlicheren Titel „The Yellow Man and the Girl“) war es gebräuchlich, asiatische Rollen an weiße Schauspieler zu vergeben. Auch spätere bekannte Filmgesichter wie Katherine Hepburn oder John Wayne porträtierten mithilfe einiger Schminke und Kleidung japanische und mongolische Menschen (Dragon Seed, 1944 und The Conqueror, 1956).
Nachdem die Rassismus-Debatte um die „weiße“ Oscarverleihung dieses Jahr durch viel berühmte Unterstützung in die Schlagzeilen geriet, scheint nun diese neue Diskussion der asiatisch-amerikanischen Hollywoodkultur große Wellen zu schlagen. Die generische Begründung des besseren Vermarktungspotenzials von weißen Schauspielern ließ besonders die asiatische Filmgemeinschaft vor Wut schäumen: George Takei, bekannt durch seine Rolle in der älteren Enterprise-Serie und seinem Engagement für ein vielfältigeres social media, kommentierte beispielsweise über Facebook:
 
"So let me get this straight. You cast a white actress so you wouldn’t hurt sales…in Asia? This backpedaling is nearly as cringeworthy as the casting."
 
Trotzdem sind sich viele Autoren darüber einig, dass Großproduktionen wie Marvel und Paramount – mit oder ohne Charakter-„whitewashing“ – Kassenschlager auf die Leinwand bringen werden. 
Zu einem Video quer durch Hollywoods whitewashing-Geschichte:
China in Hollywood. Und jetzt Hollywood in China?!
 
Nachdem ich in den letzten paar Newslettern über Chinas verstärkten (finanziellen) Einfluss auf den Filmmarkt in Hollywood geschrieben habe, gab es in den vergangenen Wochen auch Anzeichen dafür, dass Hollywood nach China will – mit lokalen Produktionen vorort! Die Russo Brüder, die sich mit Marvel-Filmen wie dem neusten Captain America-Blockbuster (2016) und den Avengers-Produktionen der kommenden Jahre einen Namen gemacht haben, planen in China eine Produktionsfirma unter dem Namen Anthem Pictures (in anderen Artikeln unter dem Namen Seejee Studios) zu eröffnen. Mit finanzieller Unterstützung durch den privaten, chinesischen Fonds von HDQH (die nach Russos Angaben schon 100 Millionen USD investiert haben - eine weitere kritische Betrachtung wäre hier angebracht!) wollen die beiden ein “östliches” Marvel-Studio aufbauen, und 2018 bereits zwei Filme in den Kinos bringen. Joe Russo bezeichnet sein Engagement auf dem chinesischen Markt dabei als künstlerische Kooperation in chinesischem Interesse:
 
"Our intent is not to make movies that are geared toward the international market. These are movies geared toward the Chinese market, working with Chinese filmmakers. So I think our approach is: how can we assist with our experience?"
 
Zum kompletten Interview mit Joe Russo
Animation: Zukunft in China?
 
Seit Monster Hunt 捉妖记 2015 in chinesischen Kinos anlief und am Ende des Jahres unter den 10 erfolgreichsten Streifen 2015 in China mit 381 Millionen USD war, ist auch in Hollywood vielen klar geworden: Die chinesische Animation hat große Zukunft. Trotzdem fragt man sich aber, wer dort eigentlich die großen Strippenzieher hinter animierten Produktionen sind, und wieso man besonders jetzt auf diese Industrie setzt?
Nachdem vor allem Disney (und Pixar), Dreamworks oder Universal und Sony im 20. Jahrhundert den internationalen Markt von Animationsfilmen beherrschten, scheint es, als könne China mit ihrem sich stets vergrößernden Kinomarkt Hollywood bald auch in der Sparte Animation überholen. Lange Zeit waren Animationen weniger von großen Produktionsfirmen als vom Staat selbst finanziert, weshalb viele solcher (oft im TV-Serienformat gezeigte) Werke zwar erfolgreich, aber ohne hohen qualitativen und kreativen Anspruch waren. Im Moment liegt der Schwerpunkt der Industrie noch auf national vertriebenen Filmen (mit spezifischen chinesischen Handlungen) wie The Monkey King: Hero Is Back 西游记之大圣归来 von 2015, die beim chinesischen Publikum wesentlich größeren Anklang als importierte Animationen (es dürfen nur 5-6 ausländische Animationen pro Jahr in China gezeigt werden) fanden.
Mittlerweile wird neben neuen Techniken deshalb auch auf eine internationale Strategie gesetzt, bei der Animationsfilme aus Hollywood für den chinesischen Markt adaptiert, oder Animationstalente sogar direkt für chinesische Firmen angeworben werden. Das jüngste Beispiel der letzteren Praxis und Beweis einer wachsenden Animationsindustrie ist Joe Aguilar, der seit März 2016 neuer CEO der Animationssparte Wink Animation des Mediamoguls Huayi Brothers Media (华谊兄弟传媒股份有限公司) ist. Der ehemalige Produktionschef von Oriental DreamWorks (bestehend aus DreamWorks Animation SKG und China Media Capital, die Kung Fu Panda 3 功夫熊猫3 vor ein paar Monaten ins Kino brachten) soll bei Huayi bereits 2017 die ersten Filme auf die Leinwand bringen.

Es sollte spannend bleiben, ob der Plan, gut designte, originale Handlungen mit internationaler Ausrichtung auf dem globalen Markt zu bringen, aufgehen wird.
Zum Artikel "China's Success In Animation Poses A Threat For Hollywood"
Und nun die Fernsehtipps des Monats. In den warmen Sommermonaten ist das Fernsehprogramm leider nur vereinzelt mit TV-Beiträgen zu Ostasien gespickt. Wer sich mit mehr Fernsehen über China beschäftigen will - kommt in unsere Bibliothek, wir helfen euch weiter!
Bildschirm_Mai

Das war der Mai! Im Juni steht vieles an - unser neuer Filmraum zum Beispiel! Vergesst nicht, am 4. Juni wird eröffnet! Genießt einen ganzen Tag Filmmarathon mit uns und diskutiert eifrig mit unseren Cinéasten über die gezeigten Werke!

Bis dahin - Clara
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Dieser Newsletter wird über die ZO-INFO Liste der Sinologie Heidelberg verschickt.

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Akademiestraße 4-8
69117 Heidelberg



 
Zuletzt bearbeitet von: PH
Letzte Änderung: 21.11.2016
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